Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München

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Verfasst von Elisabeth Kraus

Traditionsreiche und renommierte bayerische Landesuniversität

Kundgebung zur Bücherverbrennung im Lichthof der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), 10.5.1933 | BSB, hoff-7937

Die 1492 von Herzog Ludwig dem Reichen von Niederbayern-Landshut in Ingolstadt gegründete, vom – späteren – König Maximilian I. im Jahr 1800 nach Landshut und von seinem Sohn 1826 in die Residenzstadt München geholte Universität ist eine der renommiertesten und größten Universitäten Europas. 1840 wurde das von Friedrich von Gärtner geplante Hauptgebäude an der Ludwigstrasse fertiggestellt.

Die nach ihren Gründerpersönlichkeiten benannte LMU war mit ihrer gewachsenen Vielfalt an Disziplinen und Fächern für berühmte Gelehrte ebenso wie für eine stetig wachsende Studentenzahl (1826: ca. 1.000; 1900: ca. 4.600; 1914: ca. 7.000) sehr attraktiv. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zog die Universität hochrangige Wissenschaftler aus ganz Deutschland an. Auch nach dem Ersten Weltkrieg lehrten viele international angesehene Wissenschaftler an der LMU wie etwa die Nobelpreisträger für Physik, Wilhelm Conrad Röntgen und Wilhelm Wien, oder für Chemie, Adolf von Baeyer, Richard Willstätter und Heinrich Wieland, zudem der Thoraxchirurg Ferdinand Sauerbruch, der Soziologe Max Weber oder der Kunsthistoriker Heinrich Wölfflin.

Lange vor 1933 gab es Beispiele für die Infiltration der Wissenschaftsdisziplinen, aber auch der Professoren- wie der Studentenschaft mit nationalistischem und rassistischem Gedankengut an der LMU. So wurde 1923 die deutschlandweit erste Professur für Rassenhygiene an der Universität München errichtet, die Fritz Lenz übernahm. Auch wurde eine Professur für 'arische Sprach- und Kulturwissenschaften‘ geschaffen und mit dem späteren ‚Führer-Rektor‘ der Universität, dem Indologen und Sanskrit-Forscher Walther Wüst, besetzt. Die Münchner Professorenschaft war, ähnlich wie die der anderen deutschen Universitäten, mehrheitlich konservativ, deutsch-national, durchaus auch antisemitisch und nationalistisch, und daher alles andere als republikfreundlich oder liberal eingestellt. Aber nur wenige Professoren waren vor 1933 Mitglieder der NSDAP.

Ein klares Bekenntnis zur Weimarer Republik und ihren rechtsstaatlich-demokratischen Grundlagen legten allerdings auch nur wenige Münchner Professoren ab: So ließ der Romanist Karl Voßler in seiner Zeit als Rektor 1926/27 bei offiziellen Feiern und Festveranstaltungen an der Universität die schwarz-rot-goldene Fahne der Republik hissen und bestand gegenüber den studentischen Korporationen auf der Teilnahme auch jüdischer Verbindungen.

1926 wurde der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund in München gegründet, der schon wenig später an der LMU eine zahlenmäßig zwar noch kleine, aber von dem späteren ‚Reichsjugendführer‘ Baldur von Schirach straff geführte und äußerst aktive Hochschulgruppe bildete. Sie betrieb in den studentischen Verbindungen und Korporationen den Ausschluss jüdischer Mitglieder, inszenierte einen Skandal um den Staatsrechtler jüdischer Herkunft und liberaler Gesinnung Hans Nawiasky und versuchte ganz allgemein, dem Nationalsozialismus an der LMU die Türen zu öffnen. Nationalsozialistisch gesinnte Studierende organisierten am Abend des 10.5.1933 im Lichthof der LMU eine Feier zur Übergabe des neuen Studentenrechts und zogen im Anschluss daran, begleitet von SS, SA und Korporationen, zur reichsweit organisierten Bücherverbrennung auf den Münchner Königsplatz.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten kam es zu einer rassistisch und politisch begründeten Säuberung des Lehrkörpers. Die Institutionen wurden entsprechend dem sog. ‚Führerprinzip‘ umgestaltet. In Folge der ersten Entlassungswelle mussten an der Universität München 24 Lehrpersonen ausscheiden, drei aus politischen Gründen, unter ihnen Hans Nawiasky, 21 aus sog. ‚rassischen‘ Gründen. Wegen ‚nicht-arischer‘ Abstammung wurden u. a. entlassen bzw. in den Ruhestand versetzt der Philosoph Richard Hönigswald, der Völkerrechtler Hans Neumeyer sowie der Physiker und spätere Nobelpreisträger Hans Bethe. Bis Mitte 1937 mussten insgesamt mindestens 45 Professoren und Dozenten aus rassistischen oder politischen Gründen die Universität verlassen.

Eine entsprechende Politik verfolgte das NS-Regime auch im studentischen Bereich: Bis Anfang Juli 1933 wurden 16 oppositionelle Studierende, zumeist Mitglieder von KPD und SPD, von der Universität verwiesen, 7 davon endgültig vom Studium an einer deutschen Hochschule ausgeschlossen. Im Wintersemester 1934/35 waren insgesamt noch 106 sog. ‚Nicht-Arier‘ an der LMU eingeschrieben, im Sommersemester 1936 waren es nur mehr 52. Zudem wurde 183 Personen der an der LMU erworbene Doktorgrad entzogen.

