Der Einmarsch von Reichswehr und Freikorps in München am 1./2.5.1919 beendete die kurzlebige Räterepublik. Angehörige der Roten Armee leisteten innerhalb der Stadt an verschiedenen Stellen Widerstand, der aber rasch gebrochen wurde. Aufgeputscht durch häufig übertriebene oder erfundene Nachrichten über den „roten Terror“, besonders über die Erschießungen im Luitpold-Gymnasium, ging das Militär vor allem in den Arbeitervierteln mit großer Brutalität vor. Auch Gefangene wurden misshandelt und ohne Urteil exekutiert. Egelhofer, der Kommandant der Roten Armee, wurde in der Gefangenschaft erschlagen, Gustav Landauer durch Soldaten im Gefängnis Stadelheim ermordet. Sie erschossen häufig, wen sie für verdächtig hielten, auch auf bloße Denunziation hin. So verhafteten Angehörige des Freikorps Lützow nach einer Denunziation des evangelischen Pfarrers Robert Hell zwölf Perlacher Arbeiter, brachten sie am 5.5.1919 in den Hofbräukeller und erschossen sie kurzerhand.
Die Mordaktionen machten auch vor Kriegsgefangenen nicht halt: Ihnen fielen in Gräfeling 53 russische Kriegsgefangene zum Opfer, die teilweise der Roten Armee angehört hatten, aber an den Kämpfen nicht beteiligt gewesen waren. Sie waren unbewaffnet von württembergischen Truppen in Pasing aufgegriffen worden.
Besonders erinnert wird noch heute die grausame Ermordung von 21 katholischen Gesellen durch bayerische Freikorps am 6.5.1919. Sie galt in den Augen der Zeitgenossen als „besonders tragisch“, denn die Gesellen waren von den Mördern irrtümlich für Spartakisten gehalten worden. Auch in diesem Fall, wie in allen anderen Fällen, wurde keiner der an den Morden Beteiligten zur Verantwortung gezogen.
Dieses Vorkommnis zwang das Generalkommando zum Einschreiten, doch nur mit Mühe konnte es das exzessive Töten der Soldaten eindämmen. Bereits am 5.5.1919 hatte es verfügt, dass Festgenommene nur noch gerichtlich abzuurteilen und der nächsten Polizeiwache zu übergeben seien. Dieser Befehl wurde nun noch einmal bekräftigt. Nur noch bei „Fluchtversuchen“, die allerdings leicht konstruiert werden konnten, durften die Soldaten von der Waffe Gebrauch machen. Offiziell fielen dem Einmarsch 557 Menschen zum Opfer, mehrheitlich unbeteiligte Zivilist*innen. Die tatsächliche Zahl ist bis heute nicht bekannt, Schätzungen sprechen von über 1.000 Opfern. In der Stadt herrschte das Kriegsrecht, da neue Unruhen befürchtet wurden. Denn große Teile der Arbeiterschaft waren verbittert, weil es eine sozialdemokratische Regierung gewesen war, die die Truppen, die in der Stadt wüteten, zu Hilfe gerufen hatte. Erst am 1.12.1919 wurde das Kriegsrecht aufgehoben und durch den zivilen Ausnahmezustand abgelöst, der bis September 1921 aufrecht erhalten wurde.
Ausnahmezustand und Militärdiktatur
Träger der Macht in München war de facto nicht die gewählte Landesregierung, die erst im August 1919 nach München zurückkehrte. Es herrschten Militär und Polizei, unterstützt durch Einwohnerwehren. Den Revolutionsgegner*innen erschien die Räterepublik als logische Konsequenz der aufrührerischen Entwicklung seit 1918, und sie wollten ähnliche Ereignisse ein für alle Mal ausschließen. Die in diesen Kreisen vorherrschende politische Einstellung war antirepublikanisch und extrem antisozialistisch und richtete sich auch gegen die gemäßigte Sozialdemokratie.
