Emil Muhler (21.4.1892 München – 19.2.1963 München)

Biographies
Verfasst von Angela Hermann

Katholischer Münchner Stadtpfarrer und überzeugter NS-Gegner

Emil Muhler (1892-1963) | Detjen, ›Zum Staatsfeind ernannt ...‹, 1998

Emil Muhler kam als siebtes Kind einer Münchner Kaufmannsfamilie im Arbeiterviertel München-Giesing zur Welt, besuchte das Luitpoldgymnasium, studierte in München und Innsbruck katholische Theologie, Philosophie sowie Nationalökonomie und war Mitglied der katholischen Studentenverbindung Langobardia. Am Ersten Weltkrieg nahm er als Kriegsfreiwilliger teil und wurde zum Oberleutnant befördert. 1919 erfolgte seine Priesterweihe in München, anschließend war Muhler als Kaplan in Dachau tätig und setzte seine Studien fort, die er 1923 mit einer Dissertation im Fach Nationalökonomie zum Thema „Die Idee des gerechten Lohnes nach katholischer Auffassung mit besonderer Berücksichtigung des Familienlohnes“ abschloss. 1924 übernahm Muhler die neu gegründete Pfarrei St. Andreas im Münchner Schlachthofviertel, die er bis zu seinem Tod betreute.

In der Zeitung Bayerischer Kurier, dem Organ der Bayerischen Volkspartei (BVP), publizierte Muhler Artikel über soziale Fragen und warb für die Demokratie. 1930 erlangte er für die BVP einen Sitz im Münchner Stadtrat. Dort trat er den Nationalsozialisten mutig entgegen, die er spätestens seit dem Hitlerputsch 1923 für eine Gefahr hielt. Um Katholik*innen für die Auseinandersetzung mit Nationalsozialist*innen und Kommunist*innen rhetorisch und argumentativ zu schulen, gründete Muhler 1932 die ‚Zentralstelle der Katholischen Aktion‘.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde Muhler aus dem Stadtrat gedrängt. Wegen der Verbreitung von Einzelheiten über Vorkommnisse im KZ Dachau, die Muhler von dem Kommunisten Andreas Donhauser erfahren hatte, der sich auf die Publikation seines Parteigenossen Hans Beimler (Im Mörderlager Dachau) stützte, verhaftete die Bayerische Politische Polizei Muhler am 30.11.1933. Muhler kam ins Gefängnis Stadelheim und wurde zusammen mit zwei Kaplänen, Oskar Thaler und Georg Sollacher, vor dem Sondergericht München angeklagt. Am 24.1.1934 wurde Muhler wegen Verbreitung angeblicher Gräuelmärchen zu vier Monaten Gefängnis verurteilt, die er in Neudeck und Landsberg verbüßte. Muhler hatte beabsichtigt, im Prozess die sachliche Wahrhaftigkeit seiner Aussagen über das KZ Dachau klären zu lassen, doch war ihm über seinen Verteidiger mitgeteilt worden, Kardinal Faulhaber wünsche nicht, dass Muhler diese Frage anspreche. Während der Gerichtsverhandlung wurden daher die Verbrechen im KZ Dachau, die Anlass des Verfahrens waren, nicht thematisiert. Wenige Tage später traf beim Sondergericht ein Schreiben des ins Ausland geflüchteten Hans Beimler ein, der in der Auslandspresse von dem Urteil erfahren hatte und den Wahrheitsgehalt der Aussagen über die Vorkommnisse im KZ Dachau bestätigte

Emil Muhler verfasste 1936/37 über seine Verhaftung und den Prozess eine Denkschrift mit dem Titel „Erlebtes und Erlittenes“, die 1940 der Gestapo in die Hände fiel. Daraufhin wurde er am 2.4.1940 erneut verhaftet und kam für acht Monate in Gestapohaft. Nach dem Attentat auf Hitler durch Stauffenberg wurde Muhler am 18.9.1944 ins KZ Dachau verschleppt. Auf einem „Evakuierungsmarsch“ kurz vor Kriegsende gelang Muhler am 26.4.1945 bei Percha am Starnberger See die Flucht.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Muhler in die Pfarrei St. Andreas zurück. Er war Mitbegründer der CSU und ab 1947 Mitglied des Bayerischen Senats. Bis zu seinem Tod gehörte er dem CSU-Landesvorstand an und lehrte an der Universität München Wirtschafts- und Sozialethik.

Quellen

Beimler, Hans: Im Mörderlager Dachau. Vier Wochen in den Händen der braunen Banditen, Moskau 1933.
Gritschneder, Otto: Die Akten des Sondergerichts über Stadtpfarrer Dr. Emil Muhler. Namen – Daten – Texte, in: Beiträge zur altbayerischen Kirchengeschichte (Deutingers Beiträge Bd. 29), 1975, S. 125-149.
Emil Muhler, in: Kritische Online-Edition der Tagebücher Michael
Kardinal von Faulhabers (1911-1952). Verfügbar unter: <https://faulhaber-edition.de/13101> (zuletzt aufgerufen am 26.9.2023).
Emil Muhler, in: Haus der Bayerischen Geschichte, Geschichte des Bayerischen Parlaments seit 1819, Personen, in: www.hdbg.de (zuletzt aufgerufen am 26.9.2023).
Pfister, Peter, Dr. Emil Muhler (1892 - 1963). Seelsorger und Politiker, in: Schwaiger, Georg (Hg.), Christenleben im Wandel der Zeit. Bd. 2: Lebensbilder aus der Geschichte des Erzbistums München und Freising, München 1987, S. 388-407.
Pörnbacher, Johann: Muhler, Emil, in: Neue Deutsche Biographie, 18, 1997, S. 57. URL: <http://www.deutsche-biographie.de/pnd129414360.html> (zuletzt aufgerufen am 26.9.2023)


Empfohlene Zitierweise

Angela Hermann: Muhler, Emil (publiziert am 11.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel?tx_nsdlexikon_pi3%5Baction%5D=show&tx_nsdlexikon_pi3%5Bcontroller%5D=Entry&tx_nsdlexikon_pi3%5Bentry%5D=561&cHash=4e60ff78a3a51b7a0c3e402e3e18d649