Wilhelm Harster (21.7.1904 Kelheim – 25.12.1991 München)

Biographies
Verfasst von Ulla-Britta Vollhardt

Verwaltungsjurist, SS-Gruppenführer, Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD in den besetzten Niederlanden und in Italien

Wilhelm Harster (links) nach seiner Verhaftung, 24.1.1966 | SZ Photo (Foto Alfred Haase)

Wilhelm Harster, Sohn eines Verwaltungsjuristen und höheren Polizeibeamten, trat 1920 noch als Schüler dem rechtsextremen, paramilitärischen Freikorps Oberland bei und gehörte nach dessen Auflösung bis 1926 der Nachfolgeorganisation Bund Oberland an. Nach dem Abitur am Ludwigsgymnasium in München studierte er bis 1926 Jura an der Münchner Universität und wurde 1927 in Erlangen promoviert. 1929 in den württembergischen Polizeidienst übernommen, stieg Harster 1931 zum Leiter der Politischen Polizei in Stuttgart auf, im April 1933 zum stellvertretenden Leiter der Württembergischen Politischen Polizei, der späteren Gestapoleitstelle Stuttgart.

Am 1.5.1933 trat er der NSDAP bei, am 9.11.1933 der SS. Seit 1935 gehörte er dem Sicherheitsdienst (SD) der SS an und wurde 1937 an das Geheime Staatspolizeiamt Berlin berufen. Nach dem „Anschluss“ Österreichs leitete er 1938/39 die Staatspolizeileitstelle Innsbruck. Mit Kriegsbeginn wurde er Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD im Militärbezirk Krakau, Mitte 1940 ging er in gleicher Funktion in die besetzten Niederlande, im Herbst 1943 nach Italien. Harster, 1944 zum SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Polizei befördert, war mitverantwortlich für die Deportation von über 100.000 Jüdinnen*Juden in die Vernichtungslager.

Seit Kriegsende in britischer Gefangenschaft, wurde er 1947 an die Niederlande übergeben. 1949 verurteilte ihn ein Sondergericht in Den Haag zu zwölf Jahren Gefängnis. 1955 wurde Harster vorzeitig in die Bundesrepublik entlassen. Nach erfolgter Entnazifizierung (Heimkehreramnestie) fand er 1956 im bayerischen Staatsdienst Wiederverwendung. In München unterhielt er enge Verbindungen zu ehemaligen Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes, über die Kontakte zum Bundesnachrichtendienst und zum Verfassungsschutz bestanden. 1958 zum Oberregierungsrat bei der Regierung von Oberbayern befördert, geriet Harster bald darauf in den Blick der deutschen Justizbehörden. 1960 wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts auf NS-Verbrechen gegen ihn eingeleitet, 1963 wurde er unter dem Druck der Öffentlichkeit als „dienstunfähig“ in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Seit Anfang 1966 in Untersuchungshaft, verurteilte ein Münchner Gericht Harster 1967 wegen Beihilfe zum Mord an nahezu 83.000 holländischen Jüdinnen*Juden zu 15 Jahren Zuchthaus (unter Anrechung seiner Haftzeit in den Niederlanden). 1968 wurde er auf Bewährung entlassen.

Quellen

Eichmüller, Andreas: Die SS in der Bundesrepublik. Debatten und Diskurse über ehemalige SS-Angehörige 1949-195, München 2018.
Kempner, Robert M. W. (Hg.): Edith Stein und Anne Frank. Zwei von Hunderttausend. Die Enthüllungen über die NS-Verbrechen in Holland vor dem Schwurgericht in München, Freiburg im Breisgau 1968.
Ritz, Christian: Schreibtischtäter vor Gericht. Das Verfahren vor dem Münchner Landgericht wegen Deportation der niederländischen Juden (1959-1967), Paderborn 2012.

Empfohlene Zitierweise

Ulla-Britta Vollhardt: Harster, Wilhelm (publiziert am 06.11.2023), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/harster-wilhelm-311