Alfred Pringsheim (2.9.1850 Ohlau / Schlesien – 25.6.1941 Zürich) und Hedwig Pringsheim (13.7.1855 Berlin – 27.7.1942 Zürich)

Biographies
Verfasst von Jan Björn Potthast

Bekanntes jüdisches Ehepaar, deren Wohnhaus sich die Nazis aneigneten

Alfred Pringsheim, 1895 | StadtAM, Per-Pringsheim-Prof-Dr-01

Alfred Pringsheim, Sohn eines schlesischen Eisenbahnunternehmers, kam nach dem Studium in Berlin und Heidelberg an die Münchner Universität, wo er habilitiert wurde und ab 1879 lehrte. Der angesehene Mathematikprofessor war Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Mäzen, hervorragender Pianist und Förderer Richard Wagners. Pringsheim hatte von seinem Vater ein Vermögen geerbt, das er in Kunst und Bücher investierte; vor allem seine Majolika-Sammlung besaß Weltgeltung.
Pringsheim heiratete 1878 die Schauspielerin Hedwig Dohm. Der Berliner Salon ihrer Eltern war ein Treffpunkt der Geistesgrößen; die Tochter eiferte ihnen darin in München nach. Das Wohnhaus der Pringsheims in der Arcisstraße 12 war vor dem Ersten Weltkrieg ein gesellschaftlicher Mittelpunkt der Stadt und zog Künstler*innen und Wissenschaftler*innen an. Die Dame des Hauses war für ihre Schönheit und Konversationskunst gleichermaßen berühmt.

Pringheims Tochter Katharina wurde die erste Abiturientin Münchens und eine der ersten Studentinnen an der Universität. 1905 heiratete sie Thomas Mann, zu dem die Pringsheims ein eher gespanntes Verhältnis hatten.
Mit Kriegsanleihen verloren die patriotischen Pringsheims 1918 viel Geld; die Inflation beschleunigte den finanziellen Niedergang der Familie. Sie praktizierten den jüdischen Glauben nicht und ließen ihre fünf Kinder evangelisch taufen, waren aber selbst nicht zum Christentum übergetreten. Nach 1933 erlitten Hedwig und Alfred Pringsheim die ganze brutale Abfolge von Diskriminierung, Entrechtung und Beraubung, die das NS-Regime Juden auferlegte. Das Palais in der Arcisstraße wurde ihnen von der NSDAP abgepresst, die auf das Grundstück ihren neuen Verwaltungsbau setzte. Was von ihren Kunstschätzen noch übrig war, raubte die Gestapo 1938.
Lange Zeit wollte das hochbetagte Ehepaar Deutschland dennoch nicht verlassen. Erst im Oktober 1939 emigrierte es in die Schweiz, wo Alfred Pringsheim 1941 und seine Frau ein Jahr später starben. Mehr als 70 Jahre nach ihrem Tod erschienen Hedwig Pringsheims Tagebücher.

Quellen

Jens, Inge/Jens, Walter: Katias Mutter. Das außerordentliche Leben der Hedwig Pringsheim, Reinbek 2005.
Krause, Alexander: Arcisstraße 12, München 2008.
Kruft, Hanno-Walter: Alfred Pringsheim, Hans Thoma, Thomas Mann. Eine Münchner Konstellation, München 1993.
Pringsheim, Hedwig: Tagebücher, [bisher] 3 Bde., Göttingen 2013-2014.

Empfohlene Zitierweise

Jan Björn Potthast: Pringsheim, Alfred und Hedwig (publiziert am 26.10.2023), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel?tx_nsdlexikon_pi3%5Baction%5D=show&tx_nsdlexikon_pi3%5Bcontroller%5D=Entry&tx_nsdlexikon_pi3%5Bentry%5D=658&cHash=15ea3518c3cc46f6079a1f89f5a84502