Édouard Daladier (18.6.1884 Carpentras – 10.10.1970 Paris)

Biographies
Verfasst von Oliver Hochkeppel

Premierminister Frankreichs; Unterzeichner des Münchner Abkommens

Edouard Daladier (1884-1970), Aufnahme vom 29./30.9.1938 in München | Bayerische Staatsbibliothek München/Fotoarchiv Heinrich Hoffmann, hoff-20650

Der Bäckerssohn Édouard Daladier besuchte das Lycée du Parc in Lyon und studierte danach Geschichte. 1909 trat er in Nizza eine Stelle als Gymnasiallehrer für Geschichte an, wechselte dann nach Grenoble, dann nach Marseille und schließlich 1919 ans Lycée Condorcet in Paris. In der Hauptstadt ging Daladier in die Politik. Von 1919 bis 1940 vertrat er sein Heimat-Departement Vaucluse als Abgeordneter der Radikalsozialistischen Partei in der französischen Nationalversammlung. 1924 wurde er Kolonialminister im Kabinett Herriot. In den schnell wechselnden Kabinetten der frühen dreißiger Jahre bekleidete er verschiedene Ministerämter, vor allem das des Kriegsministers.

Mit Unterbrechungen war er ab 1933 mehrmals Premierminister. In die Zeit seiner dritten Ministerpräsidentschaft fiel die Konferenz vom 29.9.1938 in München, in der er mit Hitler, Chamberlain und Mussolini das „Münchner Abkommen“ aushandelte. Für diesen Vertrag, der die deutsche Annexion der sudetendeutschen Gebiete besiegelte und schließlich in der Zerschlagung der Tschechoslowakei endete, wurde Daladier in Frankreich zunächst als ‚Retter des Friedens‘ gefeiert. Die Ernüchterung kam schnell, die von Daladier eingeleitete Wende zur eiligen eigenen Aufrüstung zu spät.

Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs musste Daladier im März 1940 als Premierminister zurücktreten, im Juni verlor er auch das Ministeramt für nationale Verteidigung. Vor den Deutschen floh er nach Marokko, doch auf Anordnung der Vichy-Regierung wurde er verhaftet, gefangen gehalten und im Februar 1943 nach Deutschland deportiert. Auf Schloss Itter in Tirol interniert, befreiten ihn die Alliierten 1945.

Nach seiner Rückkehr wurde Daladier wieder Mitglied der Nationalversammlung, Bürgermeister von Avignon und kurz Vorsitzender der Radikalsozialisten. Doch der Schatten des ‚Münchner Abkommens‘ vereitelte seine Versuche, im politischen Leben Frankreichs wieder eine dominante Rolle einzunehmen. 1961, neun Jahre vor seinem Tod, zog er sich aus der Politik zurück.

Quellen

Du Réau, Élisabeth: Édouard Daladier, Paris 1993.
Engels, Jens Ivo: Kleine Geschichte der Dritten französischen Republik (1870-1940), Köln 2007.

Empfohlene Zitierweise

Oliver Hochkeppel: Daladier, Édouard (publiziert am 11.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel?tx_nsdlexikon_pi3%5Baction%5D=show&tx_nsdlexikon_pi3%5Bcontroller%5D=Entry&tx_nsdlexikon_pi3%5Bentry%5D=137&cHash=64ac00155a8530dcbe5479dd038157c7