Stadtrat München (1919-2014)

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Verfasst von Katja Klee

Politisches Entscheidungsgremium für lokale Angelegenheiten

Am 15.6.1919 wählten die Münchner*innen - auch Frauen - erstmals einen Stadtrat nach dem allgemeinen Wahlrecht und der neuen Gemeindeverfassung. Die 50 Stadt­rats­sitze verteilten sich auf sechs Fraktionen: USPD (16), BVP (15), MSPD (10), DDP (7), Haus­be­sit­zer­partei (1) und Liberale Bürgerpartei (1). Da die USPD ihren Kandidaten zurückzog, wurde der Mehr­heits­sozialdemokrat Eduard Schmid Erster Bürgermeister.

Bei den Stadtratswahlen 1924 hatte sich der Wählerwille vollständig verändert: Die nationale Wahl­ge­mein­schaft aus BVP, DNVP und DVP erreichte die Stim­men­mehr­heit (zusammen 21 Sitze). SPD (13 Sit­ze) und DDP (2 Sitze) erfuhren deut­liche Verluste. Die äußeren Flügel des Stadt­par­laments wurden mit fünf Kommunisten links und den sechs Nationalsozialisten Max Amann, Dr. August Buckeley, Karl Fiehler, Josef Fuchs, Ulrich Graf und Dr. Erwin Meyr rechts besetzt, die aufgrund des bestehenden Parteiverbots der NSDAP von November 1923 bis Februar 1925 unter ‚Nationalsozialisten‘ bzw. ‚Nationalsozialistische Freiheitsbewegung Großdeutschlands‘ kandidiert hatten. Erster Bürger­meis­ter wurde Karl Scharnagl (BVP), der ab 1926 den Titel ‚Ober­bürgermeister‘ trug.

Die neue Gemeinde­ordnung von 1927 stärkte zwar das kommunale Selbstverwaltungsrecht, die allgemeinen Krisenerscheinungen der Weimarer Jahre und die finanzielle Abhängigkeit vom Reich schränkten die Kompetenzen des Stadtrats jedoch stark ein. Aus dem auf­ge­heiz­ten Wahlkampf der Stadt­rats­wahlen 1929 ging nun zwar wieder die SPD als stärkste Frak­tion hervor (17 Sitze). Infolge der Par­tei­en­zer­splitterung, dem Er­star­ken der NSDAP (8 Sitze) und Verlusten der BVP (12 Sitze) konnte Karl Scharnagl (BVP) aber nur noch mit knapper Mehrheit als Oberbürgermeister be­stä­tigt werden.

Die nach der Machtübernahme erfolgte Be­stel­lung Karl Fiehlers zum kom­mis­sarischen Bür­ger­meister Münchens und der von den National­sozia­listen erzwungene Rück­tritt Scharnagls am 20.3.1933 leiteten den Um­bau des Stadtrats im NS-Staat ein, der bereits im Juli 1933 auf 40 Räte reduziert und rein natio­nal­so­zia­listisch war. Die Deutsche Ge­mein­de­ord­nung vom April 1935 trug das ‚Führerprinzip‘ auch in die Kommunen: Der nunmehr allein ver­ant­wort­liche ‚Gemeinde­füh­rer‘ Karl Fiehler berief 36 „Ratsherren“ mit lediglich beratender Funk­tion in den Stadtrat. Unter ihnen befanden sich nicht zuletzt einige ‚Alte Kämpfer‘, die mit diesem Posten für ihre Verbundenheit symbolisch entlohnt wurden.

Am 30.4.1945 besetzten US-Truppen München. Nur einen Tag später setzte die ame­ri­ka­ni­sche Militärregierung Franz Stadelmayer, den ehemaligen und auch späteren Bürger­meister Würzburgs, vorübergehend als Stadtoberhaupt ein, ehe sie am 9.5.1945 Karl Schar­nagl in das Bürgermeisteramt zurückholte. Am 1.8.1945 fand die erste Nach­kriegs-Stadtratssitzung mit 36 ehren­amt­lichen Stadt­räten, unter ihnen zehn ehemalige KZ-Häft­linge, statt. Bei den ersten Stadt­rats­wahlen am 6.6.1946 errang die CSU 20 Sitze, die SPD 17, die KPD 2 und die Wirt­schaft­liche Aufbau­ver­einigung (WAV), eine rechtspopulistische Partei des Mittelstandes, einen Sitz im nunmehr wieder 40-köpfigen Stadt­rats­gremium. Unter den Gewählten waren fünf Frauen. Karl Schar­nagl wurde im Amt des Oberbürgermeisters be­stä­tigt, zum Zweiten Bürgermeister wählte die Versammlung Thomas Wimmer (SPD).

Bei den Stadtratswahlen 1948 wurde die SPD mit 15 Sitzen stärkste Fraktion in dem nun wieder auf 50 Sitze vergrößerten Gremium, die Bayernpartei erhielt 13 Sitze, die CSU 10, die KPD 6, FDP, WAV und sonstige Parteien jeweils 2 Sitze. Thomas Wimmer wurde Ober­bürger­meister und leitete die 30 Jahre wäh­rende Ära sozialdemokratischer Bürgermeister ein. Mit der Errichtung der Bundesrepublik Deutschland wurde die kommunale Selbstverwaltung gestärkt und die Finanzierung der ihr über­tragenen Aufgaben geregelt.

