Willy Zielke kam zu Beginn der 1920er-Jahre nach München. Als Sohn eines Fabrikdirektors und Kaufmanns war er gemeinsam mit seinen Eltern nach den kommunistischen Umwälzungen in der Sowjetunion geflohen. Was er aus seiner alten Heimat mitbrachte, war die Leidenschaft für Fotografie und Film. Seine Bewunderung galt dem avantgardistischen Filmschaffen Sergej Eisensteins wie auch der aufkommenden NS-Bewegung. Nach einer Ausbildung an der Münchner Staatlichen Fachschule für Fototechnik erhielt er dort seine erste Anstellung. Mit zwei Filmprojekten Arbeitslos/Die Wahrheit (1932/1933) und Das Stahltier (Jubiläumsfilm für die Deutsche Reichsbahn/1935) begann sich Leni Riefenstahl für ihn zu interessieren. In beiden Filmen hatte Zielke versucht, avantgardistischen Stil mit den Idealen der NS-Bewegung in Einklang zu bringen. Mit diesen Versuchen scheiterte Zielke letztlich, doch gewann er dadurch die Aufmerksamkeit der ersten Propagandafilmerin des Deutschen Reiches. Zielke wurde für die Dreharbeiten des Films Olympia engagiert und erhielt den Auftrag, dafür einen Prolog in eigener Regie zu fertigen. Doch nach Abschluss des Projektes kam es zum folgenschweren Zerwürfnis, denn Riefenstahl beanspruchte die Urheberschaft für sich.
Willy Zielke erlitt einen Nervenzusammenbruch. Zurück in München wurde er dort gegen seinen Willen in die Psychiatrie überstellt. Aufgrund der Bestimmungen des seit 1.1.1934 geltenden Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses wurde er am 22.7.1937 unter Zwang sterilisiert. Bei der Diagnose ‚Schizophrenie‘ war die Sterilisation zudem Bedingung für seine Entlassung aus der Psychiatrie. In seinen Erinnerungen, die nachträglich aus überlieferten Aufzeichnungen entstanden sind, hielt er den Tag des Zwangseingriffes fest: „Warte auf die Hinrichtung. Es ist eine Hinrichtung. Generationen meiner Nachkommen werden symbolisch und faktisch hingerichtet. Der Führer hat das Rassenveredelungs-Gesetz verkünden lassen. Es soll der germanische ‚Herrenmensch‘ in Reinkultur gezüchtet werden. Alles andere sei minderwertig und soll ausgerottet werden, wie ein Abfall. [...] Habe den Prolog zum Olympiafilm abgedreht und jetzt zähle ich persönlich zum Abfall der Menschheit. Meine Filmarbeit soll geistig gesund sein – ich selbst aber – geistig krank“ (Zielke, Angst, S. 164).
Der Vertrauensbruch von Riefenstahl und die Erfahrung, dass sich die von ihm idealisierten politischen Verhältnisse plötzlich gegen ihn verkehrten, ließen ihn sich als Opfer einer Verschwörung zu sehen. Dabei rang er um sein Selbstverständnis als Filmemacher. Nervenzusammenbruch und Zwangssterilisation gefährdeten auch seine Ehe und damit den ihm noch verbliebenen sozialen Rückhalt. Seine Frau leitete ein Entmündigungsverfahren und die Scheidung ein. Geschwächt und nervlich angeschlagen suchte er Ende 1937 Hilfe in der Fürsorgeeinrichtung Herzogsägmühle, die dem Landesverband für Wander- und Heimatdienst unterstellt war. Deren Leiter, SA-Sturmbannführer Alarich Seidler, hatte ihn bei seinem Film Arbeitslos/Die Wahrheit unterstützt. Doch Fürsorge bedeutete in der NS-Zeit vor allem Zwang. Hilfsbedürftige galten als ‚rassisch‘ und sozial ‚minderwertig‘. In Einrichtungen wie Herzogsägmühle wurden sie ihrer Rechte beraubt und zu schwerer Arbeit verpflichtet. Aufgrund mangelnder Fürsorge und medizinischer Versorgung verschlechterte sich Zielkes Zustand rapide. Nach einem Jahr, Anfang 1939, wurde er wieder in die Psychiatrie, in die Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar, eingewiesen. Dort blieb er bis zum 21.8.1942. Gründe für die Entlassung sind in der Krankenakte nicht angegeben. Zielkes Erinnerung nach ging diese auf Betreiben Riefenstahls zurück. Sie brauchte ihn dringend für den Abschluss ihres letzten Filmprojekts Tiefland. Seine Angst, in Eglfing-Haar zu verkümmern und zu sterben, war größer als die Angst vor der Frau, die ihn nicht nur seiner Karriere beraubt hatte.
Über die bedrückende Atmosphäre in Haar, und, wie nahe er die Morde an den Insassen zu beobachten glaubte, schrieb er: „Auch hier geht die Zeit weiter, das heißt, sie kriecht wie eine Schnecke träge dahin und die Menschen bewegen sich wie durchsichtige Schatten – an vergitterten Fenstern und kahlen Wänden vorbei … was wartet auf mich? Soll hier die letzte Station für mich sein?“ Und über eine Situation kurz vor seiner Entlassung: „Zuerst wird ein Grossteil der Insassen aus unserem Haus ausquartiert. Wohin diese Leute kommen, erfährt niemand von uns. Auch keiner wagt zu fragen. Nach unserer Station – das ist längst bekannt – kommt nur noch der Friedhof. Wir gelten alle als hoffnungslose Fälle – als die ‚Unheilbaren‘. Die meisten sind verstummt. Sie führen ein Dasein von Schatten. Nur einige murmeln leise vor sich hin“ (Zielke, Angst, S. 428).
In der Nachkriegszeit konnte Zielke nicht mehr an seine früheren Erfolge anschließen. Er erreichte aber im Jahr 1946 an der Universitäts-Nervenklinik Halle eine Rücknahme der psychiatrischen Diagnose und damit die Aufhebung der Entmündigung. Willy Zielke starb im Jahr 1989 nahezu mittellos in Bad Pyrmont.