Alter Israelitischer Friedhof

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Verfasst von Edith Raim

Friedhof an der Thalkirchner Straße, 1816 - 1907

Jüdinnen*Juden waren im Herzogtum Bayern im Mittelalter und der Frühen Neuzeit immer wieder Verfolgungen ausgesetzt gewesen und aus dem Territorium der Wittelsbacher vertrieben worden. Die bayerischen Jüdinnen*Juden lebten daher fast ausschließlich in Gebieten außerhalb des vormaligen bayerischen Kurfürstentums, nämlich in Franken, Schwaben und der Pfalz. Erst im 18. Jahrhundert entstand auch in München eine kleine jüdische Gemeinde, deren Angehörige vor allem Dienste für den Wittelsbacher Hof leisteten. Diskriminierungen blieben an der Tagesordnung, da die Stadt München weder Geburten jüdischer Kinder innerhalb ihrer Stadtgrenzen noch Begräbnisse tolerierte, so dass Münchner Jüdinnen*Juden für Geburten und Beerdigungen nach Augsburg-Kriegshaber gehen mussten.

Erst seit Ende des 18. Jahrhunderts durften Jüdinnen auch in München entbinden, ab 1816 konnten mit der Anlage eines jüdischen Friedhofs auch die Toten in München beerdigt werden. Jüdische Friedhöfe sind jeweils als „Haus der Ewigkeit“ angelegt, eine Wiederverwendung von aufgegebenen Grabstätten ist aus Respekt vor der Totenruhe nicht möglich. Die wachsende Gemeinde erweiterte immer wieder, zuletzt im Jahr 1881, den Friedhof in der Thalkirchner Straße, der ca. 5.500 aus dem 19. und 20. Jahrhundert datierende Grabsteine umfasst. 1882 entstand eine neue Friedhofshalle, nachdem das alte „Reinigungshaus“ zu klein geworden war. 1904 musste die Gemeinde auf einen neuen Friedhof ausweichen, lediglich Beerdigungen in bereits existierenden Familiengräbern konnten noch stattfinden. Einige jüdische Opfer der Gewalttaten im KZ Dachau fanden in den Jahren 1933 bis 1940 dort ihre letzte Ruhe. 1942 beendete die Gestapo auch die weitere Belegung von Familiengräbern, das Friedhofsgelände fiel der „Arisierung“ zum Opfer.

Ein einschlägiger Kaufvertrag wurde zwar wieder aufgehoben, doch die nationalsozialistische Metallsammlung hatte bereits die eisernen Grabumfassungen entfernt. Teile des Friedhofs wurden von einer Gärtnerei genutzt. Die scheinbar unbenutzten Flächen des Friedhofs sind ebenfalls Begräbnisstätten, doch die Grabmale fehlen. Während des Zweiten Weltkriegs zerstörten Bomben Teile des Friedhofs, außerdem veranlassten die Nationalsozialisten die Entfernungen von Grabsteinen.

Die Inschriften der Grabsteine und Grabmale sind hebräisch und deutsch, teils auch gemischt. Bedeutungsvoll sind die Tierdarstellungen, die zur Illustration der Namen männlicher Verstorbener dienen, z.B. Hirsch oder Bär. In der Bibel werden bestimmte Namen mit bestimmten Tieren assoziiert, was auf den Segen Jakobs (Genesis 49) zurückzuführen ist, in dem einige Stämme Israels mit Tieren konnotiert sind, z.B. Jehuda mit Löwe oder Naftali mit Hirsch. So hat der auf dem Friedhof beerdigte Michael Beer (der Bruder von Giacomo Meyerbeer) einen von Leo von Klenze entworfenen Sarkophag, der mit Darstellungen von Bären verziert ist. Der Friedhof besteht bis heute, ist aber öffentlich nicht zugänglich. Geführte Besichtigungen sind möglich.

Quellen

Betten, Lioba / Multhaup, Thomas: Die Münchner Friedhöfe. Wegweiser zu Orten der Erinnerung, München 2019, S. 20–23.
Brocke, Michael/Müller, Christiane E.: Haus des Lebens. Jüdische Friedhöfe in Deutschland, Leipzig 2001.
Heusler, Andreas: Israelitischer Friedhof, in: Nerdinger, Winfried (Hg.): Ort und Erinnerung. Nationalsozialismus in München, Salzburg u.a. 2006, S. 150.
Selig, Wolfram (Hg.): Synagogen und jüdische Friedhöfe in München, München 1988.
Werner, Constanze: KZ-Friedhöfe und Gedenkstätten in Bayern. „Wenn das neue Geschlecht erkennt, was das alte verschuldet …“, Regensburg 2011.
Alemannia judaica. Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum. URL: <http://www.alemannia-judaica.de/bayern_friedhoefe.html> (zuletzt aufgerufen am 07.11.2023).



Empfohlene Zitierweise

Edith Raim: Alter Israelitischer Friedhof (publiziert am 07.11.2023), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/lexikon/artikel/alter-israelitischer-friedhof-18