Freiheitsaktion Bayern (FAB): Programm und Ziele

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Verfasst von Veronika Diem

Widerstandsaktion am Ende des Zweiten Weltkriegs in München und Südbayern

10-Punkte-Programm der Freiheitsaktion Bayern, 28.4.1945 | SZ Photo, 01111825

Aufbau und Entstehung
Die Freiheitsaktion Bayern (FAB) bestand im Kern aus fünf Gruppen mit insgesamt zwölf Personen, darunter Alois Braun, Rupprecht Gerngross, Leo Heuwing und Ottheinrich Leiling. Diese stammten überwiegend aus dem militärischen Dolmetscherwesen und hatten sich in München, Freising und Moosburg für eine Aktion gegen den NS-Staat zusammengetan. Bereits seit März 1945 hatten sich einige der führenden Köpfe mit militärischen und zivilen NS-Gegnern in Verbindung gesetzt, bevor sie im Rahmen der FAB aktiv wurden. Es wurden sogar Kontakte zum US-Geheimdienst in der Schweiz geknüpft.

Ziele
Die Ziele der Freiheitsaktion Bayern schließen an die bereits 1943 durch den Münchner Sperr-Kreis entwickelten Pläne an, einer kleineren christlich-monarchistisch geprägten Gruppe um den ehemaligen bayerischen Gesandten in Berlin: Unter der Leitung eines höherrangigen Militärs hatte der Kreis die Regierungsgewalt übernehmen wollen, um Bayern kampflos an die Alliierten zu übergeben. Sobald die alliierten Einheiten den Rhein erreicht hätten, hätte das Unternehmen starten sollen. Im Zuge der Festnahmen nach dem missglückten Attentat am 20.7.1944 waren jedoch zahlreiche Mitglieder des Sperr-Kreises verhaftet und zum Teil hingerichtet worden.

Name und Programm
Der Name ‚Freiheitsaktion Bayern‘ sollte sowohl das zentrale Ziel, nämlich die Freiheit, wie den regionalen Zuschnitt auf Bayern beinhalten. Die wesentliche Quelle für die politischen Ziele der FAB und die vorgesehenen praktischen Schritte nach einem gelungenen Aufstand ist ihr Zehn-Punkte-Programm. Es ist im Vorfeld des Aufstandes wahrscheinlich von Ottheinrich Leiling verfasst worden, der innerhalb der Dolmetscher-Kompanie im Wehrkreis VII maßgeblich den Aufstand vorbereitete. In dem Programm werden bemerkenswert pragmatische Hauptforderungen formuliert:
1. Ausrottung der Blutherrschaft des Nationalsozialismus
2. Beseitigung des Militarismus
3. Wiederherstellung des Friedens
4. Kampf der Anarchie
5. Sicherstellung der Ernährung
6. Wiederherstellung geordneter wirtschaftlicher Verhältnisse
7. Wiederaufbau des Rechtsstaates
8. Errichtung einer sozialen Ordnung. Der Staat übernimmt die Verpflichtung.
9. Wiedereinführung der Grundrechte
10. Wiederherstellung der Menschenwürde
Im Zentrum der geplanten Erneuerung sollen demnach stehen: vollständige Abkehr von Militarismus und Nationalsozialismus, Garantie der Grundrechte auf der Basis christlicher Werte und die Unantastbarkeit des Individuums.
Seitens der leitenden FAB-Aktivisten war geplant, einen zehnköpfigen Regierungsausschuss zu bilden, der bis zum Inkrafttreten einer durch freie und geheime Wahlen verabschiedeten Verfassung amtieren sollte. Die Bevölkerung wollte die Aktivisten mit Hilfe von Flugblättern, einer Zeitung und dem Rundfunk über ihre Ziele informieren und zum Mitmachen auffordern.

