Bernheimer

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Verfasst von Katja Klee

Münchner Textilhandelsfamilie

Einrichtungs- und Kunsthaus Bernheimer, Lenbachplatz 3; eingeschlagene Schaufenster, 10.11.1938 | Stadtarchiv München, NS-00094

Die aus Buttenhausen in Württemberg stammende jüdische Textilhandelsfamilie Bernheimer war seit 1856 mit einem Verkaufsstand („Bude von Bernheimer“) auf der jährlichen Dult am Münchner Maximiliansplatz vertreten. 1864 siedelte Lehmann Bernheimer nach München über. Er heiratete die vermögende Fanny Haimann, aus der Ehe gingen die fünf Kinder Isidor, Emma, Max, Ernst und Otto hervor.

Der Handel mit Seidenstoffen, Schals und Schnittwaren florierte, so dass Bernheimer bald ein Geschäft in bester Lage in der Kaufingerstraße 17 erwerben konnte. Er spezialisierte sich zunehmend auf den Handel mit Möbelstoffen, Teppichen und Kunstobjekten aus Italien, Frankreich, Großbritannien und dem Orient und traf damit den Zeitgeschmack. Zum Kundenkreis zählten hochrangige Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland. 1882 wurde Lehmann Bernheimer von Ludwig II. zum königlich bayerischen Hoflieferanten ernannt. Von 1887 bis 1889 ließ er von Friedrich von Thiersch ein prächtiges Palais am Lenbachplatz erbauen. Lehmann Bernheimer starb 1918.

Von den Umsatzeinbußen in den 1920er-Jahren infolge von Inflation und Weltwirtschaftskrise erholte sich die Firma rasch und expandierte unter der Führung der drei Söhne sogar noch in den Anfangsjahren der NS-Diktatur. Bei Bernheimer kauften vermögende Industrielle aus ganz Europa, Adelige und auch NS-Größen wie Hermann Göring, der 1936 einige Teppiche im Münchner Geschäft persönlich aussuchte.

Mitte der 1930er-Jahre brach der Umsatz jedoch deutlich ein. Das Münchner Gewerbeamt nahm die L. Bernheimer K.G. im Frühjahr 1938 in das Verzeichnis der jüdischen Gewerbetreibenden auf. Während des Pogroms vom 9./10.11.1938 wurde das Geschäftshaus demoliert und Familieneigentum aus den Privatwohnungen geraubt, den Seniorchef Otto und seine beiden Söhne Paul und Ludwig verbrachte die Gestapo ins KZ Dachau. HJ-Angehörige um den Obergebietsführer des HJ-Gebietes Hochland, Emil Klein, pressten der Familie zudem im Rahmen der sogenannten Sühnegeld-Aktion mehrere zehntausend Reichsmark ab.

Zwar kamen die Bernheimers bald wieder aus dem KZ frei, sie durften ihr Geschäft aber nicht mehr betreten. Die Stadt hatte bereits die ‚Arisierung‘ eingeleitet, die wie bei allen jüdischen Geschäften eine Schließung bis zum 31.12.1938 vorsah. Görings Versuch, über das Reichswirtschaftsministerium Einfluss auf das Verfahren zu nehmen, wurde von Gauleiter Adolf Wagner abgewehrt. Wagner schaltete sogar Hitler ein, um „die spekulative Ausschlachtung des Geschäfts […], das für München von großer Bedeutung ist“ (Wagner zit. nach Selig, S. 616) zu unterbinden und die Immobilie in das Eigentum der ‚Münchner Kunsthandelsgesellschaft – Kameradschaft der Künstler München e.V.‘, deren Präsident Adolf Wagner war, zu bringen. Der Übernahmevertrag wurde im November 1939 geschlossen und trat rückwirkend zum 31.12.1938 in Kraft.

Die Bernheimers hatten Deutschland zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen. Einen Großteil des ‚Verkaufserlöses‘ verschlang der erzwungene Kauf einer Hazienda in Venezuela, die einer Tante von Göring gehörte, sowie die damit verbundene Aufnahme und Versorgung einer jüdischen Verwandten Görings. Mit dem restlichen Vermögen mussten Vermögensabgaben und die ‚Reichsfluchtsteuer‘ abgegolten werden. Das Palais Bernheimer am Lenbachplatz wurde 1943/44 mehrmals von Bomben getroffen.

Nach 1945 kehrte Otto Bernheimer wieder nach München zurück und baute das Geschäft nach der Rückerstattung des Haus- und Grundbesitzes wieder auf. 1989 wurde das Geschäft am Lenbachplatz geschlossen.

Quellen

Bernheimer, Otto: Erinnerungen eines alten Münchners, München 1956.
Heusler, Andreas/Weger, Tobias: „Kristallnacht“. Gewalt gegen die Münchner Juden im November 1938, München 1998.
Selig, Wolfram: „Arisierung“ in München. Die Vernichtung jüdischer Existenz 1937-1939, Berlin 2004.

Empfohlene Zitierweise

Katja Klee: Bernheimer (publiziert am 12.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/bernheimer-88