Erhard Auer (22.12.1874 Dommelstadl/Passau – 20.3.1945 Giengen/Brenz)

Biographies
Verfasst von Margrit Grubmüller/Kurt Lehnstaedt

Innenminister des Freistaats Bayern in der Regierung Eisner, Verfolgter SPD-Politiker in der NS-Zeit

Erhard Auer, 1919 | BSB, hoff-70

Erhard Auer wurde als uneheliches Kind geboren und wuchs nach dem frühen Tod der Mutter als ‚Gemeindearmer‘ auf. Vom Landarbeiter brachte er es nach einer kaufmännischen Ausbildung 1900 zum Offizianten bei der Münchner Ortskrankenkasse. Seit 1892 war er Mitglied der SPD.

Auer gehörte von 1907 bis 1918 der Bayerischen Abgeordnetenkammer an. Vom 8.11.1918 bis 21.2.1919 amtierte er als Staatsminister des Inneren im Kabinett Kurt Eisner. Am Tag des Attentats auf Eisner (21.2.1919) wurde er bei Tumulten im Landtag angeschossen.

Von 1918 bis 1933 war er Abgeordneter des Bayerischen Landtags und dort von 1920 bis 1933 Vizepräsident. 1919 vertrat er die Bayerische SPD in der Verfassunggebenden Nationalversammlung. Dem Münchener Stadtrat gehörte er von 1919 bis 1933 an. In dieser Zeit leitete er als Herausgeber und Chefredakteur die sozialdemokratische Münchener Post.

Am 26.4.1933 hatte die SPD-Fraktion im Münchner Stadtrat den Sitzungssaal verlassen, als über die Ernennung Hitlers zum Ehrenbürger beraten wurde. Die NSDAP sah darin eine „unverschämte Provokation“ und forderte bei der nächsten Sitzung am 9.5.1933 die Entfernung der sechs SPD-Stadträte aus dem Sitzungssaal. Diese Aufforderung setzten die NSDAP-Mitglieder gewalttätig um.

Rudolf Bössl
aus der SPD-Fraktion schilderte im September 1962, was sich in der Versammlung abgespielt hatte: „Ich habe heute noch das Bild vor meinen Augen, als zu Beginn der Sitzung hier in diesem Raum der ehemalige Innenminister Auer niedergeschlagen und an den Füßen durch die Mitte dieses Saales geschleift wurde, während die Nazibanditen die Spitzen ihrer Kommißstiefel in seinen Leib stießen, der durch die Schüsse im Landtag schwerst verletzt war“ (Süddeutsche Zeitung, 20.9.1962). Auer wurde vom 22.5.1933 bis 3.6.1933 in ‚Schutzhaft‘ genommen und erhielt anschließend Aufenthaltsverbot in München. Er zog nach Karlsruhe, wo ihn am 22.8.1944 die Gestapo in Zusammenhang mit der ‚Aktion Gewitter‘ aufspürte, bei der nach dem Stauffenberg-Attentat reichsweit Tausende politischer Gegner und deren Angehörige verhaftet wurden. Auer blieb die Haft jedoch wegen seines schlechten Gesundheitszustandes erspart, er starb am 20.3.1945.

Quellen

Stadtarchiv München, Ratssitzungsprotokolle 1933, Nr.706.
„Skandal bei einer Festsitzung im Rathaus“, in: Süddeutsche Zeitung, 226, 20.9.1962, S.15.
Bayerischer Landtag, Haus der Bayerischen Geschichte Augsburg, Institut für Zeitgeschichte München-Berlin (Hg.): Opfer und Verfolgte des NS-Regimes aus bayerischen Parlamenten. URL: <https://www.bayern.landtag.de/Verfolgte-Abgeordnete-NS-Regime/person.html> (zuletzt aufgerufen am 30.1.2024)

Empfohlene Zitierweise

Margrit Grubmüller/Kurt Lehnstaedt: Auer, Erhard (publiziert am 11.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel?tx_nsdlexikon_pi3%5Baction%5D=show&tx_nsdlexikon_pi3%5Bcontroller%5D=Entry&tx_nsdlexikon_pi3%5Bentry%5D=42&cHash=6655892c901703b0f9691552ca9880af