Hermann Ehrhardt (29.11.1881 Diersburg / Baden – 27.9.1971 Brunn am Walde / Niederösterreich)

Biographies
Verfasst von Sabine Schalm

Marineoffizier, Freikorpsführer, Gründer der „Organisation Consul“

Fahndung nach Hermann Ehrhardt (1881-1971), Steckbrief des Oberreichsanwalts vom 14.7.1923 | Privatbesitz

Der Sohn eines evangelischen Pfarrers trat nach dem Gymnasium 1899 in die kaiserliche Marine ein. Bis 1917 zum Korvettenkapitän befördert, kehrte Ehrhardt nach dem Ersten Weltkrieg nach Wilhelmshaven zurück. Dort war er Ende Januar 1919 als Kommandeur der Regierungstruppen an der Niederschlagung der Räterepublik beteiligt. Schnell wuchs die ihm unterstehende 2. Marinebrigade, alsbald Brigade Ehrhardt genannt, zu einer schlagkräftigen Truppe gegen kommunistische Aufstände. Im April/Mai 1919 nahm die nationalistische und republikfeindliche Truppe an der Niederschlagung der Räterepublik in München teil.

1920 zählte Ehrhardt zu den Verantwortlichen des Kapp-Putsches in Berlin. Nach dessen Scheitern floh Ehrhardt nach München. Hier gründete er mit seinem Stab unter Protektion von Münchens Polizeipräsident Ernst Pöhner im Herbst 1920 die terroristische Untergrundorganisation „Organisation Consul“, deren Ziel die gewaltsame Zerstörung der Republik war. Sie trug die Verantwortung für die Ermordung der Reichsminister Matthias Erzberger (1921) und Walther Rathenau (1922), möglicherweise auch bereits für den Mord an dem bayerischen Landtagsabgeordneten Karl Gareis (1921).

Ehrhardt pflegte auch Kontakt zu Ernst Röhm und zur frühen Hitlerbewegung. Er stellte 1921 für den Aufbau der SA Ausbilder aus seinem Stab ab. Im November 1922 wurde Ehrhardt wegen seiner Beteiligung am Kapp-Putsch verhaftet, doch gelang ihm im Juli 1923 die Flucht. Im September 1923 kehrte er nach München zurück.

Während des Hitler-Putsches schlug sich Ehrhardt auf die Seite Gustav von Kahrs, der sich von Adolf Hitler distanzierte. Damit galt er unter Nationalsozialisten als Verräter. Von 1924 bis 1926 tauchte Hermann Ehrhardt in Österreich unter und verlor seinen politischen Einfluss. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten stellte er sich zwar demonstrativ auf die Seite der neuen Machthaber, konnte aber den Makel des früheren Gegners nicht ablegen. Im Zuge der „Röhm-Affäre“ 1934 wurde Ehrhardt bedroht und floh ins Ausland. Seit 1936 lebte er zurückgezogen in Österreich und trat militärisch wie politisch nicht mehr in Erscheinung. 1948 nahm er die österreichische Staatsangehörigkeit an.

Quellen

Graml, Hermann/Benz , Wolfgang (Hg.), Biographisches Lexikon zur Weimarer Republik, München 1988.
Hermann Ehrhardt, in: Lebendiges Museum Online. URL: https://www.dhm.de/lemo/biografie/hermann-ehrhardt (zuletzt aufgerufen am 14.8.2023).
Longerich, Peter: Die braunen Bataillone, Geschichte der SA, München 1989.
Sabrow, Martin: Organisation Consul (O.C.), 1920-1922, in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44323 (zuletzt aufgerufen am 14.8.2023).
Thoß, Bruno: Brigade Ehrhardt, 1919/20, in: Historisches Lexikon Bayerns. URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44457 (zuletzt aufgerufen am
14.8.2023).
Wette, Wilhelm: Die Wehrmacht – Feindbilder, Vernichtungskrieg, Legenden, Frankfurt am Main 2002.


Empfohlene Zitierweise

Sabine Schalm: Ehrhardt, Hermann (publiziert am 31.10.2023), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel?tx_nsdlexikon_pi3%5Baction%5D=show&tx_nsdlexikon_pi3%5Bcontroller%5D=Entry&tx_nsdlexikon_pi3%5Bentry%5D=175&cHash=b460750e470f1e49197fcec26c5c6df5