Fassade eines dreistöckigen Hauses mit Hakenkreuzfahne auf dem Dach.

Das ‚Braune Haus‘, 1934 | © Stadtarchiv München

Vom ‚Braunen Haus‘ zum nsdoku

München war wie keine andere Stadt mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus verbunden. In der Brienner Straße befand sich seit 1931 bis zur Zerstörung 1945 die Parteizentrale der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), das ‚Braune Haus’. An diesem historischen Ort wurde siebzig Jahre später das NS-Dokumentationszentrum München errichtet.

Ein klassizistisches Stadtpalais in bester Lage

Die Brienner Straße hatte bereits im 18. Jahrhundert die Residenz mit dem Sommerschloss in Nymphenburg verbunden. Zur Zeit Maximilians I. Joseph wurde sie zur Hauptachse des neu gegründeten Villen- und Gartenviertels Maxvorstadt. An der Stelle des heutigen NS-Dokumentationszentrums München wurde im Jahr 1828 ein klassizistisches Palais errichtet. Der Architekt und Bauherr Johann Baptist Métivier, der in der Nachbarschaft bereits einige Auftragsarbeiten umgesetzt hatte, hoffte mit dem Eigenbau in idealer Lage vom Bauboom in dieser Gegend zu profitieren.

Das Anwesen wurde zunächst vermietet und wechselte später mehrfach die Besitzer*innen. Unter den Mieter*innen, Eigentümer*innen und Bewohner*innen befanden in den folgenden Jahrzehnten so unterschiedliche Persönlichkeiten wie der Adelige Karl Ludwig Freiherr von Lotzbeck und dessen junger Hauslehrer und spätere Protagonist der Revolution von 1848 Karl Hagen; der italienische Diplomat Fabio Pallavicini, eine zentrale Stimme der Lola- und Ludwig-Gegner*innen, oder schließlich der geschäftstüchtige königliche Hoffotograf Joseph Albert.

An der rechten Seite einer langen Straße steht ein dreistöckiges Gebäude.

Das Palais Barlow zwischen Karolinenplatz und Königsplatz, 1874 | © Stadtarchiv München

1876 wurde das 28-Zimmer Anwesen schließlich vom englischen Großindustriellen Richard Barlow gekauft, der zwei Jahre zuvor gemeinsam mit seiner Familie aus St. Petersburg nach München gezogen war. Nach seinem Tod im Jahr 1882 ging das Palais zunächst in das Eigentum seiner Witwe Marie über. Anders als ihr verstorbener Mann nahm sie aktiv am Stadtleben teil und wurde zu einer der wichtigsten Münchner Wohltäterinnen. Nach ihrem Tod wurde der jüngste Sohn Willy Barlow Eigentümer. Er bewohnte das Anwesen mit seiner Familie jedoch nur kurz.
 

Das ‚Braune Haus‘ am Königsplatz: Parteizentrale der NSDAP

Seine Witwe Elisabeth veräußerte das Palais Barlow schließlich am 26. Mai 1930 für 805.864 Goldmark an die nationalsozialistische Partei. Die Finanzierung erfolgte mittels Spenden, einer Sonderabgabe von mindestens zwei Reichsmark für jedes Parteimitglied, Eintrittsgeldern aus Parteiveranstaltungen sowie Darlehen der Großindustriellen Friedrich Flick und Fritz Thyssen.

Bereits kurz nach dem Kauf begann ein aufwändiger Umbau nach den Plänen des Architekten Paul Ludwig Troost. 1931 zog die Partei aus einem Hinterhaus in der Schellingstraße in das Gebäude und richtete hier ihre Zentrale ein. Die vornehme Lage entsprach dem gesteigerten repräsentativen Anspruch der Nationalsozialist*innen. Die demokratische Presse verspottete die neue Parteizentrale als „Palais Größenwahn“ und „Nazi-Bonzen-Palast“.

In dem Palais richtete sich die ‚NSDAP-Reichsleitung‘ ein. Hier befanden sich unter anderem die Arbeitszimmer Adolf Hitlers und seines Privatsekretärs Rudolf Heß, die ‚Oberste SA-Führung‘ um Ernst Röhm, die ‚Reichsführung SS‘ und die ‚Reichspressestelle‘ der NSDAP. Eine ‚Fahnenhalle‘ und ein ‚Standartensaal‘ dienten dem Parteikult. Am Eingang des Gebäudes, über dem der Schriftzug „Deutschland erwache“ hing, waren Tag und Nacht SA-Posten positioniert. Aufgrund der Funktion und der braunen Uniformträger bürgerte sich bald der Name ‚Braunes Haus’ ein.

