Hermann „Mano“ Höllenreiner (geb. 19.10.1933 Hagen / Westfalen)

Biographies
Verfasst von Sarah Grandke

Verfolgter Sinto, lebte in seiner Kindheit und Jugend in München

Hermann „Mano‘ Höllenreiner, um 1950 | Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma Heidelberg

Hermann Höllenreiner stammt aus einer Fuhrunternehmer- und Pferdehändlerfamilie. Als sein Vater Johann Baptist Höllenreiner 1940 zum Militär einberufen und in Lenggries stationiert wurde, zog auch die Mutter Margarete mit der Tochter Josefine „Lilli“ und dem Sohn Hermann dorthin. Wie die Mehrheit der Sinti, wurde auch Johann Baptist Höllenreiner aufgrund seiner Herkunft aus dem Militär wieder entlassen, woraufhin die Familie zurück nach München zog. Der Vater wurde zwangsverpflichtet und musste mit anderen Sinti in Giesing Straßenbauarbeiten ausführen.

Im März 1943 wurden die Familie Höllenreiner und ein Großteil ihrer Verwandtschaft ins ‚Zigeunerlager‘ Auschwitz-Birkenau deportiert. Die Transportumstände sowie die Bedingungen im Lager waren katastrophal. Im Mai 1944 sollte das ‚Zigeunerlager‘ ‚liquidiert‘ werden. Mit Steinen, Werkzeugen und selbstgefertigten Waffen widersetzten sich die Sinti*zze und Rom*nja der SS. Auch Johann Baptist Höllenreiner und seine Brüder beteiligten sich. Vorerst konnten die Häftlinge die drohende Vernichtung abwenden. Die als noch ‚arbeitsfähig‘ eingestuften Häftlinge sowie ehemalige Wehrmachtsangehörige, die ‚privilegiert‘ behandelt werden sollten, wurden in andere Konzentrationslager transportiert. Die 2897 in Auschwitz zurückgebliebenen Sinti und Roma ermordete die SS am 2./3.8.1944 in den Gaskammern.

Die Familie Höllenreiner kam ins KZ Ravensbrück, wo sie getrennt wurde. Im März 1945 erfolgte die Verlegung der männlichen Familienmitglieder ins KZ Sachsenhausen. Nur wenige Wochen später wurden die Häftlinge auf ‚Todesmärsche‘ geschickt. Dabei konnte der 12-jährige Hermann fliehen. Den entkräfteten und traumatisierten Jungen nahmen französische Häftlinge mit nach Frankreich. Aus Angst vor Entdeckung seiner deutschen Herkunft sprach Hermann Höllenreiner dort nur wenig. Er lebte bei verschiedenen Familien, lernte Französisch und passte sich an. Erst als Fotos des Jungen an den Internationalen Suchdienst des Roten Kreuzes gegeben wurden, konnte anhand der in Auschwitz eintätowierten Häftlingsnummer seine Familie gefunden werden. Ende 1946 kehrte er nach München zurück.

Heute engagiert sich Hermann Höllenreiner für die Anerkennung der Rechte der Sinti*zze und Rom*nja und leistet Aufklärungsarbeit über das NS-Regime. Oft spricht er mit Jugendlichen über seine Lebensgeschichte.

Quellen

Interviews von Sarah Grandke mit Hermann „Mano“ Höllenreiner vom 28.8.2013, 24.6.2013 und 4.3.2014.
Arolsen Archives, Korrespondenzakte T/D 276320; T/D 973612.
Landesamt für Finanzen, Landesentschädigungsamt München, Entschädigungsakte EG 1240 (Johann Höllenreiner).
Eiber, Ludwig: „Ich wußte, es wird schlimm". Die Verfolgung der Sinti und Roma in München 1933–1945, München 1993.
Tuckermann, Anja: „Denk nicht, wir bleiben hier!“ Die Lebensgeschichte des Sinto Hugo Höllenreiner, München 2005.
Tuckermann, Anja: Mano. Der Junge, der nicht wusste, wo er war, München 2008.

Empfohlene Zitierweise

Sarah Grandke: Höllenreiner, Hermann „Mano“ (publiziert am 09.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel?tx_nsdlexikon_pi3%5Baction%5D=show&tx_nsdlexikon_pi3%5Bcontroller%5D=Entry&tx_nsdlexikon_pi3%5Bentry%5D=362&cHash=e895823c8dbb1a2f6e941d2326942aab