Heinrich Eymer (11.6.1883 Frankfurt am Main – 16.5.1965 München)

Biographies
Verfasst von Elisabeth Kraus

Gynäkologe, Leiter der Frauenklinik der Universität München von 1934 bis1945 und von 1948 bis 1954

Heinrich Eymer (1883-1965), Aufnahme um 1930 | Bayerische Staatsbibliothek München/Porträt- und Ansichtensammlung, port-013902

Heinrich Christian Eymer studierte Medizin in Marburg und München und machte 1908 in Karlsruhe sein medizinisches Staatsexamen. Im gleichen Jahr wurde er an der Universität Heidelberg promoviert. Nach Studienaufenthalten in Hamburg, Frankfurt am Main und Straßburg habilitierte er sich 1917 wiederum an der Universität Heidelberg. 1924 wurde er an die Universität Innsbruck berufen und zum Leiter der dortigen Frauenklinik ernannt. 1930 folgte er Carl Menge in Heidelberg nach und war bis 1934 Direktor der Universitätsfrauenklinik. Dort modernisierte er die veraltete Röntgenabteilung, ließ Säuglingszimmer auf den Wochenbettstationen sowie eine Spezialstation für Frauen mit Fehlgeburten einrichten.

1933 erhielt Eymer aufgrund der Intervention des bayerischen Kultusministeriums und entgegen dem Votum von Fakultät und Rektor einen Ruf auf den Lehrstuhl für Gynäkologie und Geburtshilfe an der Universität München in der Nachfolge von Albert Döderlein. 1934 übernahm Eymer von ihm auch die Leitung der Münchner Universitätsfrauenklinik. Eymers wissenschaftliche und klinische Arbeiten galten hauptsächlich der Strahlentherapie bei Gebärmutterkrebs, womit er eine von Döderlein begründete Tradition fortsetzte.

Eymer war förderndes Mitglied der SS, des NS-Lehrer- und des NS-Ärztebundes. Der NSDAP trat er 1937 und dem NS-Dozentenbund 1939 bei. Zeitgleich mit Eymers Amtsbeginn in München 1933 wurde das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses geltendes Recht in Deutschland. Der regierungsamtliche Gesetzeskommentar erschien 1934 im J.F. Lehmanns Verlag München mit Beiträgen u.a. über Die Eingriffe zur Unfruchtbarmachung der Frau von Albert Döderlein. Für den Kommentar zur zweiten Auflage des Gesetzes schrieb nun Eymer den entsprechenden Artikel. Darin warb er – als Mittel zur Unfruchtbarmachung – für die von ihm weiterentwickelte Bestrahlung durch Röntgenstrahlen und radioaktive Substanzen anstelle des bis dahin meist angewendeten chirurgischen Eingriffs
.

In der von Eymer geleiteten Universitätsfrauenklinik wurden in der NS-Zeit mehr als 1300 Zwangssterilisationen vorgenommen. Damit wurden geistig oder körperlich behinderte Menschen, Patient*innen psychiatrischer Heil- und Pflegeanstalten sowie Alkoholkranke ohne ihre Einwilligung unfruchtbar gemacht. Im November 1945 wurde Eymer von der Amerikanischen Militärregierung seines Amtes enthoben. Die Spruchkammer stufte ihn im August 1946 als minderbelastet ein, wogegen er Widerspruch einlegte. Das Berufungsverfahren führte im Dezember 1946 dazu, daß er als nur nominelles NSDAP-Mitglied ohne Nutznießerschaft zum Mitläufer heruntergestuft wurde.

1948 wurde sowohl die Leitung der Universitätsfrauenklinik wie auch der Lehrstuhl an der Universität auf Eymer rückübertragen. Seine Emeritierung erfolgte 1952; die Frauenklinik allerdings leitete er noch bis Oktober 1954. Von 1951 bis 1952 war er Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und organisierte deren Kongress 1952 in München. Die Gesellschaft ernannte ihn später zum Ehrenmitglied. Er erhielt 1953 das Große Verdienstkreuz zum Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland aufgrund seiner wissenschaftlichen und ärztlichen Leistungen.

Quellen

Albrecht, Pavla: Prof. Dr. Heinrich Eymer - eine ärztliche Karriere zwischen Ehrgeiz, Eugenik und Nationalsozialismus, in: Krauss, Marita: Rechte Karrieren in München. Von der Weimarer Zeit bis in die Nachkriegsjahre, München 2010, S. 297-310.
Stauber, Manfred: Vergangenheitsbewältigung in der bayerischen Gynäkologie – Erfahrungen an der I. Universitätsfrauenklinik, in: Christoph Anthuber u.v.a. (Hgg.): Herausforderungen. 100 Jahre Bayerische Gesellschaft für Geburtshilfe und Frauenheilkunde, Stuttgart 2012, S. 237–256.
Ausführer und Vollstrecker des Gesetzeswillens“ – die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie im Nationalsozialismus. Supplement, hg. v. Thomas Dimpfl u.a. – im Auftrag der DGGG, Stuttgart 2016; <http://dx.doi.org/10.1055/s-0042-110591> (zuletzt aufgerufen am 21.10.2023).

 

Empfohlene Zitierweise

Elisabeth Kraus: Eymer, Heinrich (publiziert am 16.05.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel?tx_nsdlexikon_pi3%5Baction%5D=show&tx_nsdlexikon_pi3%5Bcontroller%5D=Entry&tx_nsdlexikon_pi3%5Bentry%5D=201&cHash=5e13c0cccc18be3fdc4a83baae1ce3a0