© NS-Dokumentationszentrum München

Nie wieder. Schon wieder. Immer noch. Rechtsextremismus in Deutschland seit 1945 Ausstellung

29. Nov. 2017 bis 2. April 2018

Über die Ausstellung

Die Morde der Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund und die Anschläge auf Asylunterkünfte und Geflüchtete haben die Themen Rechtsextremismus und rechtsextreme Gewalt verstärkt ins öffentliche Bewusstsein gebracht. Rechtspopulistische Parteien schüren Fremdenfeindlichkeit, vermeintliche ‚Patrioten‘ treten zur ‚Rettung des Abendlandes‘ an und tragen zur Verrohung von Sprache und Denken bei.

Die Ausstellung griff diese Entwicklungen auf und verortete sie in Geschichte und Gesellschaft. Sie dokumentierte rechtspopulistische, rechtsradikale und rechts extremistische Akteure, Organisationen und Parteien von der unmittelbaren Nachkriegszeit bis in die Gegenwart. Anhand exemplarischer Dokumente, zumeist aus München und Bayern, wurden Aktivitäten bis hin zu Gewalttaten des rechten Spektrums aufgezeigt. Ein eigener Teil der Ausstellung war der rechtsextremen Ideologie gewidmet. Er klärte auf über die demokratie- und menschenfeindlichen Elemente dieser Weltanschauung – wie etwa Rassismus, Sozialdarwinismus und Nationalchauvinismus. Die Exponate verdeutlichten, mit welchen Strategien und Methoden dieses Gedankengut verbreitet wird und in wieweit es für die Mitte der Gesellschaft anschlussfähig ist. Auch die – oft mangelhafte – demokratische Gegenwehr gegen die Umtriebe der extremen Rechten wurdr behandelt.

Die Ausstellung ist in Kooperation mit der Fachstelle für Demokratie der Landeshauptstadt München und der Antifaschistischen Informations-, Dokumentations- und Archivstelle Mün­chen e. V. (a.i.d.a.) entstanden.

Akteur*innen, Organisationen und Netzwerke der extremen Rechten

Im gängigen Sprachgebrauch werden unter dem Begriff ‚Rechtsextremismus‘ alle rechts des etablierten Parteiensystems angesiedelten Organisationen, Akteur*innen und Strömungen verstanden. Sicherheitsbehörden stufen Parteien, Vereinigungen und Gruppierungen als rechtsextremistisch ein, wenn sich deren Handlungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten. Die Entwicklung der rechtsextremen Bewegung im Laufe der vergangenen sieben Jahrzehnte ist geprägt von einem steten Kommen und Gehen unterschiedlicher Akteur*innen, Strömungen, Organisationen und Netzwerke. Was sich jedoch wie ein roter Faden durch die Jahrzehnte hindurchzieht, das sind die Ideologie, die Rhetorik und die Gewalt der extremen Rechten.

Bereits wenige Monate nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes schlossen sich unbelehrbare Nationalsozialist*innen zu neuen Aktionsgemeinschaften zusammen, gründeten Parteien, Verlage und Gruppen, um im Ungeist des Nationalsozialismus fortzuwirken. Heute existieren neben der NPD die rechtsextremen Kleinparteien Die Rechte und Der Dritte Weg. Rechtsextremistische Tendenzen weist auch die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) auf. Bezeichnend ist, dass seit der Frühzeit der Bundesrepublik zwar immer wieder Verbote gegen rechtsextreme Organisationen ausgesprochen wurden, das gesamtgesellschaftliche Problem da­durch aber nicht eingedämmt geschweige denn beseitigt werden konnte.

Protestmarsch von NPD und ihrer Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) gegen die Ausstellung Verbrechen der Wehrmacht im Münchner Rathaus, 1. März 1997. Die Demonstration war eine der größten rechtsextremistischen Kundgebungen in Deutschland. | © Stadtarchiv München, Foto: Erich Weichelt

Chronologie der Gewalt

Die Chronologie des Rechtsextremismus nach 1945 ist zu­gleich eine Chronologie der verbalen und physischen Gewalt: Die Kette der gewaltsamen Anschlä­ge und Angriffe auf Jüdinnen*Juden, Asylbewerber*innen oder andere Minderheiten und Gruppen reißt bis heute nicht ab. Die Präsentation des NS-Dokumentationszentrums belegte die erschreckende Vielzahl und Verbreitung dieser Vorfälle an­hand bekannter und weniger bekannter Beispiele aus den vergangenen sieben Jahr­zehnten: Gewaltaktionen und sonstige Delikte, darunter Beleidigungen und Verunglimpfungen, Drohungen, Brand- und Sprengstoffanschläge auf jüdische Einrichtungen, Asylunterkünf­te, US-Kasernen, Parteibüros, Gedenkstätten, Angriffe auf Migrant*innen, trans*Menschen, Obdachlose und viele mehr.

Die ersten als terroristisch einzustufenden Gewaltakte wurden in den 1970er Jahren verübt und erreichten Anfang der 1980er Jahre ein bis dahin ungekanntes Ausmaß. Der Bombenanschlag auf das Münchner Oktoberfest vom 26. September 1980 mit 13 Toten und über 211 zum Teil schwer Verletzten war der blutigste Terrorakt seit Gründung der Bundesrepublik. Die Gewalt von Rechts wuchs nach der deutschen Wiedervereinigung weiter an. In den 1990er Jahren gab es wiederkehrende pogromartige Ausschreitungen und Brandanschläge: Hoyerswerda 1991, Rostock-Lichtenhagen 1992, Mölln 1992 und Solingen 1993. Die Namen dieser Orte wurden über die Grenzen Deutschlands hinaus zu Synonymen eines entfesselten Fremdenhasses.

