Otto Geßler (6.2.1875 Ludwigsburg – 24.3.1955 Lindenberg/Allgäu)

Biographies
Verfasst von Matthias Bischel

Reichswehrminister

Otto Geßler (1875-1955), Aufnahme von 1928 | Scherl/SZ Photo, 00023594

Otto Geßler, seit dem zwölften Lebensjahr im bayerischen Schwaben beheimatet, entschied sich nach seinem Jura-Studium in Erlangen, Tübingen und Leipzig für eine Karriere in der öffentlichen Verwaltung. Er stellte sich 1910 in Regensburg erfolgreich als Bürgermeister zur Wahl und wechselte 1913 auf den noch prestigeträchtigeren Posten des Nürnberger Oberbürgermeisters. Der nationalliberal orientierte Kommunalpolitiker trat 1918 der neugegründeten DDP bei, die ihn im Oktober 1919 als Minister für Wiederaufbau ins Reichskabinett entsandte.

Nachhaltigen Einfluss auf die Entwicklung der Weimarer Republik entwickelte Geßler ab März 1920 im Amt des Reichswehrministers. Dabei leistete er als Vertreter des Ideals einer vom politischen Leben möglichst abgewandten Reichswehr der Herausbildung einer Armee als ‚Staat im Staat‘ Vorschub. Das Verhältnis zwischen der Militärführung unter General von Seeckt und ihm als ihrem zivilen Vorgesetzten blieb trotzdem eher distanziert. Dessen ungeachtet gehörte Geßler, in der Staatskrise 1923 kurzfristig Inhaber der vollziehenden Gewalt, für Weimarer Verhältnisse außergewöhnlich lange dem Kabinett an und blieb sogar nach dem Bruch mit seiner Partei 1927 im Amt. Der Reichsminister stürzte erst ein Jahr später über die sog. Phoebus-Lohmann-Affäre, einem Finanzskandal im Zusammenhang mit der im Geheimen betriebenen Wiederaufrüstung. Geßler übernahm nach seinem Rücktritt die Leitung des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge und des Vereins für das Deutschtum in Ausland.

Dem NS-Regime anfangs nicht prinzipiell ablehnend gegenüber stehend, knüpfte er Ende der 1930er-Jahre Kontakte zum bürgerlichen Widerstand, vor allem zum Sperr-Kreis sowie zur Beck-Goerdeler-von Hasell-Gruppe. Von letzterer wohl deshalb beim Staatsstreich am 20. Juli 1944 als politischer Beauftragter im Wehrkreis VII (Südbayern) vorgesehen, wurde der ehemalige Politiker nun verhaftet und bis März 1945 im KZ Ravensbrück interniert.

Nach Kriegsende kehrte Geßler nicht mehr ins aktive politische Leben zurück, trug aber als Präsident des Bayerischen und Deutschen Roten Kreuzes zum Wiederaufbau zivilgesellschaftlicher Strukturen bei. Seine posthum publizierten Erinnerungen sind eine wichtige Quelle zur Geschichte der Weimarer Republik.

Quellen

Nachlass Otto Geßler (N 32) im Bundesarchiv Koblenz.
Geßler, Otto: Reichswehrpolitik in der Weimarer Republik, Stuttgart 1958.
Limbach, Manuel: Bürger gegen Hitler. Vorgeschichte, Aufbau und Wirken des bayerischen „Sperr-Kreises“. Göttingen 2019.
Möllers, Heiner: Reichswehrminister Otto Geßler. Eine Studie zu „unpolitischer“ Militärpolitik in der Weimarer Republik, Frankfurt a.M. 1998.

Empfohlene Zitierweise

Matthias Bischel: Geßler, Otto (publiziert am 19.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel?tx_nsdlexikon_pi3%5Baction%5D=show&tx_nsdlexikon_pi3%5Bcontroller%5D=Entry&tx_nsdlexikon_pi3%5Bentry%5D=265&cHash=bb3776931b7aad338973c63497607f1f