Ein Zimmer mit einem großen Schreibtisch, einer Sitzecke vor einem Kamin und mehreren Gemälden an der Wand.

Arbeitszimmer Hitlers im ‚Braunen Haus‘, 1938 | © Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo

Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 wurden im Keller des ‚Braunen Hauses‘ politische Gegner*innen gefangen gehalten und gefoltert. In seiner Nachbarschaft entstand ein weitläufiges Parteiviertel mit Verwaltungsgebäuden, Zentralbehörden und Nebenstellen der Partei. 1937 übernahm der neu errichtete ‚Führerbau‘ an der Arcisstraße die Funktion der Machtzentrale. Der wachsende Verwaltungsapparat der Partei wurde nach und nach in die Gebäude der Umgebung verlegt. Aber das ‚Braune Haus‘ blieb ein wichtiger Ort der nationalsozialistischen Propaganda.

In einer langen Halle stehen links und rechts Tische, an denen Mitarbeiter*innen Karteikarten sortieren.

Die zentrale Mitgliederkartei wurde zunächst in der Kartothek des ‚Braunen Hauses‘ verwaltet, 1931 | © Bayerische Staatsbibliothek / Bildarchiv

Nach 1945: Auseinandersetzung am historischen Ort

Das ‚Braune Haus‘ wurde im Januar 1945 bei einem Bombenangriff fast vollständig zerstört. Seine Überreste wurden 1947 abgetragen. Die beiden Parteibauten, der ehemalige ‚Führerbau‘ und der ‚Verwaltungsbau‘, blieben zwar unzerstört, erhielten aber bald eine kulturelle Umnutzung. Die Bedeutung des Gebiets rund um Brienner Straße und den Königsplatz als einstiges repräsentatives Verwaltungszentrum der nationalsozialistischen Partei geriet damit weitgehend in Vergessenheit. Schon 1946 wurde das Rondell zwischen Brienner Straße und Maximiliansplatz zum Platz der Opfer des Nationalsozialismus und damit zum zentralen Erinnerungsort an die NS-Zeit in München bestimmt.

Stimmen aus der Münchner Stadtgesellschaft forderten immer wieder einen offenen und kritischen Umgang mit der NS-Geschichte. Vor allem in den 1990er Jahren riefen Künstler*innen und andere engagierte Vertreter*innen der Zivilgesellschaft die historische Bedeutung des Ortes mit temporären Aktionen in Erinnerung.

Zerbombte Fassadenreste eines Hauses. Davor liegt Schutt.

Ruine des ‚Braunen Hauses‘, 1945 | © Süddeutsche Zeitung Photo

Gründung des nsdoku

2001/02 beschloss die Landeshauptstadt München am Standort der ehemaligen Parteizentrale der NSDAP einen Lern- und Erinnerungsort zu schaffen, um Münchens zentrale Rolle im Nationalsozialismus sichtbar zu machen und zu dokumentieren. Der Bund, der Freistaat Bayern und die Landeshauptstadt München einigten sich darauf, die Projektkosten für den neuen Erinnerungsort zu teilen. Der Stadtrat sagte die städtische Trägerschaft und die Übernahme der laufenden Betriebskosten zu. 2011 wurde mit dem Bau begonnen. Im Jahr 2012 wurde Professor Dr.-Ing. Winfried Nerdinger zum Gründungsdirektor ernannt.

Mit der Eröffnung des NS-Dokumentationszentrums München im Mai 2015 hat der historische Ort eine neue Bestimmung erhalten: Als offenes Haus der Information und Diskussion erinnert es an die Verbrechen der nationalsozialistischen Diktatur und setzt sich mit ihren Ursachen, Ausprägungen und Folgen bis in die Gegenwart auseinander. Seit 2018 wird das Haus von der Historikerin Dr. Mirjam Zadoff geleitet.

Aus der Erde ragen Mauerreste, die den Grundriss eines Hauses erkennen lassen.

Überreste des ‚Braunen Hauses‘, 2006 | © Süddeutsche Zeitung Photo