Befreiung des KZ Dachau

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Verfasst von Andreas Heusler

Beim Eintreffen der US-Army befanden sich viele Häftlinge auf Evakuierungsmärschen. Das Lager war im Auflösung begriffen.

Jubelnde KZ-Häftlinge nach der Befreiung des KZ Dachau, 1945 | SZ Photo, 00011851

Um die Mittagszeit des 29.4.1945 erreichten Einheiten der 42. und 45. Infanteriedivision  der US-Army das Konzentrationslager Dachau. In dem Lager trafen die GIs auf etwa 32.000 Häftlinge, von denen sich viele in einer miserablen körperlichen und psychischen Verfassung befanden. Die Zustände im Lager waren schon seit Monaten katastrophal. Dauernde Überbelegung, Versorgungsprobleme, schreckliche hygienische Zustände und tödliche Epidemien hatten zu einer enormen Häftlingssterblichkeit geführt.

An diesem Ort, der seit Frühjahr 1933 als Synonym für Verfolgung und Terror, für Entrechtung und Mord stand, hatten etwa 41.500 Menschen ihr Leben verloren. Über die Jahre hatte sich von Dachau ausgehend ein dichtes Netz von etwa 140 Außenkommandos und Außenlagern entwickelt, die meisten davon im Raum Oberbayern und Schwaben. Auch die bei Kriegsende noch bestehenden Dachauer Lager-Satelliten wurden Ende April 1945 befreit.

Bereits am Abend des 26.4.1945 waren mehr etwa 6.900 Häftlinge aus dem Konzentrationslager Dachau „evakuiert“ worden, um sie dem Zugriff der vorrückenden Amerikaner zu entziehen. Entlang der Würm wurde die Kolonne ausgemergelter Menschen in Richtung Süden getrieben. Der nächtliche Todesmarsch führte durch Pasing und weiter durch die Würmtalgemeinden bis Leutstetten, wo am Morgen des 27.4. eine erste Rast eingelegt wurde. Hier traf der Zug auf etwa 2.000 Häftlinge, die ebenfalls am Vortag aus dem Außenlager Allach „evakuiert“ worden waren. Am Abend des 27.4. wurde der Marsch der inzwischen auf schätzungsweise 10.000 Häftlinge angewachsenen Kolonne entlang der Ostseite des Starnberger Sees in Richtung Loisachtal fortgesetzt. Wer unterwegs geschwächt zusammenbrach oder einen Fluchtversuch riskierte, wurde von den SS-Wachmannschaften erbarmungslos niedergeschossen oder erschlagen. Andere starben an Misshandlungen, Erschöpfung oder durch Krankheit.

Von Augenzeugen sind erschütternde Berichte über die Verfassung der Häftlinge überliefert. Nach der Erinnerung des Degerndorfer Pfarrers lagen die Häftlinge „auf dem bloßen Boden, bei grimmiger Kälte, ganz erschöpft, dem Verhungern nahe. [...] Am Leibe trugen sie eine blau-weiß gestreifte, wie Hemdenstoff dünne Hose ohne Unterwäsche, eine ebensolche Jacke, [...] alles meist nur in Fetzen. Statt der Socken schmutzige Lumpen um die Füße gebunden, statt der Schuhe plumpe Holzpantoffel“ (Pfister, S. 1434). Wie viele Opfer der „Dachauer Todesmarsch“ gefordert hat, ist bis heute ungeklärt. Erst am 30.4. bzw. Anfang Mai 1945 wurden die Überlebenden bei Beuerberg und in der Nähe von Waakirchen von amerikanischen Soldaten befreit.
Als die Amerikaner Dachau erreichten, befand sich das Lager im Zustand der Auflösung; Chaos breitete sich aus. Die bislang zuständigen Wachmannschaften der SS-Totenkopf-Einheit hatten sich rechtzeitig abgesetzt und Ersatzeinheiten unter dem Kommando eines 23-jährigen Untersturmführers mit der Lagerbewachung betraut. Am 27.4. war ein Zug mit mehr als 4.000 Häftlingen aus dem KZ Buchenwald in Dachau eingetroffen, der annähernd drei Wochen unterwegs gewesen war. Die knapp 40 Waggons waren gefüllt mit Leichen der an Hunger, Durst und fehlender medizinischer Versorgung verstorbenen Menschen.

In den Tagen und Stunden vor dem Eintreffen der Amerikaner war die Atmosphäre im Lager spannungsgeladen. Angesichts der für viele wahrnehmbaren, aber dennoch diffusen und höchst bedrohlichen Situation verbreitete sich unter den Häftlingen Angst, Unsicherheit und Nervosität. Ein Häftlingskomittee bemühte sich, die Ruhe unter den aufgewühlten Menschen zu bewahren. Ein Mitarbeiter des Roten Kreuzes (Victor Maurer), der sich seit einiger Zeit im Lager aufhielt, vermittelte bei der SS und versuchte, eine unblutige Übergabe des Lagers an die Amerikaner zu erreichen. Ein Teil der SS-Wachmannschaften verließ noch am 28.4. das Lager. Die acht Wachtürme blieben jedoch besetzt. Fluchtversuche von Häftlingen sollten verhindert werden. Es wurden nicht nur Gewalttaten und Plünderungen von Häftlingen befürchtet; die Dachauer Zivilbevölkerung sollte auch vor der Verbreitung von Fleckfieber, das im Lager grassierte, geschützt werden.

Der Tag der Befreiung war ein Sonntag. Gegen Mittag erreichten Soldaten des 3. Bataillons der 45. Infanterie-Division der 7. US-Armee unter dem Kommando von Colonel Felix Sparks sowie Soldaten der 42. Infanterie-Division das Lager. Die wenigen SS-Männer, unter ihnen auch neu eingezogene junge Leute, leisteten kaum Widerstand und ergaben sich. Angesichts des Zustandes der Häftlinge tief erschüttert und auch unter dem Eindruck des kurz zuvor entdeckten Buchenwalder Todeszug, ließen sich einige GIs zu einer Vergeltungsaktion gegenüber den SS-Uniformierten hinreißen. Im Kohlenhof des Lagers kam es zu einem spontanen Massaker, dem nach letzten Schätzungen 39 Männer zum Opfer fielen. Auch befreite Häftlinge übten Vergeltung an ihren Peinigern.

Die Begeisterung der befreiten Menschen und die Dankbarkeit gegenüber den amerikanischen Soldaten war unbeschreiblich. Die US Army sorgte nach Kräften für medizinische Notmaßnahmen und die Versorgung der vielfach lebensbedrohlich geschwächten Männer.

Quellen

Hübl, Hans: Nie werde ich vergessen … Dokumentation über den KZ-Transport Buchenwald-Nammering-Dachau vom 7. April bis 28. April 1945, Tittling 1994.
Peter Pfister (Hg.), Das Ende des Zweiten Weltkriegs im Erzbistum München und Freising, Bd. 2, Regensburg 2005.
Zámečník, Stanislav: Das war Dachau, Frankfurt am Main 2007.
Zarusky, Jürgen: „That is not the American Way of Fighting“, in: Dachauer Hefte, 13, 1997 – Gericht und Gerechtigkeit, S. 27–55.

Empfohlene Zitierweise

Andreas Heusler: Befreiung des KZ Dachaus (publiziert am 24.01.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/befreiung-des-kz-dachaus-84