Albrecht Haushofer (17.1.1903 München – 23.4.1945 Berlin)

Biographies
Verfasst von Elisabeth Kraus/Sabine Schalm

Geograph, außenpolitischer Berater des NS-Regimes, Angehöriger des Widerstands

Albrecht Haushofer, ca. 1942 | Privatbesitz Hubert Haushofer

1903 wurde Albrecht Haushofer als Sohn des national-konservativen Geografie-Professors und wohl bekanntesten deutschen Protagonisten der sogenannten Geopolitik, Karl Haushofer, in München geboren. Er studierte Geographie und Geschichte an der Münchner Universität und wurde 1924 dort promoviert. 1925 zog er nach Berlin und arbeitete als Assistent des Geographen Albrecht Penck. 1928 wurde er Generalsekretär der „Gesellschaft für Erdkunde“ und Herausgeber ihrer Zeitschrift. Die Freundschaft der Familie zu Rudolf Heß, der bei seinem Vater studiert hatte, wirkte sich positiv auf seine Karriere aus. So wurde Albrecht Haushofer trotz seiner im NS-Sprachgebrauch „halb-jüdischen“ Mutter 1933 und ohne erfolgreich abgeschlossene Habilitation - seine bereits 1931 eingereichte Habilitationsschrift über den „Kulturboden in Ungarn“ hatte er wieder zurückgezogen - Dozent an der Berliner Hochschule für Politik und 1940 außerordentlicher Professor für Politische Geographie und Geopolitik an der Auslandswissenschaftlichen Fakultät der Berliner Universität.

Wie sein Vater lehnte Albrecht zwar die demokratische Staatsform der Weimarer Republik ab und war auch mit dem außenpolitischen Status Quo nicht einverstanden, hing aber weder dem Denken noch der Politik der Nationalsozialisten mit Begeisterung an. Stattdessen stellte er bei sich einen „Mangel an nationalsozialistischer Weltanschauung“ fest, der es ihm aber nicht verbot, „mit dem nationalsozialistischen Regime wenigstens eine Strecke gemeinsam gehen zu können“ (Hürten, S. 3). Seit 1934 beriet Albrecht Haushofer als Experte für internationale Beziehungen Rudolf Heß und wurde freier Mitarbeiter im Büro von Joachim von Ribbentrop, dem deutschen Botschafter in London und späteren Reichsaußenminister. Er unternahm Reisen nach Ost- und Südeuropa, nach Japan und zahlreiche politische Missionen nach Großbritannien, wo er sich um Verbindungen zu Vertretern einer Appeasement-Politik bemühte. Albrecht Haushofer stellte sich in den Dienst des NS-Staats, wenn auch keineswegs aus uneingeschränkter Überzeugung, wie seine Briefe an die Mutter schon seit März 1933 belegen. Doch entschied er sich „von dieser Tätigkeit weiteren Einfluss zu schaffen“ (Henkel, S. 75). Er versuchte, mäßigend auf die aggressive, nationalsozialistische Außenpolitik Einfluß zu nehmen. Dabei überschätzte er freilich seine Wirkungsmöglichkeit und beugte sich letztlich einem verbrecherischen Regime.

Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges schloss er sich jedoch dem politischen Widerstand an und suchte seit dem Frühjahr 1940 Kontakte zur konservativen „Mittwochsgesellschaft“ um den preußischen Finanzminister Johannes Popitz und zur „Roten Kapelle“ um Arvid Harnack und Harro Schultze-Boysen. 1941 wurde Albrecht Haushofer nach dem Englandflug von Rudolf Heß zwei Monate inhaftiert und als außenpolitischer Berater entlassen. Da ihm aber keine konkrete Verbindung zum Unternehmen von Heß nachgewiesen werden konnte, setzte er nach der Haft seine Arbeit an der Hochschule und im Widerstand fort. Er wusste von den Umsturzplänen gegen Hitler, war aber am gescheiterten Attentat vom 20.7.1944 nicht beteiligt.

Aufgrund der Kontakte zur Widerstandsgruppe um Stauffenberg wurde Albrecht Haushofer am 7.12.1944 in der Nähe von Partenkirchen verhaftet und im Gefängnis Lehrter Straße in Berlin-Moabit inhaftiert. Er wurde zwar nicht Opfer physischer Gewalt in der Haft, durchlebte aber eine „Zeit der totalen Ungewissheit“ (Henkel, S. 91), ohne Gerichtsverfahren mit wachsender Angst. 80 Gedichte verfasste der seit den frühen 1930er-Jahren auch als Schriftsteller tätige Albrecht Haushofer in den letzten Monaten seines Lebens heimlich in der Gefängnishaft in Berlin-Moabit zwischen Dezember 1944 und April 1945. Die Gedichte spiegeln mitunter selbstkritisch die Stationen seines Lebens in Bildern und Gleichnissen. Sie gelten als Haushofers vollendetstes dichterisches Werk und als aufrüttelndes Zeugnis des deutschen Widerstands gegen die Nationalsozialisten.

In der Nacht vom 22. auf 23.4.1945 erschoss ein SS-Kommando Albrecht Haushofer mit 12 Mitgefangenen auf einem Trümmergrundstück in der Nähe des heutigen Hauptbahnhofs in Berlin. Die Leiche seines Bruder fand Heinz Haushofer dort am 12. Mai, in der Manteltasche steckte das Manuskript der 80 Gedichte. Er veröffentlichte diese 1946 als „Moabiter Sonette“. Sie sind als Faksimile am Eingang des Lernforums im NS-Dokumentationszentrum ausgestellt.

Quellen

Haushofer, Albrecht: Moabiter Sonette, nach der Originalhandschrift herausgegeben von Amalie von Graevenitz und einem biographischen Nachwort von Ursula Laack, München 2012.
Haiger, Ernst/ Ihering, Amelie/ von Weizsäcker Carl Friedrich: Albrecht Haushofer, 2. Aufl., Ebenhausen 2008.
Henkel, Rüdiger: Die Verstrickung von Karl und Albrecht Haushofer in den Nationalsozialismus, in: ders., Im Sog der absoluten Wahrheit. Lebenswege unter dem Einfluss diktatorischer Ideen, Berlin 2003, S. 29-101.
Hürten, Heinz: Albrecht Haushofer. Schicksal und Leistung, in: Lech-Isar-Land 1995, Weilheim 1995, S. 3-20.

Empfohlene Zitierweise

Elisabeth Kraus/Sabine Schalm: Haushofer, Albrecht (publiziert am 02.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/haushofer-albrecht-317