Besetzung Münchens

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Verfasst von Andreas Heusler

Am 30. April 1945 übernahm die US-Army die Macht in München. Die Übergabe geschah weitgehend kampflos, die NS-Spitze war geflohen.

Amerikanische Soldaten beim Einmarsch in München mit Ortsschild, 30.4.1945 | SZ Photo/Scherl, 00026315

Der Vormarsch amerikanischer Truppen Ende April 1945 auf München erfolgte von Westen und von Norden durch die 20. Panzerdivision sowie die 42. und 45. Infanteriedivisionen des XV. Armeekorps. Eine hinreichende Verteidigung war aufgrund der unzureichenden personellen und technischen Ausstattung der in der Stadt stationierten Wehrmachtsverbände nicht gegeben. Dies musste auch der zu einem fanatischen Durchhaltepathos neigende Gauleiter Paul Giesler erkennen, der sich schließlich bereit erklärte, die militärische Verteidigung auf die Särge der „Blutzeugen“ am Königsplatz zu beschränken.

Allerdings forderte Giesler von der Militärführung die Sprengung der Isarbrücken, um den Amerikanern die Übernahme der Stadt und den weiteren Vormarsch Richtung Alpen so schwer wie möglich zu machen. Am 24.4. wurde vom Wehrkreiskommando VII der Befehl erteilt, die Brücken zur „nachhaltigen Zerstörung vorzubereiten“ (Brückner, S. 185). Zahlreiche Sprengladungen wurden an den für die städtische Infrastruktur so wichtigen Isarbrücken angebracht. Es waren vor allem Polizeibeamte der örtlichen Reviere, die kurz vor dem Einrücken amerikanischer Truppen unter hohem persönlichen Risiko und gegen Widerstand aus Volkssturm und verbliebenen SS-Einheiten die Entfernung bzw. Entschärfung dieser Sprengladungen veranlassten. Lediglich die strategisch und verkehrstechnisch unbedeutende Robert Bosch-Brücke am Deutschen Museum wurde durch Sprengstoff beschädigt.

Am 30.4.1945 ging der Krieg in München überraschend schnell zu Ende. Der Vormarsch der US Army, der am frühen Morgen dieses Tages begann, wurde mit Artilleriefeuer vorbereitet und stieß in der „Hauptstadt der Bewegung“ auf erstaunlich schwache Gegenwehr. „Werwolf“ und SS-Einheiten waren abgerückt. Lediglich vereinzelt leisteten fanatische Hitler-Jungen, Volkssturm-Männer und verbliebene SS-Trupps einen zum Scheitern verurteilten Widerstand. In den Morgenstunden provozierte der amerikanische Vormarsch auf die SS-Kaserne Freimann blutige, bis in den Nachmittag dauernde Kampfhandlungen. Ansonsten stießen die über Pasing und Laim ins Stadtzentrum vorrückenden Amerikaner auf keinen bzw. nur auf geringen Widerstand. Die in München verbliebenen deutschen Truppen hatten am Nachmittag des 30.4.1945 die Stadt über die östlichen Vororte geräumt.

Die ersten US-Soldaten, die am Nachmittag gegen 16 Uhr den Marienplatz und das Rathaus erreichten, waren Angehörige der 42. (Rainbow) Division. Ihnen wurde die Stadt offiziell übergeben. Die prominentesten Nationalsozialisten, Gauleiter Paul Giesler und Oberbürgermeister Karl Fiehler, hatten sich längst abgesetzt und in Sicherheit gebracht.

In den Tagen vor und während der amerikanischen Besatzung Münchens stieg die Zahl der Suizide von verzweifelten Anhänger*innen des zusammengebrochenen Regimes deutlich an. Ganze Familien gingen in diesen Tagen gemeinsam in den Tod. Auch die Gewaltkriminalität nahm spürbar zu. Die deutsche Polizei war entwaffnet, die amerikanischen Dienststellen reagierten zunächst meist gleichgültig auf die kriminelle Dynamik, die der rechtsfreie Raum der ersten Besetzungstage erzeugte. Plünderungen, Raubmorde und andere Eigentumsdelikte waren an der Tagesordnung.

