Zwangsarbeit im Nationalsozialismus war ein Massen- und ein öffentliches Phänomen. Die Präsenz von zehntausenden ausländischen Männern, Frauen und Kindern aus allen Teilen Europas gehörte seit 1940 auch in München zum Kriegsalltag und war unübersehbarer Bestandteil der städtischen Lebenswirklichkeit. „Europa arbeitet in Deutschland“ war der Titel einer verlogenen Propagandaschrift, mit der das NS-Regime diesen sogenannten Ausländereinsatz idealisierte. Die Realität sah anders aus: In den westeuropäischen Besatzungsgebieten dominierten Formen der bürokratischen Rekrutierung im Rahmen von Dienstverpflichtungen. Durch Behinderungen der heimischen Wirtschaft und die damit verbundene strukturelle Arbeitslosigkeit wurden zusätzliche „Anreize“ geschaffen, nach Deutschland zu gehen. Freiwillig verließ kaum jemand seine Heimat, um in der Fremde für den Feind zu arbeiten. In Osteuropa, insbesondere in Polen und der Sowjetunion, kam es bei der Anwerbung zu offener Gewalt: Razzien und Zwangsrekrutierungen waren hier an der Tagesordnung. Im Zuge dieser Maßnahmen wurden häufig ganze Dorfbevölkerungen in das Deutsche Reich verschleppt. Der Terror der Aushebungen und die Brutalität der Maßnahmen führten zu einem drastischen Rückgang der Rekrutierungszahlen. Verzweifelt versuchten die Menschen meist vergeblich, sich dem Zugriff der deutschen Arbeitsbehörden, die immer öfter mit Polizei- und SS-Formationen kooperierten, zu entziehen.
Westeuropäische Arbeitskräfte erhielten in der Regel Arbeitsverträge mit Vereinbarungen über Arbeitsbedingungen, Arbeitsentgelte und Arbeitszeiten einschließlich Urlaubsregelungen und Heimatfahrten. In der Praxis wurden diese Absprachen jedoch oft nicht eingehalten. Auch für die „Ostarbeiter*innen“ existierten arbeitsvertragliche Regeln, und es gab Vorgaben zur Entlohnung. Arbeitskräfte aus den besetzten sowjetischen Gebieten konnten jedoch nur mit einem Bruchteil der Löhne rechnen, die an andere ausländische oder deutsche Beschäftigte bezahlt wurden. Von den spärlichen Arbeitsentgelten wurde ein Großteil zudem zwangsweise durch ein staatlich verordnetes „Ostarbeiter-Sparen“ einbehalten.
Die weit überwiegende Mehrzahl der nach Deutschland verschleppten ausländischen Männer, Frauen und Kinder galt den NS-Ideologen als „fremdrassig“. Ihnen wurde ein Platz am unteren Ende der sozialen Hierarchie zugewiesen. Sie waren für schwerste und gesundheitsschädliche Tätigkeiten vorgesehen und unterlagen scharfen Kontroll- und Disziplinarmaßnahmen seitens der Gestapo, der Polizei und betrieblichem Werkschutz. „Ostarbeiter*innen“ und Pol*innen wurden bei Verstößen gegen die nationalsozialistischen Rechtsnormen nicht der Justiz überstellt, sondern konnten unmittelbar von der Gestapo und dem Reichssicherheitshauptamt (RSHA) bestraft werden. Dem entwürdigenden Arbeitsalltag konnte man sich nur durch gefahrvolle Flucht entziehen. Dies gilt auch für die zahllosen Kriegsgefangenen-Arbeitskommandos und Häftlingskommandos aus dem nahegelegenen Konzentrationslager Dachau. Die Gesamtzahl der in der „Hauptstadt der Bewegung“ eingesetzten Zwangsarbeiter lässt sich nicht präzise benennen, denn die amtlichen Statistiken liefern nur Momentaufnahmen. Im September 1944 standen im Großraum München weit mehr als 120.000 ausländische Zivilarbeiter*innen, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge im Arbeitseinsatz. Kaum ein Betrieb, dessen Belegschaft nicht in nennenswertem Umfang aus ausländischen Arbeitskräften bestand, kaum ein Stadtviertel, in dem nicht Barackenlager und Ausländerunterkünfte das Straßenbild prägten, oft versehen mit Stacheldraht und Wachmannschaften. Ein dichtes Netz von etwa 400 Ausländer*innenlagern und -quartieren unterschiedlichster Bauart und Größe überzog das gesamte Münchner Stadtgebiet. Hinter den Lagerzäunen formierte sich eine Parallelwelt mit eigenen Hierarchien und Milieus. Die Zwangsgemeinschaften der ausländischen Arbeitskräfte waren nicht nur von tätiger Solidarität, sondern auch von interner Unterdrückung und Gewalt geprägt. Hier fand die menschenfeindliche Repression des NS-Staates ihre Fortsetzung. Meist waren Frauen die Hauptleidtragenden von lagerinterner Gewalt.