Bei den Wahlen 1952 wurde der 6-jäh­rige Wahlrhythmus ein­ge­führt und der Stadtrat erneut um 10 auf 60 Mitglieder vergrößert. Die SPD konnte ihre Frak­ti­ons­stärke um weitere 10 Sitze aus­bauen, auch die CSU legte um 3 Sitze zu, während Bay­ern­partei und Kom­munisten Mandate ein­büßten. Auch 1960 und 1966 konnte die SPD ihren Stimmenanteil ver­größern und stellte mit Hans-Jochen Vogel den Ober­bürger­meister. Vogel wurde 1972 von seinem Parteifreund Georg Kronawitter abgelöst. Bei diesen Wahlen erreichte die SPD 44 Man­date im nunmehr auf 80 Mit­glie­der ver­grö­ßerten Stadtrat, in dem neben SPD, CSU und FDP nur zwei sonstige Parteien mit jeweils ei­nem Sitz vertreten waren. Der Trend zu den Großparteien setzte sich bis 1990 fort. Bei den Wahlen 1978 entfielen 79 Mandate auf SPD, CSU und FDP. Während der Stimmenanteil der SPD dabei stark einbrach, gewann die CSU deutlich dazu und stellte eine Legis­la­tur­periode lang mit Erich Kiesl das Stadt­oberhaupt.

Bei der Stadt­rats­wahl 1984 traten erstmals DIE GRÜNEN an und errangen auf Anhieb sechs Mandate. SPD und CSU waren im Stadtrat mit jeweils 35 Mitgliedern vertreten, die FDP hatte vier Sitze. Georg Kronawitter kehrte ins Amt des Oberbürgermeisters zurück, das er bis 1993 innehatte. Bei den Stadtratswahlen 1990 legten SPD und Grüne leicht zu, wäh­rend die CSU 10 Mandate verlor. Mit sechs Stim­men zog die Partei Die Republikaner, die sich selbst „eindeutig rechts von der Mitte“ (Franz Schönhuber) verortete, in den Stadtrat ein. Georg Kronawitter wurde 1993 von Chris­tian Ude abgelöst, der das Amt des Oberbürgermeisters 21 Jahre lang – bis 2014 – bekleidete.

Seit 1994 er­wei­terte sich das Parteien­spek­trum im Münchner Stadtrat von Wahl zu Wahl: 1994 gab es neun Fraktionen im Stadtrat, 1996 zog mit der Rosa Liste erstmals eine Vertretung von Homosexuellen in das Münch­ner Stadt­par­la­ment ein. Seit 2002 ist Die Linke darin präsent, seit 2008 die Bayernpartei (BP) und die rechtsextreme Bürgerinitiative Aus­länderstopp (BIA). Aus der Stadtratswahl am 16.3.2014 ergaben sich 13 Frak­tionen im Stadtrat. Die CSU wurde mit 32,5 % der Stimmen stärkste Fraktion im Stadt­rat (26 Sitze). Die übrigen 54 Sitze verteilten sich auf die SPD (24), Fraktion Bündnis 90/Die Grünen/­Rosa Liste (14), Fraktion Freiheits­rechte/­Transparenz, Bürger­beteiligung (5), Frak­tion Bürgerliche Mitte – Freie Wähler/­Bayern­partei (4), ÖDP (2), AfD (2), Die Linke (2) und BIA (1). Die Stichwahl zum Oberbürgermeister konnte Dieter Reiter (SPD) mit knapper Mehr­heit für sich entscheiden. 2020 wurde er im Amt bestätigt.


Quellen

Bauer, Richard (Hrsg.): Geschichte der Stadt München, München 1992. Handbuch des Münchner Stadtrats 2015, hrsg. vom Presse- und Informationsamt der Landeshauptstadt München, München 2014.
Hollweck, Ludwig: Was war wann in München. Von der Besiedlung der Münchner Gegend bis 1980 in Stichworten erzählt, München 1982.
Huber, Brigitte: Tagebuch der Stadt München. Die offiziellen Aufzeichnungen der Stadtchronisten 1818-2000, Ebenbausen b. München 2004.
Haerendel, Ulrike/Ott, Bernadette (Hg.): München – „Hauptstadt der Bewegung“ (Ausstellungskatalog), München 1993.
Schattenhofer, Michael: Die Geschichte des Münchner Rates, in: Münchner Stadtanzeiger, Nr. 36, 38, 39, 40, 43 und 44 vom 6.9.1963-31.10./1.11.1963.

Empfohlene Zitierweise

Katja Klee: Stadtrat München (publiziert am 13.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel?tx_nsdlexikon_pi3%5Baction%5D=show&tx_nsdlexikon_pi3%5Bcontroller%5D=Entry&tx_nsdlexikon_pi3%5Bentry%5D=792&cHash=479a0b2a4aed1cec15e2e89ea786b593