Erich Kästner (23.2.1899 Dresden – 29.7.1974 München)

Biographies
Verfasst von Elisabeth Kraus

Deutscher Schriftsteller, Journalist, Publizist und Drehbuchautor; Leiter des Feuilletons der Neuen Zeitung (1945 - 1946)

Als einziges Kind eines Arbeiters und einer Friseurin wuchs Erich Kästner in bescheidenen Verhältnissen in Dresden auf. Nach Abschluss der Bürgerschule besuchte er ab 1913 ein Lehrerseminar, dessen Atmosphäre und Unterrichtsmethoden er später mit denen einer Kaserne verglich. Die Ausbildung zum Volksschullehrer brach er kurz vor ihrem Ende ab. 1917 wurde er zum Militär eingezogen. Die im Ersten Weltkrieg erlebte Brutalität ließ ihn zum Antimilitaristen werden; auch zog er sich dabei eine lebenslang anhaltende Herzschwäche zu.

Nach Kriegsende holte er am Strehlener Lehrerseminar seinen Abschluss nach, gab jedoch das Ziel, Lehrer zu werden, bald auf. 1919 erlangte er in Dresden das Abitur und studierte seit dem Herbst desselben Jahres in Leipzig Germanistik, Philosophie und Geschichte. 1925 wurde er mit einer Dissertation über ein literaturgeschichtliches Thema promoviert. 1927 ging Kästner nach Berlin, wo er bis 1933 für große Tageszeitungen sowie die Weltbühne schrieb und zu einem der am meisten gelesenen linksliberalen und pazifistischen Publizisten und Schriftsteller aufstieg.

1928 erschien jenes Buch, das ihm ein lebenslanges Renommee als Kinderbuchautor eintrug: Emil und die Detektive. Mit diesem „Roman für Kinder“ entwickelte er eine neue Art von Jugendliteratur, die dem jungen Leser auf Augenhöhe begegnete und die veränderte Wahrnehmung von Kindheit und Jugend in der Zeit der Weimarer Republik widerspiegelte. Weitere Kinderbücher, wie Pünktchen und Anton, Das fliegende Klassenzimmer, der Roman Fabian sowie einige Gedichtbände entstanden in den Jahren bis 1933.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde Kästner von der Gestapo verhört und aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen. Unter seinen Augen wurden auch viele seiner Werke bei der öffentlichen Bücherverbrennung am 10.5.1933 auf dem Berliner Opernplatz verbrannt. Dennoch ging Kästner nicht in die Emigration. Er wollte, wie er nach 1945 mitteilte, Augenzeuge und Chronist der Ereignisse bleiben, aber auch seine Mutter, zu der er zeitlebens eine sehr enge Bindung hatte, nicht alleine lassen.

Sein Verhalten in jenen Jahren war nicht frei von Widersprüchen: Einerseits hielt er seine kritischen Auffassungen zur NS-Politik in einem geheimen Tagebuch fest, andererseits lieferte er für die Unterhaltungsindustrie des Regimes Theatertexte, Comics und Filmdrehbücher. So verfasste er  ̶  unter einem Pseudonym und nur mit einer Sondergenehmigung von Reichspropagandaminister Goebbels  ̶  im Jahr 1942 das Drehbuch für Münchhausen, den anlässlich ihres 25-jährigen Bestehens in Auftrag gegebenen Jubiläumsfilm der UFA. Wenig später erhielt Kästner ein endgültiges Publikationsverbot für Deutschland und das Ausland. Allerdings wies er Versuche der nationalsozialistischen Kulturpropaganda, ihn für ihre Zwecke im Ausland einzuspannen, zurück.

Nach Kriegsende stellte sich Kästner für einen demokratischen Neubeginn in Deutschland als Journalist zur Verfügung. Er zog im Herbst 1945 nach München. Dort leitete er das Feuilleton der von der amerikanischen Besatzungsmacht gegründeten Neuen Zeitung von ihrer ersten Ausgabe am 18.10.1945 an bis zum März 1946. Noch zwei weitere Jahre arbeitete er für das Blatt als freier Journalist. Mit dem von ihm so bezeichneten „literarischen Nachhilfeunterricht“ wollte er während der NS-Zeit verbotenen oder geflüchteten Autoren wieder Gehör verschaffen. Er schrieb Liedtexte für das bereits im August 1945 entstandene Kabarett Die Schaubude, zudem Sketche und Szenen und veröffentliche Essays und Zeitungsartikel. Von 1946 bis 1948 gab er die Jugendzeitschrift Pinguin heraus und gründete 1951 das Kabarett Die Kleine Freiheit in München. Von 1949 bis 1951 war er Präsident des gesamtdeutschen PEN-Zentrums, von 1951 bis 1962 leitete er das PEN-Zentrum der Bundesrepublik. 

Literarische Erfolge hatte Erich Kästner vor allem als wiederentdeckter Kinderbuchautor, mit satirischen Kabarett-Versen und zeitkritischen Essays. In seinen politischen Reden und Aktionen wie seiner Teilnahme an Kampagnen gegen die atomare Bewaffnung der Bundeswehr, gegen die Wiederaufrüstung und die Notstandsgesetzgebung blieb er seinem angestammten Antimilitarismus und Pazifismus treu. In den 1950er-Jahren erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, so etwa 1956 den Literaturpreis der Stadt München, ein Jahr später den Georg-Büchner-Preis, 1959 das Große Bundesverdienstkreuz. Gesundheitliche und private Probleme beeinträchtigten jedoch mehr und mehr seine Produktivität. Ab Mitte der 1960er-Jahre zog er sich fast vollständig aus dem Literaturbetrieb zurück. Erich Kästner starb 1974 in einer Münchner Klinik an Krebs und ist auf dem Bogenhausener Friedhof beigesetzt.  
                                        

Quellen

Görtz, Franz Josef/ Sarkowicz, Hans: Erich Kästner – eine Biografie, München 1998.
Lemkuhl, Tobias: Der doppelte Erich. Kästner im Dritten Reich, Berlin 2023.
Schikorsky, Isa: Erich Kästner, München 1998.
Schmideler, Sebastian: Kästner im Spiegel. Beiträge der Forschung zum 40. Todestag, Marburg 2014.                                   

Empfohlene Zitierweise

Elisabeth Kraus: Kästner, Erich (publiziert am 09.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel?tx_nsdlexikon_pi3%5Baction%5D=show&tx_nsdlexikon_pi3%5Bcontroller%5D=Entry&tx_nsdlexikon_pi3%5Bentry%5D=414&cHash=67e2ad3272a2f6ee12eefdd64e1e0ee2