Erster Weltkrieg

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Verfasst von Joachim Schröder

Globaler militärischer Konflikt von 1914 bis 1918

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs entluden sich über Jahrzehnte aufgestaute politische Spannungen in Europa. Die Ursache dieser Spannungen lag in der Rivalität der europäischen Großmächte begründet, die im Zeitalter des Imperialismus weltweit um wirtschaftlichen und politischen Einfluss rangen. Schließlich stand auf der einen Seite das Bündnis der alten Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich mit Russland; auf der anderen das wirtschaftlich aufstrebende, bei der Aufteilung der Kolonien im 19. Jahrhundert – aus der Sicht vieler Deutscher – zu kurz gekommene Deutsche Reich, das mit dem Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn verbunden war.

Schwelende innere Konflikte auf dem Balkan hatten Europa zuletzt 1912/13 an den Rand des Krieges gebracht. Der Mord am österreichischen Thronfolger durch einen nationalistischen serbischen Attentäter am 28.6.1914 löste schließlich die Julikrise aus, an deren Ende Österreich-Ungarn, durch das Deutsche Reich in seiner Haltung bedingungslos unterstützt, Serbien, dem wiederum Rußland militärischen Beistand zugesagt hatte, den Krieg erklärte. Aufgrund der europäischen Bündniskonstellation entwickelte sich hieraus binnen weniger Tage ein europäischer, dann ein Weltkrieg, in dem sich auf der einen Seite schließlich das Deutsche Reich, Österreich-Ungarn, Bulgarien (seit 1915) sowie das Osmanische Reich, auf der anderen Seite insbesondere Frankreich, das Britische Empire, Rußland, Serbien, Belgien, Italien (seit 1915), Rumänien (seit 1916) und Japan gegenüberstanden.

Der Erste Weltkrieg war die „Urkatastrophe“ (George F. Kennan) des 20. Jahrhunderts. Er wurde mit moderner, industrialisierter Waffentechnik und mit einem vorher nicht erreichten Ausmaß an Gewalt geführt, kostete etwa 17 Millionen Menschen das Leben und war begleitet von einer aufs äußerste gesteigerten Massenmobilisierung und nationalistischer Propaganda. Er führte zu tiefgreifenden politischen und sozialen Umwälzungen in ganz Europa – wegen der fundamentalen Gewalt, der immer größeren Not für breite Schichten der Bevölkerung und der Unfähigkeit der herrschenden Regierungen, befriedigende Antworten auf die brennende soziale Frage zu geben.

Mobilisierung

Sozialdemokratie und Gewerkschaften hatten stets vor einem Weltkrieg gewarnt und gemeinsam mit der „Sozialistischen Internationale“ mit einem Generalstreik gedroht, sollte eine Nation einen Angriffskrieg beginnen. Doch nach Kriegsbeginn behaupteten beide Seiten, die Angegriffenen zu sein. Aus Furcht vor einer russischen Invasion stimmte deswegen auch die deutsche Sozialdemokratie den geforderten Kriegskrediten zu, unter dem Beifall der bürgerlichen Parteien.

Eine Welle des Patriotismus ging durch das Land. Der Münchner Odeonsplatz war am 2.8.1914 Schauplatz einer großen, patriotischen Demonstration – unter den Demonstranten war auch der 25-jährige Adolf Hitler. Von einer allgemeinen Kriegsbegeisterung, wie sie in den Medien und in der Propaganda vermittelt wurde, kann aber nicht gesprochen werden. Dies galt gerade für die Landbevölkerung, wo jede Arbeitskraft dringend gebraucht wurde, sowie für weite Teile der Arbeiterschaft. Jede offene Opposition gegen den Krieg, wie sie sich auch in München bald regte, vor allem am linken Flügel der SPD (Kurt Eisner), bei den Jungsozialist*innen (Felix Fechenbach) und einigen bürgerlichen Pazifist*innen (Anita Augspurg), wurde als Anschlag auf die Einheit der Nation polizeilich unterdrückt..

