Friedrich (14.9.1921 Münsingen – unbekannt) und Paul Köhler (22.5.1923 Gunzenhausen – vermutlich Herbst 1943 KZ Auschwitz)

Biographies
Verfasst von Sarah Grandke

Verfolgte Sinti aus München

Paul Köhler, erkennungsdienstliches Foto, vermutlich 1938 | BArch Berlin R 165-10

Paul „Worschli“ Köhler lebte ab April 1939 in München. Im Jahr zuvor, am 16.7.1938 musste sich der jugendliche Musiker zusammen mit seinem Bruder Friedrich Köhler in Singen (Baden) der erniedrigenden ‚rassenbiologischen Untersuchung‘ unterziehen, mit deren Hilfe die „Rassenhygienische Forschungsstelle“ am Reichsgesundheitsamt die ‚Minderwertigkeit‘ der Sinti*zze und Rom*nja nachzuweisen versuchte. Diese Erfassungen waren Grundlage für die spätere systematische Deportation der Sinti*zze und Rom*nja aus dem Deutschen Reich. Nach Kriegsbeginn wurde Paul Köhler zur Wehrmacht eingezogen, dann jedoch aufgrund seiner Herkunft wie die Mehrheit der Sinti als ‚wehrunwürdig‘ entlassen.

Im März 1943 wurden er und sein Bruder Friedrich ins ‚Zigeunerlager‘ Auschwitz-Birkenau deportiert. Die Transportumstände sowie die Bedingungen im Lager waren katastrophal. Krankheiten breiteten sich aufgrund der lange Zeit fehlenden Kanalisation und dem Mangel an sauberem Wasser extrem schnell aus. Daneben litten die Häftlinge unter planmäßiger Unterernährung, Zwangsarbeit und der Brutalität der SS. Nur wenige Wochen nach Ankunft im Lager starb der gerade einmal 20-jährige Paul Köhler.

Sien Bruder Friedrich Köhler, der als Arbeiter tätig war und ebenfalls vor der Deportation nach Auschwitz-Birkenau in München gelebt hatte, wurde 1944 über das KZ Buchenwald ins KZ Mittelbau-Dora und dessen Außenlager Harzungen und Ellrich-Juliushütte verschleppt, wo er im unterirdischen Stollenbau arbeiten musste. Das Außenlager Ellrich war für seine besonders harten 13-Stunden-Schichten bekannt. Zudem musste der Weg zum zehn Kilometer entfernten Stollen im Winter 1944/45 oft zu Fuß zurückgelegt werden, da es keinen Treibstoff für die Züge gab. Die Häftlinge waren unzureichend gekleidet und hatten kaum etwas zu Essen. Während eines ‚Evakuierungstransportes‘ Ende März 1945 konnte Friedrich Köhler aus dem Zug entkommen und sich bis zur Befreiung versteckt halten. Über Friedrich Köhlers weiteres Leben ist nichts bekannt.

Quellen

Stadtarchiv München, Einwohnermeldekartei (Paul Köhler).
Bundesarchiv Berlin, R165/4, R165/6, R165/10, R165/12.
Państwowe Muzeum Auschwitz-Birkenau Oświęcim, Sterbeurkunde Paul Köhler/akt zgonu 30130/1943.
Arolsen Archives, Korrespondenzakte T/D 274120; Verzeichnis d. RKPAmtes Berlin über Todesfälle, sog. „Berliner Listen“ Paul Köhler, 1.2.2.1/31042286/ITS Digital Archive; Häftlingspersonalkarte Friedrich Köhler, Buchenwald, 1.1.5.3/6304539-6304542/ITS Digital Archive.

Empfohlene Zitierweise

Sarah Grandke: Köhler, Friedrich und Paul (publiziert am 08.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel?tx_nsdlexikon_pi3%5Baction%5D=show&tx_nsdlexikon_pi3%5Bcontroller%5D=Entry&tx_nsdlexikon_pi3%5Bentry%5D=441&cHash=eeb2cc325816714a1918456554ce16df