Hildegard Brücher wuchs mit zwei älteren und zwei jüngeren Geschwistern in Berlin auf. Ihre Eltern verstarben früh: 1931 der Vater, Jurist und leitender Angestellter in einem internationalen Chemie-Unternehmen, bereits ein Jahr später die Mutter, die aus der ehemals jüdischen, dann zum Protestantismus konvertierten Dresdner Brauerfamilie Pick stammte. 1932 kam Hildegard Brücher zusammen mit ihren Geschwistern zu ihrer Großmutter Else Pick nach Dresden und besuchte dort das Mädchen-Gymnasium. Nach Erhalt des Deportationsbefehls nach Theresienstadt nahm sich Else Pick im Januar 1942 das Leben.
Ihre Enkeltochter lebte 1937 ein Jahr lang im Internat in Salem, musste es aber, da sie seit den ‚Nürnberger Rassengesetzen‘ als ‚Halbjüdin‘ galt, wieder verlassen. Der Schule war durch den NS-Staat die Schließung angedroht worden, sollte sie ihre ‚nicht-arischen‘ Schüler weiterhin dort unterbringen und unterrichten. Hildegard Brücher wechselte daraufhin an ein Konstanzer Mädchengymnasium, wo sie 1939 ihr Abitur ablegte.
Um die Reichsarbeitsdienstpflicht zu verkürzen, begann sie ein sog. ‚kriegswichtiges‘ Fach zu studieren und nahm mithilfe einer Sondergenehmigung ihres akademischen Lehrers Heinrich Wieland 1940 ein Studium der Chemie an der Universität München auf. Der Chemie-Nobelpreisträger hielt über sie und weitere ‚halbjüdische‘ sowie regimekritische Studenten wie Mitglieder der späteren ‚Weißen Rose‘ seine schützende Hand. So stellte er Studienbescheinigungen für sie aus, ließ sie in seinem Labor arbeiten und ihre Examina machen. Kurz vor Kriegsende konnte Hildegard Brücher noch bei Wieland ihre Promotion in Chemie abschließen.
Ab Oktober 1945 verfasste die politisch unbelastete Hildegard Brücher einige einschlägige Artikel, etwa über den deutsch-jüdischen Chemiker Fritz Haber, für die Neue Zeitung der amerikanischen Besatzungsmacht in München, zunächst als freie wissenschaftliche Mitarbeiterin, ab dem Frühjahr 1946 als festangestellte Redakteurin. Dort war sie ein Jahr später für eine wöchentlich erscheinende Spalte, später für eine halbe Zeitungsseite unter der Rubrik „Forschung und Wissenschaft“ verantwortlich. In dieser Zeit wurde sie auch mit dem Aufbau eines Korrespondentennetzes betraut.
Anlässlich eines Interviews lernte sie den württembergisch-badischen Kultusminister und späteren Bundespräsidenten Theodor Heuß kennen, der für sie zu einem politischen Ziehvater wurde. Sie kandidierte im Mai 1948 erfolgreich auf der Liste der FDP für den Münchner Stadtrat und wurde 1950 für dieselbe Partei als jüngste Abgeordnete in den bayerischen Landtag gewählt. Von wenigen Jahren abgesehen, wirkte Hildegard Hamm-Brücher, die 1956 den CSU-Kommunalpolitiker und Juristen Erwin Hamm geheiratet hatte, bis 1976 als Abgeordnete ihrer Partei, zuletzt als Vorsitzende ihrer Fraktion. Danach war sie bis 1990 Bundestagsabgeordnete der FDP. Bei der Bundespräsidentenwahl 1994 trat sie als Kandidatin der FDP gegen den CDU-Kandidaten und späteren Gewinner der Wahl, Roman Herzog, an.
Über Jahrzehnte hinweg hatte sie diverse politische Ämter inne: So etwa war sie als anerkannte Bildungs-Expertin und -Reformerin von 1967 bis 1969 Staatssekretärin im Hessischen Kultusministerium, danach bis 1972 Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft und von 1976 bis 1982 Staatsministerin im Auswärtigen Amt.
Nach 54-jähriger Mitgliedschaft, seit den 1970er Jahren in leitenden Positionen etwa als Mitglied des Bundesvorstands, trat Hamm-Brücher im September 2002 aus der FDP aus Verärgerung über antiisraelische, von ihr als antisemitisch interpretierte Positionen führender Parteimitglieder aus.
In ihrem vielfältigen gesellschaftlichen und publizistischen Wirken setzte sie sich für eine umfassende und nachhaltige Aufarbeitung der NS-Diktatur einschließlich des Widerstands dagegen, für die christlich-jüdische Zusammenarbeit sowie für die Förderung des demokratischen und gesellschaftlichen Engagements ein. Vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Bundesverdienstkreuz (1993), der Buber-Rosenzweig-Medaille (1992) sowie der Ehrenbürgerschaft der Stadt München (1995), ist Hildegard Hamm-Brücher Ende 2016 in München verstorben und liegt auf dem Waldfriedhof begraben.
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