Gewalt und Massensterben – Not an der Heimatfront

Während es der deutschen Armee gelang, die nach Ostpreußen vorgedrungenen russischen Truppen noch im Sommer 1914 vernichtend zu schlagen, stießen im Westen deutsche Truppen nach Nordfrankreich und in das neutrale Belgien vor und versuchten, gemäß dem „Schlieffen-Plan“ die französische Hauptstadt schnell zu erobern und damit Frankreich niederzuwerfen. Doch der Widerstand erwies sich als zu stark, und der erhoffte schnelle militärische Sieg blieb aus, die Front im Westen erstarrte. Mit Einsatz von immer mehr Soldaten und Kriegsmaterial trachteten beide Seiten vergeblich danach, einen entscheidenden Durchbruch zu erzielen. Die Kämpfe in Verdun, in Ypern oder an der Somme waren zugleich Synonyme für gewaltige Materialschlachten und Massensterben. In der nationalen Propaganda standen sie aber auch für selbstlose Opferbereitschaft und beispielloses Heldentum des deutschen Frontsoldaten. Die Menschen starben zu Hunderttausenden, Millionen wurden verletzt, verkrüppelt und traumatisiert. An der Ostfront wurde der Krieg beweglicher geführt, aber auch hier waren die Soldaten enormen Strapazen ausgesetzt, und die Verluste waren horrend. 11.000 Münchner ließen auf den Schlachtfeldern ihr Leben, das Deutsche Reich hatte insgesamt zwei Millionen tote Soldaten zu beklagen.

Auch an der „Heimatfront“ wurde die Situation für die Menschen mit zunehmender Kriegsdauer prekär. Frauen mussten ohne das reguläre Einkommen ihrer eingezogenen Ehemänner auskommen, die geleisteten Unterstützungszahlungen reichten oft nicht aus. Der Bedarf an Rüstungsgütern wuchs immer mehr. München wurde zu einem bedeutenden Rüstungsstandort, in dem bald Tausende Frauen arbeiteten. Zusätzlich machte sich die Blockade des Seewegs durch die Alliierten ab 1915 immer stärker bemerkbar. Die Versorgung mit Lebensmitteln und anderen Gütern wurde immer schlechter. An den Geschäften bildeten sich lange Warteschlangen, und im Juni 1916 ereignete sich in München der erste „Hungerkrawall“. Nach dem berüchtigten „Steckrübenwinter“ 1916/17 wiederholten sich solche Unruhen immer wieder. Auslöser waren Proteste wegen der oft katastrophalen Qualität der Lebensmittel, wegen niedriger Rationen oder wenn Verkäufer*innen des Wuchers bezichtigt wurden.

Im April 1917 gründeten Kriegsgegner*innen und linke Sozialdemokrat*innen die Unabhängige Sozialdemokratische Partei (USPD), die sich von dem bisherigen Kurs der SPD-Führung, mit den bürgerlichen Parteien und dem kaiserlichen Regime einen „Burgfrieden“ zu halten, lossagte. In München entstand im Mai eine USPD-Ortsgruppe, deren Führung Kurt Eisner übernahm. Die zunehmend schlechte Stimmung in der Heimat wirkte sich wiederum auf die Soldaten an der Front aus. Die einen zeigten Verständnis für die Unzufriedenheit zu Hause, weil sie selbst kriegsmüde waren, die anderen meinten, dass die Heimatfront den Soldaten in den Rücken falle.

Der Weg zur Revolution
Nach den Revolutionen in Russland im Februar und November 1917 wuchs die Hoffnung vieler Menschen, dass der Krieg bald vorbei sei. Die Bolschewiki erklärten den Krieg für beendet, aber die deutsche Regierung zwang dem kriegsmüden Gegner 1918 einen Gewaltfrieden, den Frieden von Brest-Litowsk, auf. Dies wiederum führte zu Unruhe in der deutschen Arbeiterschaft: Die Proteste mündeten im großen „Januarstreik“, der „Generalprobe“ zur Novemberrevolution (Rosenberg, S. 181). Reichsweit traten über eine Million Arbeiter in den Ausstand. Auch in München waren es Tausende.

Zuerst versammelten sich die Arbeiter*innen der Bayerischen Geschützwerke (Krupp) am 31.1.1918 in der Schwabinger Brauerei und organisierten unter Führung von Kurt Eisner einen Demonstrationszug durch die Stadt. Es folgten die Arbeiter*innen von BMW, Krauss-Maffei, der Bayerischen Flugzeugwerke und anderer Betriebe. Die durchweg politischen Streikforderungen lauteten: sofortiges Friedensangebot an die Kriegsgegner, keine Annexionen; Aufhebung des Belagerungszustandes und der Zensur, unbeschränkte Vereins- und Versammlungsfreiheit, Koalitions- und Streikrecht; Befreiung der politischen Gefangenen. Die Anführer der Streikbewegung, u.a. Kurt Eisner, Ernst Toller und Hans Unterleitner, wurden am 1.2.1918 verhaftet und zu Zuchthausstrafen verurteilt. Nach wenigen Tagen gelang es der Mehrheitssozialdemokratie, die Bewegung zu kontrollieren und den Streik zu beenden.

