Quellen
Archiv des Bezirks Oberbayern München, Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar, Patientenakten Nr. 6950.
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Zimmermädchen, Opfer der NS-“Euthanasie“
Mathilde U. (Pseudonym) wurde 1916 wegen epileptischer Anfälle in die Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar aufgenommen. Sie gab an, dass sie schon öfters lebensüberdrüssig gewesen sei, obwohl sie eigentlich keinen Grund zur Traurigkeit habe. Nur dass sie nie lange an den Arbeitsstellen sei, das bereite ihr Sorgen. Nach einem Jahr wurde sie entlassen, zwei weitere Anstaltsaufenthalte folgten, bis sie 1937 dauerhaft aufgenommen wurde.
Von den Ärzten wurde sie als schwierig und reizbar beschrieben. 1941 unternahm sie gemeinsam mit Emmy Rowohlt und zwei anderen Patientinnen einen Fluchtversuch, wurde jedoch wieder aufgegriffen und in die Anstalt zurück gebracht. Anschließend wurde sie in einer Einzelzelle isoliert. An ihre Schwester schrieb sie am 20.12.1941: „Den ganzen Tag bin ich dem Schicksal überlassen. Keine Ansprache, geistige Anregung, lesen. Bedaure, es fehlt das Augenlicht. Die Brille bekam ich bis jetzt noch nicht ausgehändigt. Ein jeder Tag ist eine Ewigkeit. Ihr lieben Geschwister dankt dem Wink des Schicksals, wenn ihr verschont bleibt vor dem furchtbarsten“ (BAObb, EH, Patientenakten Nr. 6950).
Die Schwester schrieb am 14.10.1942 nach einem Besuch an Direktor Pfannmüller: „Selbst auf die Gefahr hin, Ihren Unwillen zu erwecken. Ich war heute ganze 10 Minuten bei meiner Schwester, seitdem lässt mich dieses Jammerbild nicht mehr los. Ich habe meine Schwester in einer trostlosen, traurigen Verfassung angetroffen. Abgemagert zu einem Skelett, keinen Funken von Humor mehr. Seit über 1 ½ Jahren ist sie nun jeden Tag 24 Stunden allein in einer Zelle eingesperrt. Soweit ich weiß dürfen sogar Strafgefangene manchmal an die Luft. Sie sagt, jeder Tag ist eine Ewigkeit, die nicht vorbei gehen will. […] Ich brachte ihr einmal ein paar Zeitschriften mit, selbst die sind ihr sofort wieder genommen worden. Man muss sich nur wundern, dass sie nicht schon gänzlich verrückt geworden ist“ (ebd).
Die Lage verbesserte sich für Mathilde U. nicht. Am 5.12.1942 wurde sie auf jene Station verlegt, aus der einen Monat später das „Hungerhaus“ für Frauen wurde. Dort starb sie im Juni 1944 an den Folgen der Hungerkost. In der Krankengeschichte wurde dazu zynisch vermerkt: „Hat in letzter Zeit sehr abgenommen“ (ebd.).
Archiv des Bezirks Oberbayern München, Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar, Patientenakten Nr. 6950.