Rita Glasner (2.12.1929 München)

Biographies
Verfasst von Christoph Wilker

Zeugin Jehovas, Kurierin verbotener Schriften, Ablehnung des Hitlergrußes

Rita Glasner (l.) mit zwei Mitschülerinnen, 1942 | Privatbesitz Christoph Wilker

Ritas Eltern, der Werkmeister Ludwig Glasner und seine Frau Katharina wurden 1933 Zeugen Jehovas. Den Großteil ihrer Kindheit und Jugend war sie NS-Verfolgungen ausgesetzt. Als sie sieben Jahre alt war, wurden ihre Eltern – jedoch nicht zeitgleich – wegen Unterstützung einer Flugblattaktion inhaftiert. In der Schule erfuhr Rita Repressalien, weil sie den Hitlergruß ablehnte. Mehrere Jahre transportierte sie als Kurierin illegale Schriften. Als sie sich 1942 mit zwölf Jahren als Zeugin Jehovas taufen ließ, war sie sich der möglichen Folgen bewusst. Während Ritas Vater 1943 im Ausland für den zwangsweise der Wehrmacht unterstellten Baubetrieb seines Schwagers arbeitete, wurde die Mutter erneut inhaftiert, weil sie eine Ausgabe des „Wachtturms“ mit kritischen Bemerkungen über Hitler und den Krieg bei sich hatte.

Rita war nun mitten im Krieg auf sich allein gestellt. Nach drei Monaten wurde sie von einer Nachbarsfamilie aufgenommen. Ritas Mutter wurde mehrmals von der Gestapo unter Folter verhört. Um den Druck auf die Mutter zu erhöhen, sich und andere Zeugen Jehovas durch Aussagen zu belasten, musste Rita ein Verhör im Nebenzimmer mitanhören. Nach Haft in München-Stadelheim kam Ritas Mutter in das Gefängnis Weilheim, dann wurde sie nach Berlin-Moabit überstellt, weil ihr Prozess vor dem Volksgerichtshof bevorstand. Rita war anwesend, als am 29.8.1944 das Todesurteil wegen Wehrkraftzersetzung sowie Entgegennahme und Weitergabe regimefeindlicher Schriften der Zeugen Jehovas ausgesprochen wurde. Noch am selben Tag wurde die Strafe in sieben Jahre Zuchthaus umgewandelt. Katharina Glasner kam in das Zuchthaus Waldheim.

Nach der Befreiung am 8.5.1945 konnte Rita wieder zu ihren Eltern. 1948 heiratete sie den Münchner Erwin Berger, mit dem sie fast 60 Jahre bis zu seinem Tod 2008 zusammenlebte.

Quellen

Urteil des Volksgerichtshofs Berlin vom 29.8.1944 (Privatbesitz Rita Berger).
Erklärung von Katharina Glasner vom 20.6.1947 (Privatbesitz Rita Berger).
Wilker, Christoph: Ich hatte eine gerade Linie, der ich folgte.
Die Geschichte von Rita Glasner, einem Bibelforscherkind im "Dritten Reich", München 2015.

Empfohlene Zitierweise

Christoph Wilker: Glasner, Rita (publiziert am 01.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel?tx_nsdlexikon_pi3%5Baction%5D=show&tx_nsdlexikon_pi3%5Bcontroller%5D=Entry&tx_nsdlexikon_pi3%5Bentry%5D=274&cHash=5590890fbcc3eb9465555bd6ecfd0ca8