Die gewachsene Bereitschaft zur Rebellion zeigte sich auch im Sommer 1918, als sich Kriegsversehrte an einer Hungerdemonstration beteiligten und ihre Unzufriedenheit lautstark zum Ausdruck brachten. Die Polizeibeamten schreckten vor einem brutalen Einschreiten zurück, aus Angst, noch größere Unruhen zu provozieren.

Die Niederlage

Seit dem durch die Ausweitung des deutschen U-Boot-Krieges provozierten Kriegseintritt der USA im Frühjahr 1917 hatte sich das Kräfteverhältnis zunächst zu Ungunsten des Deutschen Reichs verschoben. Das Ausscheiden Russlands aus der Entente nach der Oktoberrevolution 1917 ließ das Deutsche Reich aber noch einmal hoffen, dass der Krieg doch noch zu gewinnen sei. Bis zum Frühjahr 1918 konnte die Entente mit den US-Soldaten aber immer neue, unverbrauchte Kräfte an die Front werfen; ihr militärisches Übergewicht wurde drückender. Im August 1918 leitete die Schlacht von Amiens eine großangelegte Offensive der Alliierten ein, die die deutsche Seite zur Rücknahme ihrer Linien zwang und eine militärische Niederlage im Westen befürchten ließ. Die Moral an der Front brach nun spürbar zusammen, Auflösungserscheinungen drohten sich breit zu machen.

Die deutsche Oberste Heeresleitung musste schließlich die militärische Niederlage eingestehen, schickte aber die politische Führung des Reiches vor, um über eine Beendigung des Krieges zu verhandeln. Ende Oktober 1918 verweigerten die Matrosen der Hochseeflotte einen letzten, militärisch unsinnigen Kampfeinsatz und meuterten. Trupps aus Matrosen und Soldaten fuhren in alle Landesteile und unterstützten die überall ausbrechende Revolution.

Der Streit um die Ursachen der Niederlage wurde sehr erbittert geführt. Die vom deutschen Generalstab verbreitete Legende vom „Dolchstoß“ der Heimatfront in den Rücken des Heeres vergiftete das politische Klima in der Weimarer Republik nachhaltig. In den Augen der Nationalsozialisten waren „Juden“ und „Marxisten“ verantwortlich für diesen „Dolchstoß“. Der Kampf gegen die „Novemberverbrecher“ wurde ihr zentrales politisches Anliegen.

Quellen

Verwaltungsbericht der Landeshauptstadt München, bearb. vom Statistischen Amt der Stadt München, 1913-1920, München o.J. [1920].
Ay, Karl-Ludwig: Die Entstehung einer Revolution. Die Volksstimmung in Bayern während des Ersten Weltkrieges, Berlin 1968.
Berghan, Volker: Der Erste Weltkrieg, 8. Auflage, München 2023.
Geyer, Martin H.: Verkehrte Welt. Revolution, Inflation und Moderne, München 1914-1924, Göttingen 1998.
Hillmayr, Heinrich: München und die Revolution von 1918/19. Ein Beitrag zur Strukturanalyse von München am Ende des Ersten Weltkrieges und seiner Funktion bei Entstehung und Ablauf der Revolution, in: Karl Bosl (Hg.): Bayern im Umbruch. Die Revolution von 1918, ihre Voraussetzungen, ihr Verlauf und ihre Folgen, München/Wien 1969, S. 453-504.
Leonhard, Jörn: Die Büchse der Pandora. Geschichte des Ersten Weltkriegs, München 2018.
Rosenberg, Arthur: Die Entstehung der Weimarer Republik, Frankfurt am Main 1961.
Ziemann, Benjamin: Front und Heimat. Ländliche Kriegserfahrungen im südlichen Bayern 1914-1923, Essen 1997.

Empfohlene Zitierweise

Joachim Schröder: Erster Weltkrieg (publiziert am 30.01.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel?tx_nsdlexikon_pi3%5Baction%5D=show&tx_nsdlexikon_pi3%5Bcontroller%5D=Entry&tx_nsdlexikon_pi3%5Bentry%5D=195&cHash=83cb778bff483cb07e314487df203795