Tatsache ist, dass ohne die Arbeitskraft dieser Menschen nicht nur die gesamte industrielle Zivil- und Rüstungsproduktion in München zum Stillstand gekommen, sondern auch die örtliche Infrastruktur und zahlreiche städtische Versorgungseinrichtungen zusammengebrochen wären. Reichsbahn, Reichspost und kommunale Betriebe gehörten ebenfalls zu den großen „Bedarfsträgern“ ausländischer Arbeitskräfte. Nur durch den Einsatz der Zwangsarbeiter*innen konnten sie ihren Betrieb während der Kriegsjahre aufrecht erhalten. Auch im Handwerk, in der Bauwirtschaft, im Handel und in der Gastronomie wurden „Fremdarbeiter*innen“ eingesetzt. Die Brauwirtschaft, das Münchner Vorzeigegewerbe, konnte nur durch die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte weiter produzieren. Selbst im Kulturbereich, etwa bei Filmproduktionen und an der Staatsoper, kamen „fremdvölkische Arbeitskräfte“ und Kriegsgefangene als Statisten oder Bühnenarbeiter zum Einsatz. Hauptnutznießer von Zwangsarbeit waren jedoch die vielen mittleren und großen Industriebetriebe, die München zu einem Zentrum der deutschen Rüstungswirtschaft machten. Allein die Bayerischen Motoren Werke (BMW) beschäftigten als größter privatwirtschaftlicher Arbeitgeber in den beiden Werken Milbertshofen und Allach Tausende ausländische Arbeitskräfte.
Die Münchner Gewerbe- und Industriebetriebe bemühten sich bei den zuständigen Behörden nachdrücklich um die Zuweisung von „Fremdarbeiter*innen“. Für die Unternehmen war der Einsatz dieser Arbeitskräfte in vielerlei Hinsicht attraktiv. Arbeitsumfeld, Arbeitsanforderungen und Unterbringungsstandards konnten, anders als bei deutschen Arbeitskräften, weitgehend nach eigenen, meist kostengünstigen Vorgaben gestaltet werden. Rücksichten, wie sie das NS-Regime aus guten Gründen für deutsche Arbeitnehmer*innen forderte, waren bei den rechtlosen ausländischen Arbeitskräften nicht erforderlich. Auch von Sozialleistungen und betrieblichen Privilegien, die deutschen Arbeitskräften zustanden, waren die meisten Ausländer*innen ausgeschlossen. Insbesondere die Arbeitskraft von KZ-Häftlingen wurde von vielen Münchner Unternehmen rücksichtslos ausgebeutet, wie die Beispiele der rüstungsrelevanten Firmen BMW oder Leonhard Moll zeigen. Aber nicht nur die „Bedarfsträger“ der Wirtschaft und die öffentliche Hand, wie etwa die Reichsbahn, profitierten von der billigen Arbeitsleistung der gleichermaßen abschätzig und beschönigend als „Fremdarbeiter*innen“ bezeichneten Menschen. Zwangsarbeit kam allen Münchner*innen zugute. Um deutsche Hausfrauen zu entlasten, wurde seit Oktober 1942 der Einsatz von „Ostarbeiterinnen“ in privaten Haushalten gestattet. In den Familien, meist von höherrangigen NS-Funktionären und Beamten, wurden Russinnen und Ukrainerinnen als Dienstmädchen, Putzfrauen und Küchenhilfen eingesetzt. Oft gehörte zu den Aufgaben der meist sehr jungen Frauen auch die Betreuung der Kinder. Die gesamte Stadtgesellschaft war Nutznießer des lebensgefährlichen Einsatzes von KZ-Häftlingen, die nach Luftangriffen unter enormen Gefahren Bomben entschärften, Blindgänger sicherten und Trümmer beseitigten.