Quellen
Gilbhardt, Hermann, Die Thule-Gesellschaft. Vom okkulten Mummenschanz zum Hakenkreuz, 2. Aufl. München 2015.
Rose, Detlev: Die Thule-Gesellschaft: Legende – Mythos – Wirklichkeit, Tübingen 2000.
Admission free
Völkisch-antisemitischer Geheimbund
1918 gründete Rudolf von Sebottendorff in München die Thule-Gesellschaft, einen logenartigen Geheimbund, der eine nach völkisch-rassistischen Grundsätzen gestaltete Diktatur anstrebte. Der Name ‚Thule‘ – Sagenhaftes Land im Norden – diente als Tarnname der Gesellschaft, die Räumlichkeiten im Hotel Vier Jahreszeiten unterhielt und Ende 1918 in München mehr als 200 Mitglieder hatte. Unter diesen waren Anton Drexler, Karl Harrer, Rudolf Heß und Dietrich Eckart. In ihrem Emblem trug die antisemitische Thule-Gesellschaft ein Hakenkreuz mit einem Schwert.
Während der Räterepublik wurde die Thule-Gesellschaft zur konspirativen Zentrale der Gegenrevolution. Sie war an der Niederschlagung der Räterepublik mit dem eigens gegründeten ‚Kampfbund Thule‘ aktiv beteiligt. Beim sogenannten Geiselmord im Luitpoldgymnasium erschossen Angehörige der Roten Armee am 30.4.1919 zehn Gefangene, darunter sieben Angehörige der Thule-Gesellschaft. Obwohl sich die Betriebs- und Soldatenräte am folgenden Tag öffentlich von dieser Bluttat distanzierten, benutzte die rechte Propaganda das Schreckbild des ‚Geiselmords‘ unablässig für ihre antirepublikanische Agitation. Als Presseorgan diente der Thule-Gesellschaft der Münchener Beobachter, der ab August 1919 unter dem Namen Völkischer Beobachter erschien und seit 1920 als offizielles Propagandablatt der NSDAP fungierte.
In den folgenden Jahren verlor die Thule-Gesellschaft innerhalb der völkischen Bewegung an Bedeutung. Mit Beginn der NS-Herrschaft erlebte sie 1933 noch einmal ein „kurzes Comeback“ (Gilbhard, S.168) in Gestalt des aus dem Ausland zurückgekehrten Rudolf von Sebottendorff. In seinem Buch Bevor Hitler kam (1933) versuchte er, die Thule-Gesellschaft als alleinige Vorgängerin der NSDAP darzustellen und zog sich damit den Unwillen des NS-Regimes zu. Bis 1942 spielte die Thule-Gesellschaft im Nationalsozialismus nur noch eine untergeordnete Rolle und trat nur mehr bei Gedenkveranstaltungen zur Niederschlagung der Räterepublik in Erscheinung.
Nach 1945 wurden um den Geheimbund viele Mythen kolportiert. Seit 1951 gilt der Verein als aufgelöst. Die westdeutsche rechtsextreme Szene griff den Namen Thule in den 1980er-/1990er-Jahren wieder auf. So existierte eine rechtsradikale Internet-Domain ‚Thule-Netz‘/‚Thule Web‘ als Kommunikationsplattform. In München gibt es im Stadtteil Kirchtrudering bis heute drei Straßen, die nach 1919 ermordeten Thule-Mitgliedern benannt sind: Hella-von-Westarp-Straße, Deikestraße und Teuchertstraße. Eine Umbenennung wird diskutiert.
Gilbhardt, Hermann, Die Thule-Gesellschaft. Vom okkulten Mummenschanz zum Hakenkreuz, 2. Aufl. München 2015.
Rose, Detlev: Die Thule-Gesellschaft: Legende – Mythos – Wirklichkeit, Tübingen 2000.