Das im 19. Jahrhundert entstandene klassizistische Ensemble des Münchner Königsplatzes wurde im Nationalsozialismus durchgreifend umgestaltet. Der Königsplatz wurde ab 1933 zu einem zentralen Ort des Parteikults und der Machtdarstellung der Nationalsozialisten.
‚Isar-Athen‘: Die Entstehung des Königsplatzes im 19. Jahrhundert
Der Platz geht auf den bayerischen Kronprinzen und späteren König Ludwig I. zurück. Er schuf einen Ort, um die Kultur der klassischen Antike zu feiern und seine Herrschaft mit dem Glanz dieser Epoche zu verbinden. Unter seiner Regentschaft wurde München zum ‚Isar-Athen‘. Von 1816 bis 1862 wurden an der Nord-, Süd- und Westseite des Platzes zwei Museen und ein Torbau im Stil antiker griechischer Tempel erbaut: die Glyptothek, die Antikensammlungen sowie die Propyläen. Die Antikensammlungen entwarf der Architekt Georg Friedrich Ziebland, der sie auf die zuvor von Leo von Klenze errichtete Glyptothek abstimmte. Als letzter Baustein des Ensembles wurden 1862 die ebenfalls von Leo von Klenze entworfenen Propyläen vollendet. Der rechteckige Platz wurde durch symmetrisch angeordnete Grünflächen gegliedert. Durch seine Mitte verläuft die Brienner Straße. Angelegt als Münchens erste Prachtstraße reichte sie von der Königsresidenz im Stadtzentrum bis zum Schloss Nymphenburg.
Umgestaltung und Nutzung in der NS-Zeit
Schon immer diente der Königsplatz als Ort öffentlicher Veranstaltungen und politischer Versammlungen. Im Zuge des schnellen Wachstums der Stadt und der politischen Veränderungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts kamen wiederholt Vorschläge auf, den Platz umzugestalten. Aber erst die Nationalsozialisten sollten seinen Charakter und seine Bedeutung durchgreifend verändern. 1930 erwarb die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) mit Unterstützung aus dem Münchner Großbürgertum das Palais Barlow in der Brienner Straße. Das zur Parteizentrale umgebaute ‚Braune Haus‘ in unmittelbarer Nähe des prächtigen Münchner Königsplatzes machte den Aufstieg der Partei sichtbar, die wenige Jahre zuvor noch unbedeutend und zeitweise verboten gewesen war.
Kurz nach seiner Ernennung zum Reichskanzler beauftragte Adolf Hitler 1933 seinen bevorzugten Architekten Paul Ludwig Troost mit der Neugestaltung des Platzes und der Errichtung neuer Parteigebäude an dessen Ostseite. Hitler demonstrierte mit seinem ersten monumentalen Bauprojekt von München aus die Macht und den Gestaltungswillen des neuen Regimes. Noch bevor die Bauarbeiten richtig begonnen hatten, verbrannten nationalsozialistische und andere rechtsextreme Student*innen auf dem Königsplatz als ‚undeutsch‘ diffamierte Bücher und Schriften. Sie folgten damit den 1933 reichsweit stattfindenden Bücherverbrennungen.
Machtsymbol und Kultstätte
Nach und nach eignete sich die Partei weitere, an das ‚Braune Haus‘ angrenzende Grundstücke entlang der Arcisstraße an. Unter den Vorbesitzern befand sich auch das jüdische Ehepaar Alfred und Hedwig Pringsheim, die Schwiegereltern von Thomas Mann. Die Nationalsozialisten zwangen sie 1933 zum Verkauf ihres Hauses. Auch ihre Kunstsammlung wurde zwangsversteigert. Nur unter großen Schwierigkeiten gelang den Eheleuten die Ausreise in die Schweiz. Im Verlauf des Jahres 1933 wurden alte Gebäude abgerissen und die Bäume im Osten des Platzes gefällt. Bis 1935 wurde nördlich der Brienner Straße der ‚Führerbau‘ und südlich der ‚Verwaltungsbau der NSDAP‘ in symmetrischer Form errichtet. Die repräsentativen, neoklassizistischen Parteigebäude wurden flankiert von zwei ‚Ehrentempeln‘. Dort wurden Sarkophage für die 1923 beim Hitler-Putsch erschossenen Männer eingelassen. Uniformierte Ehrenwachen und brennende Feuerschalen unterstrichen die kultische Inszenierung rund um diese von den Nationalsozialisten zu ‚Märtyrer der Bewegung‘ stilisierten Männer.
