Bamberger & Hertz (heute Hirmer)

Organizations
Verfasst von Uwe Balder/Anna Pauli

1876 gegründetes Unternehmen für Herrenmode

Werbeplakat der Firma Bamberger & Hertz Stuttgart zu Ostern 1935 mit antisemitischem Aufkleber: "Deutscher! So macht der Jude mit deinem Osterfest Geschäft, darum kaufe nichts beim Juden!" | Hirmer Unternehmensarchiv, 2013/02/0004-3.0183

Nachdem Jacob Bamberger 1876 einen Herren- und Knabenmodeladen in Worms eröffnet hatte, bauten seine vier Söhne das Geschäft „Bamberger & Hertz“ (B&H) zu einem reichsweit bekannten Textileinzelhändler auf. Die Häuser in Frankfurt (1904), Stuttgart (1910), Leipzig (1911), Saarbrücken (1912), München (1914) und Köln (1928) erwirtschafteten bis 1933 rund 12 Mio. Reichsmark Jahresumsatz. Damit gehörte B&H zu den führenden deutschen Herrenmodefirmen. Zum Erfolg trugen auch die innovativen und künstlerisch hochwertigen Werbemaßnahmen bei, die sowohl bei Kund*innen als auch in der Fachpresse große Anerkennung fanden. Die April-Boykotte 1933 überstand B&H weitgehend unbeschadet. Allerdings drang am Abend des 18.5.1935 ein Mob in das Geschäft in der Kaufingerstraße ein, schlug Einkaufende und drohte: „In 5 Minuten muss der Laden zu sein, sonst gibt’s Kleinholz“ (Hirmer Unternehmensarchiv, 2013/02/0012-1, S. 258). Nachdem der leitende Angestellte Hans Hirmer einschritt, verließen die Angreifer das Geschäft. Für die jüdische Unternehmerfamilie Bamberger war dieser Angriff ein unerwarteter Schock. Die Umsätze brachen bis 1938 durch derlei antisemitische Übergriffe sowie durch Anfeindungen des Publikums, der Lieferanten und auch der eigenen Belegschaft um 50 % ein. Die Repressalien machten sich auch im Werbewesen bemerkbar, als Behörden und Verlage ab 1935 begannen, Plakate und Inserate von B&H zu verbieten. Wo B&H noch werben konnte, wurden Plakate oft mit antisemitischen Parolen überklebt. Damit war B&H seiner zentralen Werbemittel beraubt und konnte diesen Verlust an Öffentlichkeit auch nicht durch erlaubte Werbeformen (Kinoreklame) ausgleichen. In der Folgezeit gingen alle Häuser zwangsweise durch Verkauf oder Zerstörung verloren. Für München gelang im November 1938 eine Übernahme durch von Fritz Bamberger ausgewählte Vertraute. Dieser vereinbarte mit Hans Hirmer in einem Gentlemen's Agreement die Geschäftsübergabe und die jederzeitige Rückkehr Bambergers. Den vereinbarten Kaufpreis, der unter dem Geschäftswert lag, drückten die Behörden. Hirmer erwarb das Geschäft zu 45% des echten Wertes und eröffnete Hirmer & Co am 5.11.1938. Der Familie Fritz Bamberger gelang die Flucht aus Deutschland. Nach Kriegsende stieg Bamberger absprachegemäß als Teilhaber in das Unternehmen Hirmer & Co. ein. Die folgenden Differenzen über die Geschäftsstrategie – der zwölf Jahre ältere Bamberger wollte Gewinne ausschütten, Hirmer diese dagegen investieren – konnten erst im Herbst 1951 mit einem Vergleich beigelegt werden, nachdem Bamberger aus dem Unternehmen ausgeschieden und abgefunden worden war. Die Familien Hirmer und Bamberger sind bis heute freundschaftlich verbunden.

Quellen

Hirmer Unternehmensarchiv München, 2013/02/0012-1, S. 258.
Hirmer Unternehmensarchiv München, 2013/02/0004-1, S. 54ff.
Selig, Wolfram: "Arisierung" in München. Die Vernichtung jüdischer Existenz 1937-1939, Berlin 2004.

Empfohlene Zitierweise

Uwe Balder/Anna Pauli: Bamberger & Hertz (publiziert am 12.01.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/bamberger-hertz-55