Ulrich „Uri“ Siegel (2.12.1922 München - 26.6.2020 München)

Biographies
Verfasst von Ilse Macek

Sohn einer renommierten Juristenfamilie, Remigrant, Anwalt für Entschädigungs- und Rückerstattungsansprüche

Uri (Ulrich Leopold) Siegel wohnte mit seiner älteren Schwester Hannah Maria und den Eltern zunächst in Schwabing, später in Bogenhausen. Die Mutter Henny war das jüngste Kind der Münchner Kaufmannsfamilie Landauer. Der Vater, Rechtsanwalt Julius Siegel, war Sohn eines königlich-bayerischen Rechtsanwalts und Justizrats. Während seines Kriegsdiensts im Ersten Weltkrieg wurde Wilhelm Hoegner zum Vertreter in seiner Kanzlei bestellt.

Die Familie wanderte im Februar 1934 nach Palästina aus und kam dort im März an. Auslöser war ein Vorfall mit Julius‘ Vetter und Sozius Michael Siegel gewesen, der sich wegen der Behandlung seines Mandanten Max Uhlfelder im Polizeipräsidium in der Ettstraße hatte beschweren wollen und daraufhin mit abgeschnittenen Hosenbeinen und einem Schild um den Hals von der SS durch die Straßen bis zum Hauptbahnhof getrieben worden war.

Die zionistische Grundhaltung und die Hellsichtigkeit des Vaters sollten der vierköpfigen Familie das Leben retten. Sie bewahrte Uri Siegel auch vor schlechten Erinnerungen an seine elf Münchner Kindheitsjahre. Antisemitische Anfeindungen in der Hohenzollernschule, der Gebeleschule und zuletzt am katholischen Ludwigsgymnasium hatte er bis zur Emigration nicht erfahren müssen. Anders Siegels Tante Gabriele Rosenthal, bei der seine Familie kurz vor der Emigration in der Leopoldstraße wohnte: deren Sohn Hans wurde ebenso wie Uri Siegels Onkel Leo, Paul und Franz Landauer mit Ehefrau Tilly in den Jahren 1941 bis 1943 ermordet. Der als Präsident des FC Bayern bekannte Onkel Kurt Landauer emigrierte nach Genf und kehrte nach dem Krieg nach München zurück.

Mit 19 Jahren meldete sich Uri Siegel zum britischen Militär und kämpfte gegen das nationalsozialistische Deutschland; die Teilnahme am israelischen Unabhängigkeitskrieg folgte. Er erhielt viele militärische Auszeichnungen. Nach Abschluss der schulischen Laufbahn und des Jurastudiums in London und Palästina beziehungsweise Israel erlangte er im Oktober 1951 die Anwaltszulassung. Unmittelbar danach heiratete er die mit ihrer Familie nach Los Angeles emigrierte gebürtige Münchnerin Judith (Gertrud) Stern, die er bei einem seiner vorübergehenden Aufenthalte nach 1945 in seiner Geburtsstadt München kennengelernt hatte. 1956 nahm er erneut die deutsche Staatsangehörigkeit an; ab 1957 wohnte er mit seiner Frau wieder dauerhaft in München. Er wurde zu einem der renommiertesten Anwälte für Entschädigungs- und Rückerstattungsangelegenheiten. In den 1960er-Jahren war er zwei Jahre Vizepräsident der Israelitischen Kultusgemeinde und wirkte zudem fast 20 Jahre als Geschäftsführer des Landesverbands der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern. Uri Siegel erhielt das Bundesverdienstkreuz und war bis kurz vor seinem Tod im Jahr 2020 als Anwalt und Übersetzer tätig.



Empfohlene Zitierweise

Ilse Macek: Siegel, Uri (publiziert am 28.11.2023), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel?tx_nsdlexikon_pi3%5Baction%5D=show&tx_nsdlexikon_pi3%5Bcontroller%5D=Entry&tx_nsdlexikon_pi3%5Bentry%5D=779&cHash=ccabc7b84282d5a295e299455adf7994