Der Königsplatz selbst wurde 1935 zu einem Aufmarschplatz umfunktioniert. Die Grünflächen mussten Granitplatten weichen und der Platz wurde für den Straßenverkehr gesperrt. Zwei 33 Meter hohe, mit Adlern und Parteisymbolen versehene Fahnenmasten markierten ihn weithin sichtbar als Mittelpunkt des neuen Parteiviertels. Der ursprünglich den Künsten gewidmete Ort diente fortan als Kulisse für Aufmärsche, Propagandaveranstaltungen und die pseudoreligiöse Inszenierung des nationalsozialistischen Totenkults, der alljährlich am 9. November – dem Jahrestag des Hitler-Putsches – zelebriert wurde.
Die Zeit nach 1945
Im Mai 1945 marschierte die US-Armee in München ein und beendete die nationalsozialistische Herrschaft. Nach der Besetzung nutzte die amerikanische Militärregierung die Parteibauten für ihre Zwecke. Sie ließ die beiden ‚Ehrentempel‘ sprengen und entfernte die Hoheitszeichen an den Gebäuden auf dem Platz. Der ehemalige Verwaltungsbau der NSDAP diente als Central Art Collecting Point für die von den Nationalsozialisten geraubten Kunstgegenstände. Im ehemaligen ‚Führerbau‘ wurde 1948 im Zuge der sogenannten Reeducation das Amerika-Haus eingerichtet – mit Bibliothek, Bildungs- und Kulturangebot.
Die beiden Sockel der ehemaligen ‚Ehrentempel‘ wurden später begrünt. Auch der Königsplatz bekam an seiner Ostseite wieder eine Bepflanzung. Der Platz selbst wurde wieder für den Verkehr freigegeben und jahrelang als Parkplatz genutzt, mitunter aber auch für Veranstaltungen wie beispielsweise für Truppenvereidigungen der Bundeswehr. 1987/88 ließ die Stadtverwaltung die Granitplatten entfernen und Rasenflächen anlegen. Damit wurden die Spuren der NS-Zeit getilgt und der Platz annähernd in seinen Ursprungszustand versetzt. Über die nationalsozialistische Vergangenheit war im wahrsten Sinne des Wortes Gras gewachsen.
Der Königsplatz als Erinnerungsort
Erst in den 1990er-Jahren rückte die belastete Vergangenheit des Areals wieder ins Blickfeld der Öffentlichkeit. 1995 wurde im Lichthof des ehemaligen ‚Verwaltungsbaus‘ die vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte erarbeitete Ausstellung ‚Bürokratie und Kult‘ gezeigt. Sie setzte sich intensiv mit der Geschichte des ehemaligen Parteizentrums rund um den Königsplatz auseinander. Damals wurde auch eine zunächst provisorische Schautafel an der Kreuzung Brienner Straße und Arcisstraße aufgestellt, um im öffentlichen Raum über die Nutzung während der NS-Zeit aufzuklären.
Mit der Eröffnung des NS-Dokumentationszentrums neben dem ehemaligen ‚Führerbau‘ hat die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus 2015 schließlich einen festen Ort erhalten. Auf dem Königsplatz selbst erinnert heute ein vor den Staatlichen Antikensammlungen in den Boden eingelassenes Mahnmal an die Bücherverbrennung vom Mai 1933. Außerdem erinnert der Künstler Wolfram Kastner bereits seit 1995 fast jährlich, jeweils am 10. Mai, mit einer Kunstaktion auf dem Königsplatz an die verbrannten Bücher und deren Autor*innen.