Martin „Mäk“ Reinhardt, (20./21.11.1928 Karlsruhe – vermutlich Frühjahr 1944 KZ Auschwitz)

Biographies
Verfasst von Sarah Grandke

Verfolgter Münchner Sinto

Martin Reinhardt lebte in Süddeutschland. 1938 musste er sich in Stuttgart einer ‚rassenbiologischen Untersuchung‘ unterziehen, mit deren Hilfe die ‚Rassenhygienische Forschungsstelle‘ am Reichsgesundheitsamt die ‚Minderwertigkeit‘ von Sinti*zze und Rom*nja nachzuweisen versuchte. Seit dem Erlass der ‚Nürnberger Gesetze‘ 1935 waren ‚Zigeuner‘ ebenso wie Juden als ‚artfremd‘ eingestuft.
Die Mitglieder seiner Familie, die etwa ab 1940 in München lebte, verdienten sich ihren Lebensunterhalt meist als Musiker. Der Vater Rudolf Reinhardt wurde 1942 inhaftiert und unter anderem im KZ Gusen festgehalten, wo er vermutlich im Oktober 1942 starb. Viele der dort Inhaftierten mussten in einem Steinbuch schwerste körperliche Arbeit verrichten.

Im März 1943 wurde die Familie Reinhardt unter katastrophalen Transportbedingungen ins ‚Zigeunerlager‘ Auschwitz-Birkenau deportiert, wo vier von Martin Reinhardts Geschwistern an den Folgen von Misshandlungen, Hunger und Krankheiten starben.

Martin Reinhardt gehörte zu den 100 Häftlingen, die von dem Bakteriologen Prof. Eugen Haagen für Versuche mit einem Fleckfieberimpfstoff angefordert und dafür im November 1943 in das über tausend Kilometer entfernte KZ Natzweiler im Elsass transportiert wurden. Die tagelangen Transporte erfolgten ohne ausreichend Nahrung, Wasser und sanitäre Einrichtungen. 18 Häftlinge kamen bereits während der Fahrt ums Leben. Der Gesundheitszustand der Überlebenden war derart schlecht, dass in den folgenden Tagen weitere zehn Personen starben. Nach nicht einmal einem Monat wurden die noch Lebenden wieder ins KZ Auschwitz zurückgeschickt und durch andere Häftlinge ersetzt.

Martin Reinhardt wurde wie die meisten als ‚Zigeuner‘ verfolgten Personen in den Überwachungslisten des Reichskriminalpolizeiamtes geführt. Darin ist sein Todestag auf den 20.4.1944 datiert.

Im Frühjahr 2021 wurde in München an der Sintpertstraße 9-15 eine Erinnerungsstele für die Familie Reinhardt errichtet.

Quellen

Bundesarchiv Berlin, R165/4, 165/6, R165/12.
Arolsen Archives, Korrespondenzakte T/D 130 134; Individuelle Unterlagen Rudolf Reinhardt, Flossenbürg, 1.1.8.3/10983055/ITS Digital Archive.
Państwowe Muzeum Auschwitz-Birkenau Oświęcim, Datenbankzugriff 5.8.2013.
Landesamt für Finanzen, Landesentschädigungsamt, München, Entschädigungsakte EG 43657-BEG 38127.
Awosusi, Anita/Pflock, Andreas: Sinti und Roma im KZ Natzweiler-Struthof. Anregungen für einen Gedenkstättenbesuch, Rundgang, Biografien, Informationen, Heidelberg 2006.

Empfohlene Zitierweise

Sarah Grandke: Reinhardt, Martin „Mäk“ (publiziert am 09.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel?tx_nsdlexikon_pi3%5Baction%5D=show&tx_nsdlexikon_pi3%5Bcontroller%5D=Entry&tx_nsdlexikon_pi3%5Bentry%5D=698&cHash=ea7dfec8a12efe371e70d17c3ff2febc