Zugleich trug sie deutlich ausländerfeindliche und oft antisemitische Züge, da die Meinung verbreitet war, die Revolution sei vorwiegend von „landfremden Elementen“ ins Land getragen worden. Das Wort „landfremd“ wurde vielfach synonym für „jüdisch“ gebraucht. Dies war der Nährboden, auf dem die „Ordnungszelle Bayern“ entstand, in der rechtsradikale und völkische Einstellungen rasch an Einfluss gewannen. Im Polizeiapparat gab nun Polizeipräsident Ernst Pöhner den Ton an, unterstützt von Wilhelm Frick, dem neuen Leiter der politischen Abteilung. Beide kooperierten eng mit der Fahndungsabteilung in der Stadtkommandantur; als Leiter des dortigen „Rechtsreferats“ fungierte Christian Roth, als Stabschef Ernst Röhm. Gegen Menschen, die nicht aus München stammten, ging Pöhner rigoros mit Ausweisungen vor, verdächtige Personen ließ er in „Schutzhaft“ nehmen.
Stand- und „Volksgerichte“ – Gefängnis- und Festungshaft
Die Gefängnisse waren rasch mit Räteanhänger*innen und Verdächtigen überfüllt. Die Gerichte, besetzt mit konservativen und monarchistischen Richtern und Offizieren, arbeiteten auf Hochtouren. Noch unter Eisner waren mit den „Volksgerichten“ für schwere und politische Delikte Sondergerichte eingeführt worden, die in der chaotischen Übergangszeit die Ordnung hatten sichern helfen sollen. Gegen ihre Urteile konnten keine Rechtsmittel eingelegt werden. Sie waren mit zwei Berufsrichtern und drei Laienrichtern besetzt, die im Einvernehmen mit den Militärbehörden ernannt wurden. Neben den militärischen Standgerichten dienten die Volksgerichte jetzt der Aburteilung der Räteaktivist*innen. Sie führten bis Februar 1920 Prozesse gegen über 5.000 Menschen durch. 65 Personen wurden zu Zuchthausstrafen, 1.737 zu Gefängnisstrafen und 407 Aktivist*innen zu Festungshaft verurteilt (Beyer, S. 151). Ungeachtet nationaler und internationaler Proteste verurteilte ein Standgericht Eugen Leviné, den wichtigsten Anführer der kommunistischen Räterepublik, am 4.6.1919 zum Tode, obwohl ihm keine Verantwortung für die Erschießungen im Luitpold-Gymnasium nachgewiesen werden konnte. Tags darauf wurde er in Stadelheim hingerichtet.
Straftäter*innen, die politische Motive verfolgten, wie etwa der Eisner-Mörder Arco und später auch Adolf Hitler, genossen in der Weimarer Republik häufig die Privilegien der „Festungshaft“, die als eine Art „Ehrenhaft“ galt. Solche Bedingungen fanden die verurteilten Räteaktivist*innen nicht vor; sie wurden oft wie gewöhnliche Kriminelle behandelt. Die Haftbedingungen in der Strafanstalt Niederschönenfeld wie überhaupt das Verhalten der bayerischen Justiz waren immer wieder Gegenstand von Beschwerden der Betroffenen, darunter in erster Linie kommunistische, sozialdemokratische und liberale Politiker*innen und Journalist*innen.
Der hartnäckigste Justizkritiker, der aus München stammende Pazifist und Mathematik-Professor Emil J. Gumbel, gab zuerst 1921, dann 1922 in erweiterter Fassung eine Schrift heraus, in der er akribisch die Zahl der Morde und die darauffolgenden polizeilichen Maßnahmen bzw. ihre gerichtliche Sühne recherchiert hatte. Die bei weitem nicht vollständige Aufstellung war erschütternd: 354 politische Morde von rechts; Gesamtsühne 90 Jahre, 2 Monate Einsperrung, 730 M Geldstrafe und 1 lebenslängliche Haft – gegen 22 Morde von links; Gesamtsühne: 10 Erschießungen, 248 Jahre, 9 Monate Einsperrung, 3 lebenslängliche Zuchthausstrafen. Gumbels Untersuchungen wurden auf Betreiben des zeitweiligen republikanischen Reichsjustizministers Gustav Radbruch geprüft und im Wesentlichen bestätigt. Radbruchs Nachfolger verhinderte aber ihre geplante Veröffentlichung.