Der Krieg verursachte einen tiefgreifenden Wandel der Münchner Stadtgesellschaft. Mobilmachung und Einberufungen, Evakuierungen, Kinderlandverschickungen und die Flucht vor Luftangriffen ins oberbayerische Umland führten zu einer Verschiebung der urbanen Sozialstruktur in einem bislang nicht gekannten Ausmaß. Ab 1942 bildeten zehntausende ausländische Zwangsarbeiter*innen aus allen Teilen Europas eine neue Großgruppe, die unübersehbar das innerstädtische Alltagsleben prägte. München wurde durch den Krieg zu einer Stadt der Frauen, der Kinder, der Alten und der Ausländer*innen. Andere Gruppen, vor allem Männer im wehrfähigen Alter, verschwanden fast völlig aus dem Stadtbild.
Ausgelöst durch den sozialstrukturellen Wandel der Kriegsjahre veränderte sich die gesellschaftliche Rolle der Frau in einem bislang nicht gekannten Ausmaß. Die Erziehung der Kinder und die Betreuung älterer Familienmitglieder waren ohnehin Aufgaben, die traditionell den Frauen zugewiesen waren. Unter dem Eindruck des Krieges verschärfte sich jedoch die Bewältigung des Alltags. Vor allem Frauen standen vor der täglich sich wiederholenden Herausforderung, unter widrigen Umständen ein möglichst normales Familienleben aufrechtzuerhalten. Versorgungsdefizite, Ressourcenmangel und lebensbedrohliche Luftangriffe waren indessen nur eine Seite des Kriegsalltags. Durch die Erfahrungen und Verwerfungen des Krieges verschoben sich gesellschaftliche Wertmaßstäbe und soziale Bezugssysteme. Vor allem Jugendliche und junge Erwachsene erkannten die Brüchigkeit und zunehmende Unglaubwürdigkeit der herrschenden Ordnung; die Konflikte zwischen den Generationen erhielten zusätzliche Impulse. Der Kriegsalltag veränderte die Einstellung vieler Jugendlicher zu Staat und Elternhaus. Die Kraftlosigkeit autoritärer Leitbilder und die Fragilität der gesellschaftlichen Realität begünstigten neue Jugendmilieus mit einer provokanten Verweigerungshaltung. Durch den Krieg zerbrachen familiäre Strukturen; vielen Jüngeren fehlte der emotionale Rückhalt. Tradierte Werte verloren zunehmend ihre Bindungskraft. Gleichzeitig präsentierte sich die Trümmerlandschaft Stadt als realer Abenteuerspielplatz mit neuen Freiräumen. Für viele Mütter, die mit der Erziehungsaufgabe allein standen, war dies eine belastende, oftmals nur schwer zu lösende Herausforderung.
Der Nationalsozialismus bemühte sich in den ersten Jahren nach 1933, die Erwerbstätigkeit von Frauen einzudämmen. In der Vorstellung der NS-Elite war die Frau auf die Rolle als „Hüterin der Rasse“ und Mittelpunkt der Familie festgelegt. Nach Hitlers Auffassung war der nationalsozialistische Staat ein Männerstaat, in dem der Frau als Gefährtin und Mutter ein Platz in der nichtöffentlichen Sphäre zugewiesen war. Frauenarbeit hatte sich, wenn überhaupt, auf die klassischen Felder weiblicher Erwerbstätigkeit zu beschränken, vorzugsweise im hauswirtschaftlichen, pflegerischen, sozialen und erzieherischen Bereich. Nachdem sich jedoch seit Mitte der 1930er Jahre im Deutschen Reich ein besorgniserregender Arbeitskräftemangel abzeichnete, wurde auch der weiblichen Arbeitspflicht von höchster Stelle entscheidende Bedeutung eingeräumt.
Hatte sich die NS-Führung zunächst bemüht, durch Ehestandsdarlehen und Propagandaaktionen Frauen aus dem Erwerbsprozess zu verdrängen, so setzte gegen Ende der 1930er-Jahre ein Umdenken ein. Frauen sollten nunmehr verstärkt in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden, und weibliche Erwerbsarbeit wurde zunehmend über das Instrument der „Dienstverpflichtungen“ aktiviert und gesteuert. Allerdings blieb der Mobilisierungserfolg dieser Maßnahmen gering. Die mit einer Erwerbstätigkeit verbundenen finanziellen Anreize konnten die zusätzlichen Belastungen nicht aufwiegen. Allerdings erfolgte über die nationalsozialistischen Verbände und Gliederungen eine „mittelbare“ Mobilisierung der weiblichen Arbeitskraft. Etwa 12 Millionen Frauen waren 1939 Mitglied in einem nationalsozialistischen Verband wie der NS-Frauenschaft (NSF), dem Deutschen Frauenwerk (DFW) oder der NS-Volkswohlfahrt (NSV). Hier erbrachten sie Dienstleistungen für die Allgemeinheit, wie die Betreuung von Ausgebombten und Luftkriegsgeschädigten. Andere arbeiteten im Reichsluftschutzbund (RLB) mit und übernahmen hier Aufgaben als Luftschutzwartinnen oder Melderinnen.
Entwicklung der Beschäftigung im Arbeitsamtsbezirk München und im Deutschen Reich, 1934-1939 (1934 = 100)
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München Deutsches Reich
Männer Frauen insgesamt Männer Frauen insgesamt
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1934 100 100 100 100 100 100
1935 117,5 106,4 112,6 107,3 103,8 106,2
1936 131,0 110,4 122,0 116,0 109,0 113,7
1937 143,2 119,9 132,9 124,7 116,6 122,1
1938 173,9 159,9 167,7 132,5 124,8 130,0
1939 194,2 174,0 185,3 134,3 135,0 134,5
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(nach: StAM, Arbeitsämter 136, 137; Bajohr, S.225, Tabelle 43)
Für das Münchner Wirtschaftsleben der Kriegsjahre besaß der Arbeitseinsatz von Frauen eine Schlüsselfunktion. Der Anteil der weiblichen Beschäftigten in der Stadt lag zwischen 1939 und 1945 deutlich über dem Reichsdurchschnitt. In München wurden Frauen nicht nur als Ersatzkräfte für dienstverpflichtete und zur Wehrmacht einberufene Männer herangezogen. Auch neue, im Zuge der Rüstungskonjunktur entstandene Arbeitsplätze wurden mit Frauen besetzt. Befürworter der weiblichen Erwerbstätigkeit waren die beiden oberbayerischen Gauleiter Wagner und sein Nachfolger Giesler. Allerdings galt auch für Frauen grundsätzlich das Prinzip der Privilegierung deutscher Arbeitskräfte: „Schwerarbeit“, so das von der Arbeitsverwaltung ausgegebene Motto des Fraueneinsatzes, dürfe nicht den deutschen Frauen aufgetragen werden, sondern „müsse von Ausländerinnen (Russinnen, Polinnen usw.) gemacht werden“ (BayHStA, MWi 9604).