Die Zahl rechtsextremistischer Gewalttaten stieg um das Jahr 2000 erneut dras­tisch an. Zwar reagierten öffentliche Stellen mit Programmen zur Extremismusprävention und zur Stärkung der Demokratie. Dennoch konnte die Terrorgruppe Nationalsozialistischer Unter­grund (NSU) bis 2007 unentdeckt zehn Menschen töten. Mit dem Zunehmen der Flüchtlingsströme verstärkte sich das fremdenfeindliche Klima noch mehr, dies drückt sich in einem seitdem eklatanten Anstieg rassistisch mo­tivierter Gewalt aus: Allein für das Jahr 2016 nennt das Bundesinnenministerium in einem vorläufigen Bericht 3.500 Angriffe auf Flüchtlinge und deren Unterkünfte.

Die gesellschaftlichen und politischen Gefahren, die vom Rechtsextremismus ausgehen, wurden lange Zeit unterschätzt. Sicherheitsbehörden, Justiz und Politik vermuteten jahrzehntelang hinter rechtsextremen Taten stets nur Einzeltäter*innen und trugen damit nicht zu einer Aufklärung der Verbrechen der Taten bei.

Mahnmal für die Opfer des Oktoberfestattentats an der Theresienwiese vom 26. Spet. 1980, Aufnahme 2014 | © Michael Nagy / Presseamt München

Ideologie der Ungleichheit

Den Kern der rechtsextremistischen Ideologie bildet die Vorstellung, dass manche Menschen und Völker mehr wert sind, als andere. Dieser Gedanke steht im krassen Widerspruch zu den Grund- und Menschenrechten, die von der Gleichheit aller Menschen ausgehen. Um dieses Zentrum der Ideologie sind unterschiedliche, vielfach nicht scharf gegeneinander abgrenzbare Elemente gruppiert, aus denen sich die Weltanschauung von Rechtsextremisten zusammensetzt. Zehn Begriffe und Themen, die immer wieder aufeinander bezogen sind, wurden in der Ausstellung behandelt. Die Ausstellung verdeutlichte dabei, dass das rechtsextreme Gesinnungsgemisch Kontinuitäten aufweist, die sich in vielerlei Hinsicht auf die NS-Ideologie zurückführen lassen.

Zentrale Elemente wie beispielsweise aggressiver völkischer Nationalismus, Antisemitismus, Rassismus und Sozialdarwinismus waren und sind typisch für das rechtsextreme Denken, sei es im ‚Dritten Reich‘, in der Neonazi-Szene der 1970er und 1980er Jahre oder bei der heutigen ‚Neuen Rechten‘. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg setzte der bis heute virulente Geschichtsrevisionismus und die Ablehnung und Dif­famierung der Erinnerungskultur als ‚Schuldkult‘ ein. Als neuere Spielart des rechten Menschen­hasses befasst sich die Ausstellung mit der Islamfeindlichkeit.

Untersuchungen zufolge verfügten 2016 etwa fünf Prozent der Deutschen über ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild. Aktuelle Studien belegen, dass einzelne Bestandteile dieses Weltbilds jedoch keineswegs auf die rechtsextreme Szene beschränkt sind, sondern in fast allen gesellschaftlichen Schichten und vielen politischen Lagern zu finden sind, wie zum Beispiel die Angst vor ‚Überfremdung‘ oder rassistische Vorurteile und Stereotype.

Daraus ergibt sich eine Anschlussfähig­keit für völkisch-rassistisches Gedankengut in der Mitte der Gesellschaft, die von rechtsextremen Parteien und Organisationen propagandistisch genutzt wird. Sie verbreiten ihre men­schenfeindliche Ideologie auf Kundgebungen und Demonstrationen, mit Plakaten, Flug­blättern, Aufklebern und Graffiti, in letzter Zeit auch massiv im Internet, über die sozialen Netz­werke sowie eigene pseudojournalistische Blogs. Die Ausstellung zeigte hierzu eine Fülle aktueller Beispiele aus München und Bayern, die zu einem großen Teil aus der Sammlung der Antifaschistischen Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München e. V. stammen.

Rassistischer Mordaufruf „Tötet alle Moslems und Nigger“ in der Münchner Rachelstraße, Jan. 2017 | © Robert Andreasch

Blick in die Ausstellung

© NS-Dokumentationszentrum München, Foto: Connolly Weber Photography

© NS-Dokumentationszentrum München, Foto: Connolly Weber Photography

© NS-Dokumentationszentrum München, Foto: Connolly Weber Photography

Katalog zur Ausstellung

Der Katalog dokumentiert die gesamte Ausstellung und ergänzt diese um dreizehn Fachbeiträge, die sich dem Themenfeld Rechtsextremismus aus unterschiedlichen Perspektiven nähern. Unter den Autor*innen sind neben Historiker*innen und Politikwissenschaftler*innen auch Pädagogen, Juriste*innen und Journalist*innen sowie Fachleute aus Betroffenenverbänden und Ausstiegsorganisationen vertreten.

ISBN: 978-3-9460-4118-4 | Preis: 20,00 Euro

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