Im Unterschied zum konventioneller ausgerichteten Staatsschauspiel waren die Münchner Kammerspiele der literarischen Avantgarde verpflichtet und erwarben sich mit Uraufführungen von Strindberg, Wedekind und Brecht einen weit über München hinausgehenden Ruf als progressive Bühne mit einem hochklassigen Ensemble. 1912 als Privattheater in der Augustenstraße eröffnet, zogen sie 1926 in das Gebäude des Schauspielhauses in der Maximilianstraße, wo sie auch heute noch beheimatet sind. 1939 wurden sie in den Besitz der Stadt München übernommen.
Unter ihrem Chefdramaturgen und künstlerischen Leiter von 1917 bis 1944, Otto Falckenberg, kam es in den Jahren der Weimarer Republik zu einigen Theaterskandalen, in denen sich die politische Radikalisierung jener Zeit spiegelte. Nationalistische und völkische Kräfte sahen, etwa in Stücken von Karl Kraus oder Alfred Döblin, ‚undeutschen‘ Geist und forderten die Wiedereinführung der Zensur.
Im März 1933 ordnete Heinrich Himmler als Münchner Polizeipräsident eine Neuorganisation an, die u.a. zur Vertreibung politisch missliebiger und/oder jüdischer Schauspieler und Spielleiter, Dramaturgen und Direktoren führte. Dennoch wurden trotz administrativer Zwangsmaßnahmen der NS-Machthaber bei Spielplan-Gestaltung, Öffentlichkeitsarbeit und Personalpolitik die Kammerspiele letztlich keine NS-Bühne. Tendenzstücke und NS-Autoren wurden nur selten gegeben. Stattdessen wich man, gemäß einer „Strategie des Eskapismus“ (Euler, S. 170), insbesondere nach 1939, auf Volks- und Unterhaltungsstücke, Historiendramen und klassische Werke aus; auch der Anteil der Parteimitglieder war verschwindend gering. 1944 war das Bühnenhaus nicht mehr benutzbar. Wiedereröffnet wurden die Kammerspiele im Oktober 1945 mit Shakespeares Macbeth.