Quellen
Heesch, Johannes: Der
Grünwalder Kreis, in: Gesine Schwan u.a. (Hgg.): Demokratische
Politische Identität: Deutschland, Polen und Frankreich im
Vergleich, Wiesbaden 2006, S. 35-69.
Admission free
Aktionsgemeinschaft demokratisch gesinnter Intellektueller gegen restaurative Tendenzen in der Ära Adenauer (1956-1958)
Der am 4.2.1956 vom Schriftsteller und Leiter der „Gruppe 47“, Hans Werner Richter, gegründete „Grünwalder Kreis“ war ein Zusammenschluss unterschiedlich gesinnter Publizist*innen und Journalist*innen, Politiker*innen und Pädagog*innen. Sie kamen zum einen aus dem Umfeld der „Gruppe 47“, aber auch aus der „Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Akademiker“. Gemeinsam sprachen sie sich gegen rechtsextreme und neo-nationalsozialistische Tendenzen in Verbänden, Parteien und Verlagen sowie bei deren Führungsfiguren aus, zeigten personelle NS-Kontinuitäten im Staatsdienst auf, besonders in den Ministerialbürokratien, der Justiz, der Bundeswehr oder auch im Schulwesen und setzten sich zudem für die Aussöhnung mit Frankreich und Polen ein.
An der ersten Haupttagung in Grünwald bei München nahmen ca. 50 Personen teil, auf der Kölner Haupttagung ein halbes Jahr später waren es bereits über 200. Unter den ständigen Teilnehmern der Haupttagungen, die in den Jahren 1956/57 auch in Hamburg, Berlin und Frankfurt stattfanden, waren der Schriftsteller Alfred Andersch, der Journalist Axel Eggebrecht, der als Sozialdemokrat aktive Amtsgerichtsrat Hans-Jochen Vogel, der damals in der bayerischen Staatskanzlei unter Ministerpräsident Wilhelm Hoegner arbeitete, und der Pädagoge und spätere Universitätsprofessor Ernst Nolte. Im Jahr 1958 gab es keine Haupttagungen mehr, regionale Tätigkeiten wurden jedoch noch fortgeführt.
Unter dem Dach des „Grünwalder Kreises“ konstituierten sich einige berufsspezifische Organisationen: So bildete sich im Anschluss an die Kölner Tagung im Oktober 1956 die Arbeitsgemeinschaft der Lehrer im „Grünwalder Kreis“, unter ihnen Ernst Nolte oder der Direktor des Internationalen Schulbuchinstituts in Braunschweig, Georg Eckert. Sie forderten die Ausarbeitung von Aufklärungsmaterialien zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus, eine demokratische Gestaltung von Schulfeiern und generell Informationsveranstaltungen zur NS-Vergangenheit für Lehrer*innen an Gymnasien.
Auf der Hamburger Tagung am 13.5.1956 konstituierte sich der „Club republikanischer Publizisten“. Er agierte gegen rechtsextremes, völkisches Gedankengut verbreitende Verleger*innen und Schriftsteller*innen. Die Juristen des „Grünwalder Kreises“ um Hans-Jochen Vogel erstatteten u.a. Strafanzeige gegen den Druffel-Verlag von Helmut Sündermann, ehemaliger stellvertretender Reichspressechef der NSDAP. Dieser hatte führenden Nationalsozialisten bzw. dem NS-Gedankengut eine publizistische Plattform geboten. Die Strafanzeige führte im November 1956 zur Beschlagnahmung einiger Bücher des Verlags; sie wurde allerdings wenige Monate später vom Oberlandesgericht München wieder aufgehoben. Dennoch wurden diese Ereignisse und weitere Eingaben auf parlamentarischer und ministerieller Ebene sowie in der interessierten Öffentlichkeit diskutiert. Somit kann der „Grünwalder Kreis“ durchaus als “ein besonders öffentlichkeitswirksames Forum, das sich für die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus engagierte“ (Heesch, S. 53), bezeichnet werden.
Heesch, Johannes: Der
Grünwalder Kreis, in: Gesine Schwan u.a. (Hgg.): Demokratische
Politische Identität: Deutschland, Polen und Frankreich im
Vergleich, Wiesbaden 2006, S. 35-69.