Quellen
Haerendel, Ulrike: Kommunale Wohnungspolitik im Dritten Reich. Siedlungsideologie, Kleinhausbau und „Wohnraumarisierung“ am Beispiel Münchens, München 1999.
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Siedlungsprogramme und Wohnungsbau im Nationalsozialismus
Der Weimarer Staat engagierte sich sowohl in der Zuteilung und Bewirtschaftung des vorhandenen Wohnraums, in einer restriktiven Mietenpolitik wie auch in der Subventionierung von Neubauten. Nach dem Ende der Inflation und dem Aufbau staatlicher Finanzierungshilfen aus der neu erhobenen Hauszinssteuer legten viele Kommunen in der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre große Wohnungsbauprogramme auf, an denen gemeinnützige Baugesellschaften und Baugenossenschaften beteiligt wurden. In München zeugen davon etwa die Siedlungen der ‚Gemeinnützigen Wohnungsfürsorge AG‘ (Gewofag) in Ramersdorf, Neuhausen und Giesing.
Die neuen nationalsozialistischen Machthaber wandten sich von dem Konzept der ‚Mietskasernen‘ zunächst ab und setzten auf Flachbausiedlungen. Die massiv großstadtfeindlichen Tendenzen verloren allerdings schon mit der Entmachtung Gottfried Feders als Reichssiedlungskommissar Ende 1934 an Gewicht. Die Vertretung der Siedlungsideologie verblieb im wesentlichen beim Reichsheimstättenamt der NSDAP und der DAF, das eine führende Rolle in der Siedlerauswahl nach bevölkerungs- und rassenpolitischen Kriterien übernahm.
Das Reichskleinsiedlungsprogramm war in der Weltwirtschaftskrise 1931 aufgerufen worden, um Erwerbslosen Arbeit und Lebensunterhalt zu verschaffen. Die Nationalsozialisten übernahmen dieses Programm, ersetzten aber die aus politischen oder rassistischen Gründen abgelehnten Siedler*innen durch ‚Volksgenossen"‘ die Gewähr für staatspolitische Loyalität und reichen ‚deutschblütigen‘ Nachwuchs versprachen. 1935 legte das zuständige Reichsarbeitsministerium ein neues Programm auf: ‚Volkswohnungen‘ mit minimalen Wohnstandards entstanden als Mini-Reihenhäuschen oder als kleine Mehrfamilienhäuser unter Betonung des erstrebten gartenstädtischen Charakters.
Während Siedlungen und Volkswohnungen noch über Darlehen der öffentlichen Hand subventioniert wurden, setzte die NS-Wohnungspolitik auf eine Wiederbelebung des privaten Kapitalmarkts, den sie über die Ausgabe von Reichsbürgschaften absicherte. Das genügte allerdings nicht. 1939 stellte Reichsarbeitsminister Franz Seldte fest, dass Deutschland „unter der schwersten Wohnungsnot“ leide, die es je gehabt habe. Die Priorität der Aufrüstung schränkte die Ressourcen für den Bausektor mehr und mehr ein, seit 1938 behinderten zusätzliche Kreditsperren die private Wohnungsbaufinanzierung. Im Sommer 1938 kam der Wohnungsbau praktisch weitgehend zum Erliegen. Der ‚Arbeiterwohnstättenbau‘ der DAF hatte die deutschen Rüstungsarbeiter im Blick, während die massenhaft rekrutierten ausländischen Zwangsarbeiter*innen in Baracken untergebracht wurden. Im fortschreitenden Luftkrieg wurde alle reguläre Wohnungsbautätigkeit eingestellt und seit 1943 durch ein Behelfsheimprogramm (‚Ley'sche Hundehütten‘) ersetzt.
Die Zwangsbewirtschaftung von Wohnraum war zum 1.4.1933 abgeschafft worden. Sechs Jahre später schuf das Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden vom 30.4.1939 ein neues Instrument, das es den Behörden erlaubte, jüdische Mieter in ‚Judenhäusern‘ und Sammelunterkünften zusammenzulegen. Diese wurden meist zur letzten Station vor der späteren Deportation in die Lager. Die geraubten Wohnungen hingegen bildeten eine begehrte Verfügungsmasse in einem angespannten Markt.
Haerendel, Ulrike: Kommunale Wohnungspolitik im Dritten Reich. Siedlungsideologie, Kleinhausbau und „Wohnraumarisierung“ am Beispiel Münchens, München 1999.