An den Plünderungen von Wehrmachtsdepots und Parteieinrichtungen beteiligten sich auch viele Münchner Bürgerinnen und Bürger. Befreite KZ-Häftlinge und ausländische Zwangsarbeiter*innen übten Rache für erlittene Misshandlungen und Schikanen. Die Behörden registrierten zahlreiche gewaltsame Todesfälle, die jedoch wegen der fehlenden Polizeiexekutive nicht näher untersucht werden konnten. Erst nach und nach wurden wieder Ordnungsstrukturen etabliert und Maßnahmen zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit ergriffen.
In die Erinnerung vieler Münchner*innen schrieb sich vor allem das oftmals gewalttätige Verhalten der befreiten Ausländer*innen und KZ-Häftlinge jener Tage ein und verschob die Bezüge zur eigenen Schuld und Verantwortung. Diese Gewalttaten am Ende des Krieges, die Erfahrungen des Luftkriegs, die Zerstörungen in der Stadt und die vielen zu beklagenden Todesopfer sowie die Verwundeten erleichterten die Selbststilisierung der einheimischen Bevölkerung als eigentlich Leidtragende des NS-Regimes.


Die Münchner*innen reagierten ambivalent auf die amerikanische Besetzung: Nicht wenige waren über den Untergang der nationalsozialistischen Herrschaft, mit der sie ihr persönliches Schicksal verbunden hatten, zutiefst enttäuscht. Vornehmlich den Zusammenbruch jeglicher staatlicher Ordnung verfolgten viele mit großen Sorgen. Eindeutig aber überwog die Erleichterung über das Ende des Krieges. Viele Münchnerinnen und Münchner säumten die Straßen und begrüßten die einmarschierenden GIs mit weißen Taschentüchern. Hausfassaden waren mit weißen Bettlaken als Zeichen einer friedlichen Haltung der Bevölkerung behängt. Vor allem die zahllosen Opfer des NS-Terrors, Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter*innen, KZ-Häftlinge, jüdische Überlebende, politisch Verfolgte u.a., sahen in den Amerikanern ihre Befreier, die das Ende von Entrechtung, Bedrohung und Angst brachten.

Dennoch konnte es einen bruchlosen Übergang zu einer wie auch immer gearteten „Normalität“ für die meisten Opfer des NS-Regimes angesichts der traumatisierenden Erfahrungen der Verfolgung nicht geben. Besonders schmerzhaft für sie war die Tatsache, dass ihr Leid aufgrund der allgemeinen Not der übrigen Bevölkerung aus der öffentlichen Aufmerksamkeit verdrängt wurde. Eine bewusste und gesellschaftlich breit angelegte Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit kam erst spät und lange nach Kriegsende in Gang.

Quellen

Brückner, Joachim: Kriegsende in Bayern 1945. Der Wehrkreis VII und die Kämpfe zwischen Donau und Alpen, Freiburg 1987.
Diem, Veronika: Die Freiheitsaktion Bayern. Ein Aufstand in der Endphase des NS-Regimes, Kallmünz 2013.
Henke, Klaus-Dietmar: Die amerikanische Besetzung Deutschlands, München 1995.
Kotteder, Franz/Wolf, Eberhard (Hg.): Der Krieg ist aus. Erinnern in München nach 1945, München 2005.
Pfister, Peter (Hg.): Das Ende des Zweiten Weltkriegs im Erzbistum München und Freising. Die Kriegs- und Einmarschberichte im Archiv des Erzbistums München und Freising (Teil 1 und 2), Regensburg 2005.

Empfohlene Zitierweise

Andreas Heusler: Besetzung Münchens (publiziert am 29.01.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel?tx_nsdlexikon_pi3%5Baction%5D=show&tx_nsdlexikon_pi3%5Bcontroller%5D=Entry&tx_nsdlexikon_pi3%5Bentry%5D=90&cHash=543000f50b692f30ef79244566b7a7cd