‚Stellvertreter des Führers‘/Parteikanzlei

Organizations
Verfasst von Peter Longerich

Führungsorgan der NSDAP, von Rudolf Heß geleitet

Der Stab des ‚Stellvertreter des Führers‘ (ab 1941 Partei-Kanzlei) bildete das zentrale Führungsorgan innerhalb der NSDAP. Am 21.4.1933 ernannte Adolf Hitler seinen langjährigen Vertrauten Rudolf Heß zum Stellvertreter für den Bereich der Partei und erteilte ihm die Vollmacht, „in allen Fragen der Parteileitung“ in seinem Namen zu entscheiden. Diese Ermächtigung unterstrich er im Dezember 1933, indem er Heß als Reichsminister ohne Geschäftsbereich in die Reichsregierung aufnahm.
Zur Durchführung seiner Aufgabenstellung baute Heß einen umfangreichen ‚Stab‘ auf, dessen Leitung er seinem Stellvertreter Martin Bormann übertrug. Dienstsitz des Stabes war München, wo die Dienststelle im ‚Führerbau‘ sowie in verschiedenen Gebäuden im ‚Parteiviertel‘ untergebracht war.

Heß und Bormann gelang es nach und nach, den Stab des ‚Stellvertreter des Führers‘ als zentrales Führungsorgan der Partei zu etablieren, was sich insbesondere in der Personalpolitik, in der Errichtung eines zentral geführten Berichtswesens der Partei und einem besonderen Verordnungswesen niederschlug. Daneben oblag dem ‚Stellvertreter des Führers‘ die Gesamtvertretung der NSDAP gegenüber dem Staat. Im staatlichen Bereich setzte Heß insbesondere durch, an allen Gesetzgebungsverfahren sowie an der Ernennung aller höheren Beamten durch Begutachtung der ‚politischen Zuverlässigkeit‘ beteiligt zu werden. Außerdem erhob die Dienststelle den Anspruch, in allen Fragen von „grundsätzlicher“ Bedeutung beteiligt zu werden, womit sie sich eine allgemeine Interventionsmöglichkeit im staatlichen Sektor schuf.

Nach dem Flug von Rudolf Heß nach Schottland im Mai 1941 wurde der Stab des ‚Stellvertreters des Führers‘ in die ‚Partei-Kanzlei‘ der NSDAP umgewandelt, deren Leitung in den Händen Martin Bormanns blieb und Hitler nunmehr direkt unterstellt wurde. Die alten Kompetenzen blieben von dieser Umwandlung unberührt. Der Aufgabenbereich der Dienststelle erfuhr während des Krieges noch verschiedene Erweiterungen, insbesondere im Rahmen der Mobilisierung des zivilen Sektors.

Quellen

Longerich, Peter: Hitlers Stellvertreter. Führung der Partei und Kontrolle des Staatsapparates durch den Stab Heß und die Parteikanzlei Bormann, München u. a. 1992.
Rebentisch, Dieter: Führerstaat und Verwaltung im Zweiten Weltkrieg. Verfassungsentwicklung und Verwaltungspolitik 1939-1945, Wiesbaden u.a. 1989.

Empfohlene Zitierweise

Peter Longerich: Stellvertreter des Führers/Parteikanzlei (publiziert am 14.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel?tx_nsdlexikon_pi3%5Baction%5D=show&tx_nsdlexikon_pi3%5Bcontroller%5D=Entry&tx_nsdlexikon_pi3%5Bentry%5D=801&cHash=f43802d61ed8557a66d3ed8d94449559