Neuer Israelitischer Friedhof

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Verfasst von Edith Raim

Friedhof an der Garchinger Straße

Neuer israelischer Friedhof | BSB, hoff-65308

Nachdem der Alte Israelitische Friedhof zu klein geworden war, entstand 1904 der neue Friedhof in der Garchinger Straße in München-Freimann, der im Stil eines Parkfriedhofs angelegt und 1908 eingeweiht wurde. Der Friedhof umfasst etwa 8.000 Gräber. Das Friedhofsgebäude stammt von dem Münchner Stadtbaurat und späteren Stadtbaudirektor Hans Grässel, der auch die Aussegnungshalle am Münchner Nordfriedhof gestaltete. Den Gefallenen des Ersten Weltkriegs wurde ein Ehrenmal gewidmet, das der Architekt Fritz Landauer entworfen hatte. Ein 1946 errichteter Gedenkstein erinnert an die Opfer des Holocaust. Ende der 1980er Jahre wurde der Friedhof renoviert.

Auf dem Friedhof finden sich viele verschiedene Grabstätten, die Inschriften der Grabsteine sind in deutscher Sprache gehalten. In einer Art Ehrenreihe sind in unmittelbarer Nähe zueinander Münchner Rabbiner und ihre Ehefrauen begraben sowie der Arzt Julius Spanier, der das Israelitische Kranken- und Schwesternheim leitete und Lagerarzt im Sammellager in Berg am Laim war. Er wurde im Juni 1942 in das Ghetto und KZ Theresienstadt deportiert, überlebte und kehrte nach München zurück. Als Zeichen seines Berufsstandes ziert der Äskulapstab seinen Grabstein. Auf dem Friedhof finden sich viele verschiedene Grabstätten, die Inschriften der Grabsteine sind in deutscher Sprache gehalten.

Die Vernichtungswut der Nationalsozialist*innen machte selbst vor den Friedhöfen nicht halt. 1933 beschloss der Münchner Stadtrat die „Zerstörung der Grabdenkmäler marxistischer Revolutionäre“, was zur zwangsweisen Umbettung der sterblichen Überreste von Kurt Eisner und Gustav Landauer führte. Die auf dem Ostfriedhof befindliche Urne von Kurt Eisner, dem ersten Ministerpräsident des Freistaats Bayern, der 1919 ermordet worden war, wurde ebenso wie die unter einem Obelisken auf dem Waldfriedhof bestattete Urne von Gustav Landauer, dem ebenfalls 1919 ermordeten Angehörigen der bayerischen Räteregierung, ausgegraben und der Jüdischen Gemeinde zur Bestattung auf dem Neuen Israelitischen Friedhof zusammen mit einer Rechnung übersandt.

Während der NS-Zeit waren die Jüdinnen*Juden aus der deutschen Gesellschaft immer weiter ausgeschlossen worden, der Besuch von öffentlichen Sportstätten oder Schwimmbädern war ihnen verwehrt, so dass jüdische Friedhöfe oft die letzten Freiräume für Kinder, Jugendliche und Sportbegeisterte darstellten. Auch der Neue Israelitische Friedhof diente zeitweise als Sportplatz und für Sportstunden der Jüdischen Volksschule. Ebenso gelang es dort einigen untergetauchten Jüdinnen*Juden mit Hilfe des Friedhofspflegers Karl Schörghofer über ein Jahr hinweg versteckt zu überleben. Mit der Deportation der jüdischen Gemeinde fiel der Friedhof Schändungen zum Opfer, Metallsammlungen der nationalsozialistischen Volkswohlfahrt führten zur Entfernung von Grabumfassungen, ebenso wurden Grabsteine geraubt.

Ende der 1980er Jahre wurde der Friedhof renoviert. Der Neue Israelitische Friedhof spiegelt wie jeder andere jüdische Friedhof das Schicksal der Gemeinde und ist von großer religiöser Bedeutung: Im jüdischen Glauben sind Friedhöfe unantastbar und gelten als „Haus der Ewigkeit“.

Quellen

Betten, Lioba / Multhaup, Thomas: Die Münchner Friedhöfe. Wegweiser zu Orten der Erinnerung, München 2019, S. 20–23.
Brocke, Michael/Müller, Christiane E.: Haus des Lebens. Jüdische Friedhöfe in Deutschland, Leipzig 2001.
Heusler, Andreas: Neuer Israelitischer Friedhof, in: Winfried Nerdinger (Hg.): Ort und Erinnerung. Nationalsozialismus in München, Salzburg u.a. 2006, S. 151.

Empfohlene Zitierweise

Edith Raim: Neuer Israelitischer Friedhof (publiziert am 07.11.2023), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel?tx_nsdlexikon_pi3%5Baction%5D=show&tx_nsdlexikon_pi3%5Bcontroller%5D=Entry&tx_nsdlexikon_pi3%5Bentry%5D=594&cHash=107b3a9816feca7e397454fa81dfe06d