Bayerische Staatsbibliothek

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Verfasst von Susanne Wanninger

Die größte bayerische Bibliothek während der NS-Zeit

Bayerische Staatsbibliothek, Aufnahme um 1945 | Bayerische Staatsbibliothek München/Fotoarchiv Walz, walz-0592

Die Bayerische Staatsbibliothek stellte zwischen 1933 und 1945 keinen politikfernen Raum dar; vielmehr wirkte sich der Nationalsozialismus massiv auf die traditionsreiche Einrichtung in der Ludwigstraße aus. Großen Einfluss nahm das NS-Regime auf Personalangelegenheiten: 1933/34 verloren drei Mitarbeiter der Bayerischen Staatsbibliothek ihre Beschäftigung; ihnen allen wurde auf der Grundlage des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums politische Unzuverlässigkeit vorgeworfen. 1935 folgte die Absetzung von Generaldirektor Georg Reismüller, an dessen Stelle Rudolf Buttmann trat. Auch wenn Buttmann 1909 die Fachprüfung für den höheren Bibliotheksdienst in Bayern absolviert hatte, dürfte er den Zeitgenoss*innen vor allem als Politiker bekannt gewesen sein. Das NSDAP-Mitglied Nr. 4 führte von 1925 bis 1933 die NS-Fraktion im Bayerischen Landtag an, nach der Machtübernahme hatte ihm Hitler die Leitung der kulturpolitischen Abteilung im Reichsinnenministerium übertragen. Die Versetzung von Berlin nach München geschah auf Buttmanns eigenen Wunsch.

Rudolf Buttmann machte aus der Bayerischen Staatsbibliothek keine NS-Mustereinrichtung, sondern er bemühte sich in seiner Amtsführung häufig um einen Ausgleich zwischen fachlichen Gesichtspunkten und Nationalsozialismus. Bei Personalentscheidungen war für ihn in der Regel die Qualifikation und nicht das politische Engagement ausschlaggebend. Ungewöhnlich hart zeigte er sich allerdings im Fall von Wilfried Bering, der 1941 mit einem Mitarbeiter in Streit über das NS-Regime und den Zweiten Weltkrieg geraten war. Buttmann entließ den Hilfsarbeiter und zeigte ihn darüber hinaus wegen Heimtücke bei der Geheimen Staatspolizei an. Literatur, die die Reichsschrifttumskammer als unerwünscht klassifizierte, sekretierte Buttmann wie vorgeschrieben; zugleich gestattete er der Erwerbungsabteilung, weiterhin NS-kritische Schriften aus dem Ausland zu kaufen. Was den Umgang mit NS-Raubgut anbelangt, haben die Nachforschungen der Bayerischen Staatsbibliothek ergeben, dass das Haus zwischen 1933 und 1945 mehrere hundert geraubte Bücher übernahm. Juden*Jüdinnen blieb der Zutritt zur Bayerischen Staatsbibliothek nach der Reichspogromnacht mehrere Wochen lang verwehrt; im Februar 1939 setzte Buttmann jedoch durch, dass Benutzer*innen nur dann nach ihrer Abstammung befragt wurden, wenn sie durch ihr Benehmen Anstoß erregt hatten. Daraufhin stand Juden*Jüdinnen das Haus solange offen, bis sie zum Tragen des ‚Gelben Sterns‘ gezwungen wurden.

Einen tiefen Einschnitt bedeutete der Zweite Weltkrieg: Die Bayerische Staatsbibliothek wurde bei vier Luftangriffen auf München von Bomben getroffen. Bei Kriegsende waren sechs Siebtel des Gebäudes zerstört und ein Fünftel der Bücher (rund eine halbe Million) vernichtet. Handschriften und Inkunabeln waren rechtzeitig ins Umland verlagert worden.

Generaldirektor Rudolf Buttmann wurde unmittelbar nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes abgesetzt. 1946 begann unter neuer Führung der Wiederaufbau, 1952 kehrte die Bayerische Staatsbibliothek in ihr Gebäude in der Ludwigstraße zurück. Zwischenzeitlich war sie unter anderem in den NS-Bauten an der Arcisstraße untergebracht gewesen.

Quellen

Dressler, Fridolin: Die Bayerische Staatsbibliothek. Eine historische Skizze, in: Komorowski, Manfred/Vodosek, Peter (Hg.): Bibliotheken während des Nationalsozialismus, Teil I, Wiesbaden 1989, S.49-89.
Jahn, Thomas/Kellner, Stephan: Forschung nach NS-Raubgut an der Bayerischen Staatsbibliothek. Ein Zwischenbericht, in: Alker, Stefan/Köstner, Christina/Stumpf, Markus (Hg.): Bibliotheken in der NS-Zeit. Provenienzforschung und Bibliotheksgeschichte, Göttingen 2008, S. 45-57.
Wanninger, Susanne: Die Bayerische Staatsbibliothek unter Rudolf Buttmann, in: Knoche, Michael/Schmitz, Wolfgang (Hg.): Wissenschaftliche Bibliothekare im Nationalsozialismus. Handlungsspielräume, Kontinuitäten, Deutungsmuster; Wiesbaden 2011, S. 165-177.
Wanninger, Susanne: „Herr Hitler, ich erkläre meine Bereitwilligkeit zur Mitarbeit“. Rudolf Buttmann (1885-1947) - Politiker und Bibliothekar zwischen bürgerlicher Tradition und Nationalsozialismus, Wiesbaden 2015.

Empfohlene Zitierweise

Susanne Wanninger: Bayerische Staatsbibliothek (publiziert am 15.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel?tx_nsdlexikon_pi3%5Baction%5D=show&tx_nsdlexikon_pi3%5Bcontroller%5D=Entry&tx_nsdlexikon_pi3%5Bentry%5D=71&cHash=efec82ca0b2b870dc615f36d3249458c