Eleonore Baur, ‚Schwester Pia‘ (7.9.1885 Kirchdorf / Rosenheim – 18.5.1981 München)

Biographies
Verfasst von Sabine Schalm

Mitglied der Sterneckergruppe, ‚Fürsorgeschwester‘ im KZ-Dachau und Mitbegründerin der NS-Schwesternschaft

Eleonore Baur (1885-1981), Aufnahme von 1933 | Scherl/SZ Photo, 00021943

Eleonore Mayer wurde in der Nähe von Rosenheim geboren und wuchs, seit 1890 in München, in ärmlichen Verhältnissen auf. Sie verließ bereits als 14-Jährige Schule und Elternhaus und hielt sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser. 1904 brachte sie einen Sohn zur Welt. Ohne entsprechende Berufsqualifikation pflegte sie seit 1907 als ‚Schwester Pia‘ Bedürftige. Im selben Jahr ging sie eine ‚Versorgungsehe‘ mit dem Maschineningenieur Ludwig Baur ein, die 1913 geschieden wurde.

Aktiv auf Seiten des rechtsextremen deutsch-völkischen Freikorps Oberland nahm sie in München an der Bekämpfung der Revolution 1918/19 und 1921/22 über die bayerischen Landesgrenzen hinaus an diversen Straßenkämpfen, Saalschlachten und Aufständen teil. Wegen gewalttätigen Auseinandersetzungen und antisemitischen Äußerungen zwischen 1920 und 1923 wurde sie siebenmal verhaftet und in 17 Fällen verurteilt. 1920 lernte sie Adolf Hitler kennen, der sie zu einer politischen Versammlung ins Sterneckerbräu einlud. Hier stieß sie zur Keimzelle der DAP und gehörte zu den ersten hundert Parteimitgliedern. 1923 nahm sie am Hitler-Putsch teil und half bei der Versorgung verletzter Putschisten. Für dieses Engagement wurde sie als einzige Frau mit dem Blutorden ausgezeichnet.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten setzten sich die Parteifreunde der NSDAP für Eleonore Baur ein. Sie war Mitbegründerin der NS-Schwesternschaft, der sie seit 1937 als Ehrenoberin vorstand. 1934 wurde sie als ‚Fürsorgeschwester‘ im Konzentrationslager Dachau angestellt. Sie hatte als einzige Frau uneingeschränkten Zugang zum KZ Dachau. Dort wurde sie Zeugin der verbrecherischen medizinischen Versuche an Häftlingen und brutaler Misshandlungen. Für private Bau- und Gartenarbeiten verfügte sie über ein eigens dafür eingerichtetes KZ-Außenkommando.

Am 5.5.1945 wurde Eleonore Baur erstmals kurzzeitig verhaftet und in den folgenden Jahren in verschiedenen Arbeits- und Krankenlagern interniert. 1949 in ihrem Entnazifizierungsverfahren als Hauptschuldige eingestuft, wurde ihr Vermögen eingezogen. Sie verlor ihre Pensionsansprüche und wurde zu zehn Jahren Arbeitslager verurteilt. Doch schon 1950 wurde Baur vorzeitig entlassen und kehrte nach Oberhaching zurück.

Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wurden 1950 mangels Beweisen eingestellt. Ihr Entschädigungsantrag bei der Amtlichen Fürsorgestelle für Kriegsbeschädigte und -überlebende des Landratsamtes München wurde 1958 positiv beschieden und Eleonore Baur eine Rente gewährt. Bis zu ihrem Tod 1981 blieb sie in Oberhaching ihrer rechten Gesinnung treu und pflegte enge Kontakte zu rechten Netzwerken wie der ‚Kameradschaft Freikorps und Bund Oberland‘ und der ‚Stillen Hilfe‘.

Quellen

Andre, Daniela: Eleonore Baur - „Blutschwester Pia“ oder „Engel von Dachau“, in: Krauss, Marita (Hg.): Rechte Karrieren in München von der Weimarer Zeit bis in die Nachkriegszeit, München 2012, S. 166-185.
Cichos, Petra: Originale Ermittlungsakte Blutorden-Schwester Pia. Buch-Dokumentation mittels Entnazifizierungsakte und Akten zum Spruchkammerverfahren aus dem Staatsarchiv München, München 2020.
Schalm, Sabine: Schwester Pia, Karriere einer Straßenbahnbekanntschaft, in: Schubert-Lehnhard, Viola (Hg.): Frauen als Täterinnen im Nationalsozialismus, Bd. 2, Protokollband der Fachtagung vom 16.-17.9.2005 in Bernburg, Gerbstedt 2006, S. 52-67.
Schalm, Sabine: Überleben durch Arbeit? Außenkommandos und Außenlager des KZ Dachau 1933-1945, Berlin 2012.

Empfohlene Zitierweise

Sabine Schalm: Baur, Eleonore (publiziert am 13.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/baur-eleonore-67