Quellen
Archiv der KZ-Gedenkstätte Dachau, DaA 34.860
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Als „Asozialer“ verfolgter Münchner
Der Münchner Ulrich N. (Pseudonym) war gelernter Metalldrucker, ein Handwerk, das durch die technische Weiterentwicklung in den Fabriken immer mehr abgeschafft wurde. Die offensichtliche soziale Notlage der Familie begann mit der Arbeitslosigkeit des Vaters bereits Ende der 1920er-Jahre. Um seine kinderreiche Familie durchzubringen, begann Ulrich N. zu wildern. Nach den Erinnerungen seines Sohnes betrieb er das Wildern ab 1933 allerdings so offen, als ob er die neuen politischen Autoritäten herausfordern wollte: „Mein Vater war auch sozial eingestellt, es ist nicht darüber geredet worden, aber er war gegen die Nazis eingestellt. [...] Er war sehr unvorsichtig, hat offen gewildert, im Speicher hat er die Geweihe mit dem Abschusszeichen aufgehängt“ (DaA 34.860). Erstmals kam er deshalb im Frühjahr 1933 für drei Jahre in die Haftanstalt Stadelheim. Nach der Entlassung war er einige Zeit arbeitslos. Dann erhielt er Arbeit als Dreher, doch der Lohn war zu niedrig für die Versorgung der Familie mit fünf Kindern. So kam es zur zweiten Haftstrafe wegen Wilderns zwischen 1940 und 1942. In einem erhaltenen Brief aus dem KZ aus dem Jahr 1944 beschreibt er seine Notlage: „Zuerst die Arbeitslosigkeit dann die Bestimmungen und Verordnungen. Ich hatte mich vor meiner letzten Verfehlung an die Kinderreichen [Fürsorge, d.V.] um die Kinderreichenbeihilfe bemüht, als diese wegen meiner Vorstrafen nicht zu ermöglichen war, gingen wir in die Allgemeinfürsorge, auch dort wurden wir abgewiesen, auch von der NSV“ (ebd.).
Nach Aussage seines Sohnes wurde er direkt nach der Verbüßung der zweijährigen Haftstrafe ins KZ Dachau eingewiesen. Gleichzeitig wurde die Familie auseinandergerissen, die Kinder kamen in die Obhut der Fürsorge.
Ulrich N.s Einfallsreichtum und Selbstbewusstsein halfen ihm, sich den Regeln des Lagerlebens anzupassen. Davon zeugen zahlreiche Briefe, die er für seine Familie herausschmuggeln konnte. Nach Arbeitseinsätzen in den Außenlagern Augsburg-Haunstetten und Leonberg rang sich Ulrich N. zu einer freiwilligen Meldung zur SS-Brigade Dirlewanger durch. Seine Familie sollte, auch im Falle seines Todes, eine höhere Unterstützung erhalten, um auch wieder zusammen leben zu können. Er fiel am 16.9.1944 bei der Niederschlagung des Warschauer Aufstands im Alter von 35 Jahren. Von seinem Tod erfuhr seine Frau Fanny einen Monat später: „Meine liebe Frau [...], als Kompanieführer erfülle ich die traurige Pflicht, Ihnen mitteilen zu müssen, dass ihr Mann, der SS Grenadier [...] den Heldentod für Großdeutschland gefallen ist.[...] Ihr Mann war gegen die Aufständischen eingesetzt und hat zuletzt mitgekämpft an der Bereinigung eines Brückenkopfes an der Weichsel, an dem sich die Russen mit den Banditen vereinigen wollten. In dem Glauben an Deutschland, in dem Gedanken an die Heimat für die Gewissheit des Sieges lebt ihr Mann in unseren Reihen fort. Heil Hitler“ (ebd.).
Archiv der KZ-Gedenkstätte Dachau, DaA 34.860