Arisierungsstelle

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Verfasst von Maximilian Strnad

Zentrale Behörde für die Verfolgung der Jüdinnen*Juden in München

Monatsbericht des ,Beauftragten des Gauleiters für Arisierungen‘, Leiters der ‚Arisierungsstelle‘ und Verantwortlichen für die ‚Judenlager‘ in Berg am Laim und Milbertshofen Hans Wegner, 13.12.1941 | Staatsarchiv München, NSDAP 37

Die „Arisierungsstelle“ war die zentrale Behörde für die Verfolgung der Jüdinnen*Juden in München. Sie wurde im November 1938 als „Vermögensverwertung München G.m.b.H.“ durch die Gauleitung der NSDAP München/Oberbayern zum Zweck der Arisierung jüdischer Immobilien gegründet. Im Januar 1939 wurde sie unter der Bezeichnung „Treuhänder gemäß Beschluß des Regierungspräsidenten“ zur staatlichen Institution. Zeitgleich schuf Gauleiter Adolf Wagner mit dem „Beauftragten der Gauleitung für die Arisierung“ eine zweite Organisation, um der NSDAP weiterhin den maßgeblichen Einfluss auf die Judenverfolgung zu sichern. De facto handelte es sich bei den beiden Einrichtungen um eine Behörde, die in Personalunion von SA-Hauptsturmführer Hans Wegner geleitet wurde.

Die Arisierungsstelle hatte circa 20 Mitarbeiter*innen. Zu den wichtigsten zählten die Ressortleiter Franz Mugler, Ludwig Schrott und Richard Westermayr. Durch ihre Doppellegitimation wurde die Arisierungsstelle zum „Motor der Verfolgung“ (Gerd Modert). Sie fungierte als Schaltzentrale zwischen den verschiedenen Behörden und war zusammen mit dem städtischen Wohnungsamt maßgeblich bei der „Arisierung“ des Wohnraumes tätig. Jüdinnen*Juden wurden auf ihre Veranlassung hin gezwungen, in „Judenhäusern“ und jüdischen Sozialeinrichtungen (zum Beispiel in jüdischen Alten- und Kinderheimen) zu leben und somit von der übrigen Bevölkerung isoliert. Die „Arisierungsstelle“ errichtete im Jahr 1941 ein Lagersystem für Juden in den Münchner Stadtteilen Milbertshofen, Berg am Laim und Lohhof und organisierte mit Unterstützung des Arbeitsamts den Zwangsarbeitseinsatz. Ihre Mitarbeitenden waren mit polizeilichen Befugnissen ausgestattet. Sie führten Kontrollen, etwa zur Einhaltung der Kennzeichnungspflicht und des Verbots der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, durch. Bei Übertretungen verhängten sie willkürlich drakonische Strafen. Wiederholt misshandelten sie Jüdinnen*Juden auch körperlich. Hans Wegner etwa schlug Jüdinnen*Juden mit einer Reitpeitsche.

Die „Arisierungsstelle“ war auch an der Durchführung der Deportationen beteiligt. Nachdem der Großteil der Münchner Jüdinnen*Juden deportiert worden war, wurde die Arbeit der Behörde im Sommer 1943 eingestellt. In einem auf den 30.6.1943 datierten Abschlussbericht zog der Leiter Hans Wegner diese Bilanz: Die Arisierungsstelle habe „ihre Aufgaben zur Entjudung des Traditionsgaues auf allen Gebieten und Lebensäußerungen kompromisslos“ durchgeführt und dadurch „einen weiteren Beitrag zum Endsieg geleistet“.

Quellen

Modert, Gerd: Motor der Verfolgung. Zur Rolle der NSDAP bei der Entrechtung und Ausplünderung der Münchner Juden, in: Baumann, Angelika/Heusler, Andreas (Hg.): München „arisiert“. Entrechtung und Enteignung der Juden in der NS-Zeit, München 2004, S. 145-175.
Stadtarchiv München (Hg.): „... verzogen, unbekannt wohin“. Die erste Deportation von Münchner Juden im November 1941, Zürich 2000.
Strnad, Maximilian: Zwischenstation „Judensiedlung“. Verfolgung und Deportation der jüdischen Münchner 1941-1945, München 2011.

Empfohlene Zitierweise

Maximilian Strnad: Arisierungsstelle (publiziert am 28.11.2023), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel?tx_nsdlexikon_pi3%5Baction%5D=show&tx_nsdlexikon_pi3%5Bcontroller%5D=Entry&tx_nsdlexikon_pi3%5Bentry%5D=36&cHash=140c97b1c6f8a20bbe2623b67eaadcbd