Antiquariat Rosenthal

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Verfasst von Katja Klee

Traditionelles Familienunternehmen, von den Nazis verfolgt

Die bedeutende Antiquarsdynastie Rosenthal wurde durch den Nationalsozialismus vollständig aus Deutschland vertrieben und über die ganze Welt zerstreut. 1867 waren die ersten Rosenthals von Fellheim in Schwaben nach München übergesiedelt und hatten hier einen äußerst erfolgreichen Handel mit alten Handschriften und frühen Druckwerken eröffnet. 1933 waren noch Nathan, genannt Norbert, mit seinem Sohn Fritz im Stammhaus in der Hildegardstraße 16 tätig sowie sein frankophiler Bruder Jakob, der sich Jacques nannte und 1909/11 ein repräsentatives Wohn- und Geschäftshaus in der Brienner Straße 47 (heute 26) in unmittelbarer Nähe des Barlow-Palais (das spätere „Braune Haus“ der NSDAP) hatte erbauen lassen.

Gesundheitliche Probleme des hoch betagten Seniorchefs, Umsatzeinbrüche infolge der Weltwirtschaftskrise und Boykottaktionen der Nationalsozialisten führten 1935 zum Verkauf des prächtigen Geschäftshauses an die NSDAP-Reichsleitung, die darin den Sitz der „NS-Gemeinschaft ‚Kraft durch Freude‘“ einrichtete. Die Firma wurde im Dezember 1935 an den Mitarbeiter Hans Koch verkauft, der sie in der Konradstraße in München-Schwabing unter dem alten Namen weiterführte. Jacques Rosenthal starb am 5.10.1937 in München, seiner Frau Emma gelang Ende 1939 die Emigration nach Zürich zu ihrem Sohn Erwin. Das von Norbert Rosenthal und seinen drei Söhnen Paul, Ernst und Fritz geführte Stammhaus „Ludwig Rosenthal’s Antiquariat OHG“ in der Hildegardstraße 16 war durch das 1935 ausgesprochene Berufsverbot für jüdische Kunst- und Antiquitätenhändler zur Liquidation verdammt, die der Seniorchef mit seinem Sohn Ernst betrieb. Beide wurden im Zuge des Pogroms am 8./9.11.1938 mehrere Monate lang in Dachau interniert. Das Antiquariat wurde am 1.1.1939 geschlossen. Die endgültige Abwicklung des Geschäfts zog sich jedoch in die Länge. Ernst Rosenthal und seiner Frau gelang im Mai 1939 die Emigration nach England. Norbert Rosenthal, dessen Frau im Februar 1941 starb, musste im Januar 1942 in das Lager an der Knorrstraße umziehen und starb kurz vor der Deportation nach Theresienstadt am 25.6.1944.

Quellen

Die Rosenthals. Der Aufstieg einer jüdischen Antiquarsfamilie zu Weltruhm. Mit Beiträgen von Elisabeth Angermair, Jens Koch, Anton Löffelmeier, Eva Ohlen und Ingo Schwab, Wien u.a. 2002.
Selig, Wolfram: „Arisierung“ in München. Die Vernichtung jüdischer Existenz 1937-1939, Berlin 2004.

Empfohlene Zitierweise

Katja Klee: Antiquariat Rosenthal (publiziert am 31.01.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel?tx_nsdlexikon_pi3%5Baction%5D=show&tx_nsdlexikon_pi3%5Bcontroller%5D=Entry&tx_nsdlexikon_pi3%5Bentry%5D=30&cHash=37406fe63780106d4924d045e99ea353