Durch die Säuberungen und durch reguläre Emeritierungen war an der Münchner Universität zwischen 1933 und 1939 etwa die Hälfte der Lehrstühle neu zu besetzen. Dabei wurden neben NS-affinen, aber fachlich ausgewiesenen Personen auch einige fachlich völlig ungeeignete NS-Parteigänger zu Professoren berufen wie etwa der Philosoph Wolfgang Schultz oder der Rassenhygieniker Lothar Tirala. Die Nachfolge des 1935 emeritierten, international renommierten Physikers Arnold Sommerfeld konnte sich Wilhelm Müller nur deshalb sichern, weil er ein Vertreter der sog. ‚Deutschen Physik‘ war, die die moderne Physik als zu theoretisch und ‚undeutsch‘ ablehnte. Allerdings konnten trotz großen politischen Drucks anfangs und in Einzelfällen durchaus noch hoch qualifizierte, politisch eher unauffällige Gelehrte gewonnen werden, wie z. B. der Nationalökonom Fritz Terhalle, der Rechtshistoriker Heinrich Mitteis oder der Arbeitsrechtler Alfred Hueck.

Freiräume anderer Art schuf und nutzte der Nobelpreisträger für Chemie des Jahres 1927, Heinrich Wieland, mit seinem großen nationalen und internationalen Renommee, um an seinem Institut sog. ‚halb-jüdische‘ Student*innen und Mitarbeiter*innen studieren und forschen zu lassen. Dabei wurden zahlreiche als ‚kriegswichtig‘ deklarierte Forschungsthemen bearbeitet, die zumindest vordergründig für die Belange der Wehrmacht oder des Vierjahresplans wichtig waren. In ähnlicher Weise wie Wieland war der Zoologe Karl von Frisch dem Regime von Beginn an ein Dorn im Auge, weil er jüdische Mitarbeiter beschäftigte, sich unter den vielen Angehörigen seines Instituts nur ganz wenige bekennende Nationalsozialist*innen befanden, überdurchschnittlich viele Frauen bei ihm studierten und er dem NS-Regime insgesamt ablehnend gegenüberstand.

Trotz dieser Fälle blieb in München, wie an den anderen deutschen Hochschulen, eine geschlossene und konsequente Gegenwehr von Professoren wie Studierenden gegen die Gleichschaltung und NS-Infiltration der Universität aus. Noch seltener waren Versuche weniger Studierenden und Hochschullehrer, über rein universitätsbezogene Probleme hinaus die inhumane und mörderische Politik des NS-Regimes während des Krieges aufzuzeigen und unter dem Risiko persönlicher Gefährdung zum Widerstand dagegen aufzufordern. Dies tat lediglich die studentische Widerstandsorganisation der ‚Weißen Rose‘ und ihr Mentor, der Philosoph und Musikwissenschaftler Kurt Huber. Ihr Beispiel des Widerstands von Studierenden und auch eines Professors der Universität München ist innerhalb der deutschen Universitätslandschaft während der NS-Zeit daher einzigartig.

Nach Kriegsende verlief die Entnazifizierung der Professorenschaft in mehreren Schüben: Von den im Mai 1945 im Amt befindlichen 345 Professoren wurden - bis September 1945 - 45 Professoren entlassen, bis November 1946 waren es dann 304 und damit 80 % des gesamten Lehrkörpers. Nach den Spruchkammerverfahren und den Aktivitäten des sog. ‚Reinigungsausschusses‘ der LMU wurden freilich etliche der zunächst entlassenen Hochschullehrer wiedereingestellt. Einer Untersuchung der entsprechenden Abteilung der amerikanischen Militärregierung OMGUS zufolge waren im Sommer 1947 etwa 60 % des Lehrkörpers (135 von 219) wieder akzeptiert und im Amt, 32 waren noch immer entlassen, und in 50 Fällen war die Überprüfung noch nicht abgeschlossen. Die Amerikanische Militärregierung hielt selbstkritisch fest, dass die Überprüfung des Personals hastig, die Methoden oberflächlich, Irrtümer und Fehlentscheidung zahlreich gewesen seien.             

Quellen

Die Ludwig-Maximilians-Universität München, in Geschichte und Gegenwart, 3. vollständig neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Haar bei München 2010.
Harrecker, Stefanie: Degradierte Doktoren. Die Aberkennung der Doktorwürde an der Ludwig-Maximilians-Universität München während der Zeit des Nationalsozialismus, München 2007.
Kraus, Elisabeth (Hg.): Die Universität München im Dritten Reich. Aufsätze. Teil I und II, München 2006 und 2008.
Schreiber, Maximilian: Walther Wüst. Dekan und Rektor der Universität München 1935-1945, München 2008.
Umlauf, Petra: Die Studentinnen an der Universität München 1926 bis 1945. Auslese, Beschränkung, Indienstnahme, Reaktionen, Berlin 2016.

Empfohlene Zitierweise

Elisabeth Kraus: Ludwig-Maximilians-Universität München (publiziert am 13.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel?tx_nsdlexikon_pi3%5Baction%5D=show&tx_nsdlexikon_pi3%5Bcontroller%5D=Entry&tx_nsdlexikon_pi3%5Bentry%5D=511&cHash=41bda825290e666f56d251afd2e5166f