Irmgard Burger (22.4.1898 Berlin – 7.12.1944 Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar)

Biographies
Verfasst von Sibylle von Tiedemann

Opfer der NS-“Euthanasie“

Irmgard Burger (1898-1944) | Privatbesitz

Irmgard Burger wurde 1898 in Berlin in eine wohlhabende Arztfamilie geboren. Ab ihrem fünften Lebensjahr wuchs sie am Bodensee auf, wo ihr Vater praktizierte. In ihrer Kindheit betreuten sie verschiedene Kindermädchen, und einige Jahre verbrachte sie in einem englischen Internat. Mit 18 Jahren heiratete sie in München einen Gymnasiallehrer und bekam zwei Töchter. Bald plagten sie immer diffusere Verfolgungsideen, so dass sie zu Hause nicht mehr bleiben konnte. Das erste Mal kam sie daher 1922 für ein Jahr in die Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar. Nach der Entlassung 1923 folgten noch im selben Jahr zwei weitere kurzzeitige Aufnahmen, ansonsten wurde sie zu Hause gepflegt. Dort malte sie viel und sprach oft vor sich hin. Über ihr Zuhause sagte sie einem behandelnden Arzt: „Ja, mein Heim habe ich immer geliebt“ (BAObb, EH, Patientenakten Nr. 6478). Der sich sorgende Ehemann schrieb an den Arzt: „Wie ich Ihnen schon vor acht Tagen telephonisch mitteilte, war das Befinden meiner Frau während des Jahres, da ich sie wieder zu Hause hatte, über Erwarten gut“ (ebd.).

Ihr Ehemann starb 1933. Die beiden Töchter kamen daraufhin in ein Internat bzw. ein Studentenwohnheim und Irmgard Burger in die Familie der ehemaligen Haushälterin. Die Betreuungssituation verschlechterte sich drastisch nach der dritten Bombardierung des Wohnhauses. Irmgard Burger wurde daher am 14.8.1943 in die psychiatrische Abteilung des Krankenhauses Schwabing aufgenommen und von dort in die Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar verlegt. Ihr Vater schrieb am 1.1.1944 an den behandelnden Arzt: „Als exogener Factor [ihrer Erkrankung] ist allerdings anzuführen, daß sich meine Tochter sehr ängstigte, als ihr Mann im Weltkrieg – in der Heimat – eingezogen war. Dazu kamen die späteren Aufregungen der Münchner Rätezeit“ (ebd.). Der Vater brachte den Ärztekollegen, die seine Tochter behandelten, vollstes Vertrauen entgegen und bedankte sich ausdrücklich für „Ihr liebendes Interesse“.

Über den einjährigen Klinikaufenthalt in Eglfing-Haar ist bis auf die kontinuierliche Gewichtsabnahme wenig dokumentiert. Irmgard Burger starb im Dezember 1944 an den Folgen von Vernachlässigung und Nahrungsentzug. Zuletzt wog sie bei einer Körpergröße von 1,60 m nur noch 30,5 kg. Ihre jüngere Tochter wandte sich kurz nach Kriegsende an den Interimsdirektor Anton von Braunmühl, um nach der Todesursache zu fragen. Der Arzt antwortete mit einer Lüge: „Was wollen Sie mit Ihrer Mutter, sie war doch krank und ist an einer Lebersache gestorben.“ Auf einer Gedenk- und Informationsveranstaltung für die Münchner „Euthanasie“-Opfer im Januar 2015 erfuhr die Tochter die Wahrheit.

Gewichtsliste von Irmgard Burger | Archiv des Bezirks Oberbayern, Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar, Patientenakten Nr. 6478.

Quellen

Archiv des Bezirks Oberbayern, Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar, Patientenakten Nr. 6478.
Gespräch mit der Tochter Irmgard Burgers am 4.2.2015.

Empfohlene Zitierweise

Sibylle von Tiedemann: Burger, Irmgard (publiziert am 18.12.2023), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/burger-irmgard-117