Umsetzung
Nach Verzögerungen kam es in der Nacht vom 27. auf den 28.4.1945 zum Aufstand, an dem rund 440 Soldaten beteiligt waren. Die Aktivitäten in und um München zielten darauf ab, leitende Militärs und den Gauleiter von München und Oberbayern Paul Giesler abzusetzen. Der Reichsstatthalter in Bayern Franz Xaver Ritter von Epp sollte dafür gewonnen werden, mit den alliierten Truppen, die bereits Teile der Donau und des Lechs überschritten hatten, einen Waffenstillstand auszuhandeln. Einem Teil der FAB gelang in den Morgenstunden des 28.4. die Besetzung der Rundfunksender in Freimann und Ismaning. Über den Ismaninger Großsender erreichten die Aufrufe, die ab sechs Uhr morgens gesendet wurden, eine Hörerschaft im Radius von mehr als 100 Kilometern. Neben dem Zehn-Punkte-Programm, das mehrmals verlesen wurde, forderten die FAB-Aktivisten die Hörer auf, sich zu beteiligen und gegen NS-Funktionäre vorzugehen. Auch gaben die Sprecher bekannt, dass die FAB die „Regierungsgewalt erstritten“ (Deutschlandspiegel, 29.4.1945) habe. Dies entsprach jedoch nicht den Tatsachen, da es entgegen der Planungen nicht gelungen war, leitende Militärs und den Gauleiter zu entmachten.

Folgeaktionen
Allerdings lassen sich 78 Aktionen ermitteln, mit denen insgesamt knapp 1000 Menschen vor allem im südbayerischen Raum auf diese Aufrufe reagierten. Hierbei handelte es sich zum Teil um Gruppen, die sich bereits im Vorfeld zusammengetan hatten, aber auch um ad hoc zusammengeschlossene Kreise. Sie versuchten in spontanen Reaktionen auf die Rundfunkaufrufe durch verschiedene Aktivitäten, die von der Festnahme von NS-Funktionären bis zur Beseitigung von Panzersperren reichten, eine militärische Verteidigung ihrer jeweiligen Heimatgemeinden zu verhindern: Die Vermeidung solcher Kämpfe und der drohenden Zerstörung war bei diesen Folgeaktionen das hauptsächliche Handlungsmotiv. Die Beteiligten nahmen in dieser direkten Konfrontation mit den Vertretern des NS-Regimes vor Ort ein hohes persönliches Risiko in Kauf. 57 Menschen starben in diesen Tagen: Zwar wurden in drei Fällen auch NS-Anhänger*innen von FAB-Aktivist*innen erschossen, aber 54 Menschen, die auf die Aufrufe der FAB reagiert hatten, wurden von Anhänger*innen des NS-Regimes getötet. So hatte schon während der Rundfunkaufrufe die Gauleitung mit Hilfe von Volkssturmeinheiten die Verfolgung vermeintlicher FAB-Anhänger*innen und Sympathisant*innen aufgenommen. Insgesamt 22 Menschen wurden in den Bunker des Zentralministeriums (heute Landwirtschaftsministerium) an der Ludwigstraße gebracht, wovon sieben im Hof des Gebäudes oder im Perlacher Forst getötet wurden.

Allein in der sogenannten ‚Penzberger Mordnacht‘ vom 28.4.1945 wurden nach Genehmigung von Gauleiter Paul Giesler durch ‚Werwolf‘-Mitglieder der ehemalige SPD-Bürgermeister Hans Rummer, der Zwangsarbeiter und Gefangene befreit und den nationalsozialistischen Bürgermeister abgesetzt hatte, und weitere 17 Personen erschossen bzw. gehängt.

Ihre Ziele konnten die Freiheitsaktion Bayern und diejenigen, die auf ihre Rundfunkaufrufe reagiert hatten, nicht durchsetzen. Aber mancherorts gelang eine kampflose Übergabe an die rasch vorrückenden alliierten Truppen, die den Süden Bayerns bis zur Kapitulation am 8.5.1945 besetzten. Der frühere Feilitzschplatz im Zentrum des Münchner Stadtteils Schwabing wurde 1946 nach der Freiheitsaktion Bayern in ‚Münchner Freiheit‘ umbenannt.

Empfohlene Zitierweise

Veronika Diem: Freiheitsaktion Bayern (FAB) (publiziert am 13.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/freiheitsaktion-bayern-fab-235