Martin Pötzinger (25.7.1904 München – 16.6.1988 New York) und Gertrud Pötzinger (1.1.1912 Hirschberg/Schlesien – 25.1.2003 Selters/Ts.)

Biografien
Verfasst von Christoph Wilker

Verfolgte Zeugen Jehovas

Martin und Gertrud Pötzinger, 1935 | Archiv der Zeugen Jehovas, Selters/Taunus

Der orthopädische Schuhmacher Martin Pötzinger trat 1926 aus der katholischen Kirche aus und ließ sich 1928 als Bibelforscher taufen. Ab 1933 wirkte er als Missionar in Osteuropa, wo er Gertrud Mende kennenlernte, die sich 1927 hatte taufen lassen. Die beiden heirateten 1936 und lebten in München. Noch im selben Jahr organisierte Martin Pötzinger in der Stadt die Verbreitung der „Luzerner Resolution“ der Zeugen Jehovas gegen die Verfolgung ihrer Glaubensgemeinschaft in Deutschland. Bei der Verteilung dieser Flugblätter wurde er verhaftet, seine Frau zwei Tage darauf. Gertrud Pötzinger wurde für haftunfähig erklärt, weil sie sich während der Verhöre übergeben musste. Sie wurde jedoch später in Dresden wieder festgenommen. Das Sondergericht München verurteilte Martin Pötzinger am 29. April 1937 zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis. Am Ende der Haft lehnte er es ab, dem NS-Regime die Treue zu schwören. Deshalb kam er ins KZ Dachau, wo mit unbeschreiblicher Brutalität versucht wurde, seinen Glauben zu brechen. 1939 wurde er in das KZ Mauthausen überstellt und wieder gefoltert. Erst 1945 nach dem Ende der NS-Herrschaft sah er seine Frau wieder, die ebenfalls jahrelang in Gefängnis und KZ gelitten hatte. Sie war 1937 vom Sondergericht Breslau zu drei Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt und nach Strafverbüßung im KZ Ravensbrück inhaftiert worden.
Nach 1945 spielte Martin Pötzinger eine zentrale Rolle in der Reorganisation der Glaubensgemeinschaft in Bayern. In den 1970er-Jahren zog das Ehepaar nach New York, wo Martin Pötzinger in das weltweite Leitungsorgan der Zeugen Jehovas berufen worden war. Nach dem Tod ihres Mannes 1988 kehrte Gertrud Pötzinger zurück nach Deutschland und trat bei zahlreichen Veranstaltungen als Zeitzeugin auf.

Quellen

Staatsarchiv München StAnW 8551/2, Vorführungsnote Polizeipräsidium München vom 12.12.1936 und Urteil des Sondergerichts vom 29.4.1937.
Nerdinger, Winfried: „Ort und Erinnerung“ – Nationalsozialismus in München, Salzburg-München 2006.
Klein, Erhard: Jehovas Zeugen im KZ Dachau. Geschichtliche Hintergründe und Erlebnisberichte, Bielefeld 2001.
Garbe, Detlef: „Erst verhasst, dann geschätzt. Zeugen Jehovas als Häftlinge im KZ Dachau“, in Benz, Wolfgang/Königseder, Angelika (Hrsg.): „Das Konzentrationslager Dachau“. Geschichte und Wirkung nationalsozialistischer Repression, Berlin 2008.

Empfohlene Zitierweise

Christoph Wilker: Pötzinger, Martin und Gertrud (publiziert am 23.10.2023), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/lexikon/artikel/poetzinger-martin-und-gertrud-656