Quellen
Archiv des Bezirks Oberbayern, Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar, Patientenakten Nr. 397.
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Opfer der NS-Euthanasie
Ulrich von T. (Pseudonym) war 51 Jahre alt, als er am 12.11.1926 auf Wunsch seiner adeligen Familie in die Psychiatrische Universitätsklinik München gebracht wurde. Bei seiner 86-jährigen Mutter, so der Schwager und spätere Vormund Graf von Z., habe er versucht, den „Herrn im Hause“ zu spielen, obwohl er doch in seinem Leben bisher wenig geleistet habe. Ulrich hatte in der Schule Schwierigkeiten gehabt, er schaffte mit viel Mühe den mittleren Schulabschluss und war dann in wechselnden Stellungen auf landwirtschaftlichen Gütern tätig. Zuletzt arbeitete er als Vertreter für Heizungs- und Kochgeräte und lebte bei seiner Mutter in München. Die seinem Stand nicht entsprechende berufliche Stellung schien ihn wenig zu berühren: Die Stellen auf den Gütern habe er gewechselt, um „in allen Zweigen der Landwirtschaft wirklich firm“ (BAObb, EH, Patientenakten Nr.397) zu werden. In der Psychiatrischen Klinik wurde nach der Aufnahme 1926 die Diagnose einer geistigen Minderbegabung und Psychopathie gestellt, und Ulrich von T. kam anschließend in Anstaltsverwahrung nach Eglfing bei München. Der Kontakt zu seiner Mutter, seiner Schwester und seinem Schwager blieb erhalten, er wurde regelmäßig nach Hause beurlaubt. In der Anstalt beobachtete man zunehmende Stimmungsschwankungen, wenn es ihm besser ging, arbeitete er im Garten. Auf Wunsch der Familie wurde er 1933 in die Pflegeanstalt Deggendorf verlegt.
1936 kam er in die Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar zurück. Hier zählte man ihn zuletzt zu den „unheilbaren“ und „unbrauchbaren“ Kranken, die Ärzte fanden keinen Zugang mehr zu seinem Gemütsleben. Der letzte Eintrag in der Krankengeschichte lautet: „Völlig versandet u. dement. Zu keiner Beschäftigung mehr fähig. Stumpf, gleichgültig. Hie und da erregt“ (BAObb, EH, Patientenakten Nr.397). Am 24.10.1940 wurde Ulrich von T. im Rahmen der „Euthanasie“-Aktion T4 in die Zwischenanstalt Niedernhart bei Linz abtransportiert. Durch ein Telegramm seines Schwagers und dessen Kontakte zu Funktionären der NSDAP und zum Bayerischen Innenministerium konnte er in letzter Minute vor der Ermordung in der Tötungsanstalt Hartheim bewahrt werden. Graf von Z. erklärte sich bereit, seinen Schwager persönlich in Linz abzuholen und für seine weitere Unterbringung zu sorgen. Die Familie fand schließlich im November 1940 einen Platz in der Pflegeanstalt der Barmherzigen Brüder in Straubing. Durch seine Erlebnisse in der Zwischenanstalt Niedernhart war Ulrich von T. nach dem Eindruck des Schwagers „geistig entsetzlich angegriffen“. Bei den Barmherzigen Brüdern in Straubing konnte er nicht lange bleiben, bereits im August 1941 musste er wegen der Räumung der Einrichtung in die staatliche Anstalt Mainkofen verlegt werden. Dort starb er ein Jahr später, mit 67 Jahren, angeblich an Altersschwäche.
Archiv des Bezirks Oberbayern, Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar, Patientenakten Nr. 397.