Münchner Stadtbibliothek

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Verfasst von Elisabeth Tworek

Bibliothekssystem der öffentlichen Bibiliotheken

Die Münchner Stadtbibliothek hat zwei Traditionsstränge: die ‚Büchersammlung der städtischen Kollegien‘ von 1843 und die 1871 gegründeten Volksbüchereien. Der erste hauptamtliche Bibliotheksleiter, Hans Ludwig Held, Mitglied und Stadtrat der Unabhängigen Sozialisten (USPD), trat 1921 sein Amt an. In nur zwölf Jahren schuf der visionäre Pragmatiker das vielverzweigte Münchner Bibliothekssystem in seiner bis heute existierenden Grundstruktur. Im Oktober 1933 wurde er aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums aus den städtischen Diensten entlassen.

Die neuen Machthaber schufen eine „Bücherei der deutschen Volksgemeinschaft“ (MNN, 16.2.1938). NS-Literatur wurde in die Regale eingestellt, der Bestand von Literatur von Weltrang ‚gesäubert‘: „Die Katalogkarten wurden aus den Katalogen entnommen, Karten und Buch bekamen den Vermerk ‚diff‘ (= diffamiert), das Buch kam unversehrt an den alten Platz zurück und die Karten wurden in einen Katalog eingereiht, der dem Publikum nicht zugänglich war.“ (Hollweck, S.29) Von 1933 bis zur Berufung eines Nachfolgers wurde das Bibliothekssystem vom Leiter der Verwaltung, Amtmann Mulzer, geführt. Im Februar 1936 trat Bibliotheksrat Dr. Hermann Sauter, zuletzt Leiter der Staatlichen Beratungsstelle für Volksbüchereien, die Nachfolge von Hans-Ludwig Held an. Um 1941 erreichte das städtische Bibliothekssystem seine bis dahin größte Ausweitung.

Bei Fliegerangriffen wurden im letzten Kriegsjahr ein großer Teil der Buchbestände und fünf Büchereien völlig zerstört.
Die Alliierten setzten im Mai 1945 Hans Ludwig Held wieder als Bibliotheksdirektor ein und beriefen ihn wenig später zum Kulturbeauftragten der Stadt München. Beide Ämter leitete er bis zu seiner Pensionierung 1953. Bereits im Oktober 1945 konnten sieben Volksbüchereien und die Straßenbahnbücherei wieder eröffnen. Die im Krieg ausgelagerten Bestände wurden rückgeführt und von nationalsozialistischem Schrifttum befreit. Eine wissenschaftlich fundierte Aufarbeitung der Geschichte der Münchner Stadtbibliothek in der NS-Zeit steht noch aus.

Quellen

Münchner Neueste Nachrichten, 16.2.1938.
Hollweck, Ludwig: Vom Bibliotheksrat zum Bibliotheksdirektor. Die Städt. Bibliotheken München von 1936 bis 1945, in: Sauter, Hermann: Erinnerung und Dank, Landau 1979, S. 22-29.
Krafft, Ludwig: Das Münchener Büchereiwesen, in: Direktion der Städtischen Bibliotheken München (Hg.): Das Münchener Büchereiwesen 1871 bis 1954, München 1954, S. 3-20.

Empfohlene Zitierweise

Elisabeth Tworek: Münchner Stadtbibliothek (publiziert am 15.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel?tx_nsdlexikon_pi3%5Baction%5D=show&tx_nsdlexikon_pi3%5Bcontroller%5D=Entry&tx_nsdlexikon_pi3%5Bentry%5D=578&cHash=fb725d9681ec09c51fbf027eea44a2a9