Festungshaftanstalt / Gefängnis Landsberg am Lech

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Verfasst von Edith Raim

1923/1924 verbüßte Hitler hier seine Strafe für den Putschversuch; nach 1945 Kriegsverbrechergefängnis

Das Gefängnis in Landsberg am Lech wurde in den Jahren 1905 bis 1908 errichtet und war für die Aufnahme von etwa 500 Strafgefangenen ausgelegt. Für politische Häftlinge gab es gemäß dem damaligen Strafvollzug die „Festungshaft“ als „ehrenvolle“ und privilegierte Haftvollstreckung, die aber in der selben Baulichkeit durchgeführt wurde wie der reguläre Strafvollzug. In den Genuss dieser „Ehrenhaft“ kam 1920 als erster Häftling in Landsberg Anton Graf von Arco auf Valley, der Mörder des ersten bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner. Adolf Hitler wurde nach seinem gescheiterten Putschversuch am 11.11.1923 in Untersuchungshaft eingeliefert und blieb bis zum 20.12.1924 in Festungshaft. Mithäftlinge waren u.a. Rudolf Heß und Julius Streicher. Die milden Haftbedingungen ermöglichten Hitler, seine Schrift „Mein Kampf“ zu verfassen, ebenso zahlreiche Freigänge im Ort und einen regen Besucherstrom von Verehrer*innen und Anhänger*innen.

1933 kamen die ersten Häftlinge des KZ Dachau u.a. aus der Strafanstalt Landsberg. Zu den prominentesten Häftlingen der NS-Diktatur gehörte der Jesuitenpater Rupert Mayer, der 1938 in Landsberg inhaftiert war. Gleichzeitig war die Strafanstalt eine NS-Weihestätte: 1937 und 1938 pilgerten Hunderte von Mitgliedern der Hitler-Jugend in die Haftanstalt, wo Hitlers Zelle zur nationalen Wallfahrtsstätte ausgebaut worden war und im Hof groß angelegte Kundgebungen stattfanden. Die Stadt Landsberg wurde von den Nationalsozialist*innen mit dem Titel „Stadt der Jugend“ bezeichnet.

Die ohnehin miserablen Haftbedingungen verschlechterten sich zu Kriegsende, was insbesondere an der steigenden Anzahl von Toten unter den Gefangenen abzulesen ist, die auf dem Gefängnisfriedhof, dem so genannten Spöttinger Friedhof begraben wurden. Praktische Überlegungen, wie etwa große unzerstörte Gebäude oder die räumliche Nähe zu Dachau und Nürnberg, aber sicher nicht zuletzt auch der hohe Symbolwert für den Nationalsozialismus führten dazu, dass nach Kriegsende das Gefängnis zum amerikanischen „War Criminal Prison Nr. 1“ wurde. Verurteilte aus den Dachauer Prozessen und aus den zwölf amerikanischen Nürnberger Nachfolgeprozessen - darunter auch einzelne Frauen - verbüßten dort ihre Strafen oder warteten auf ihre Hinrichtung. Zu den prominentesten Häftlingen gehörten der SS-Oberführer aus der Kanzlei des Führers Viktor Brack und der SS-Obergruppenführer Karl Brandt, die beide führend an den „Euthanasie“-Morden beteiligt waren, der Leiter des SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamts Oswald Pohl, der den Arbeitseinsatz der KZ-Häftlinge verantwortete, Paul Blobel, der Führer des Sonderkommandos 4a der Einsatzgruppe C und Organisator des Massakers in Babyn Jar bei Kyjiw und Leiter des Sonderkommandos 1005 war, das in der zweiten Kriegshälfte die Spuren der Massaker durch Verbrennung der Leichen in den Massengräbern beseitigte, die Chefs der Einsatzgruppe B und D Erich Naumann und Otto Ohlendorf sowie der von Hitler zum Generalbaurat für die Umgestaltung der „Hauptstadt der Bewegung“ ernannte Hermann Giesler, der zu Kriegsende eine Einsatzgruppe der Organisation Todt geführt hatte.

Insgesamt wurden im Gefängnis zwischen November 1945 und Juni 1951 252 Todesurteile am Galgen vollstreckt, außerdem während der Besatzungszeit mehrere Dutzend Personen entweder erschossen oder erhängt, die von US-Militärgerichten wegen nach Kriegende begangener Kapitalverbrechen zum Tod verurteilt worden waren. Bei diesen handelte es sich meist um osteuropäische Displaced Persons, also heimatlose Ausländer. Den Angehörigen der Hingerichteten wurde die Leiche zur Bestattung übergeben oder die Exekutierten auf dem Spöttinger Friedhof begraben. Viele der ursprünglich zum Tod Verurteilten wurden zu Haftstrafen begnadigt und erhielten Haftverkürzungen. 1958 wurden die letzten in amerikanischen Verfahren verurteilten Häftlinge entlassen, zu ihnen gehörte auch der frühere Chef des Einsatzkommandos 1a und Kommandeur der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes, Martin Sandberger. Anschließend wurde die Strafanstalt an die bayerische Justizverwaltung zurückgegeben. Der Spöttinger Friedhof wurde im Jahr 2003 entwidmet, die Namenstafeln an den Kreuzen wurden entfernt. 

Quellen

Dotterweich, Volker: Vom „Marsch nach Berlin“ zum „Marsch nach Landsberg“: Hitlers Wege nach Landsberg 1923-1939, in: Volker Dotterweich/Karl Filser (Hg.), Landsberg in der Zeitgeschichte – Zeitgeschichte in Landsberg, München 2010, S. 151-193.
Eiber, Ludwig/Sigel, Robert (Hg.), Dachauer Prozesse. NS-Verbrechen vor amerikanischen Militärgerichten in Dachau 1945-1948, Göttingen 2007.
Raim, Edith: Eine kleine Stadt erlebt die große Geschichte. Landsberg am Lech 1923-1958. Eine Chronik von Ereignissen, in: Martin Paulus u. a. (Hg.), Ein Ort wie jeder andere. Bilder aus einer deutschen Kleinstadt. Landsberg 1923-1958, Reinbek/Hamburg 1995, S. 12-32.
Raithel, Thomas: Die Strafanstalt Landsberg am Lech und der Spöttinger Friedhof (1944-1958). Eine Dokumentation im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte München, Berlin u.a. 2009.
Weichert, Klaus: Von der Gefangenenanstalt zur Justizvollzugsanstalt Landsberg am Lech 1909-2008. Eine Chronik über 100 Jahre, herausgegeben von der Justizvollzugsanstalt Landsberg am Lech, Landsberg am Lech 2008.




Empfohlene Zitierweise

Edith Raim: Gefängnis Landsberg am Lech (publiziert am 26.10.2023), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/gefaengnis-landsberg-am-lech-256