Heinrich Himmler (7.10.1900 München – 23.5.1945 Lüneburg)

Biographies
Verfasst von Peter Longerich

Reichsführer SS und verantwortlich für den Terrorapparat des NS-Regimes

Heinrich Himmler (Mitte), hier bei einem Besuch bei Adolf Hitler in der Wolfsschanze/Rastenburg anlässlich von dessen Geburtstag am 20.4.1942 | Bayerische Staatsbibliothek München/Fotoarchiv Heinrich Hoffmann, hoff-44274

Heinrich Himmler war der zweite Sohn des Gymnasiallehrers Gebhard Himmler und dessen Frau Anna Maria, geborene Heyder. In der konservativ-katholischen Familie wuchs er zusammen mit zwei Brüdern auf (Gebhard, geboren 1898, sowie Ernst, geboren 1905). Nach dem Besuch der Volksschule und des humanistischen Wilhelmsgymnasiums in München wechselte er infolge des Umzugs der Familie 1913 an das Humanistische Gymnasium in Landshut, wo er 1919 das Abitur machte. Die Schulzeit unterbrach Heinrich Himmler Anfang 1918 durch seine freiwillige Meldung zur Armee. Er begann eine Offiziersausbildung, die er wegen des Endes des Ersten Weltkriegs abbrechen musste, ohne jemals an der Front eingesetzt worden zu sein. Über seine Unsicherheit und Orientierungslosigkeit in der Nachkriegszeit rettete er sich durch seine Selbststilisierung zum „Soldaten“; aktiv betätigte er sich in den folgenden Jahren in verschiedenen paramilitärischen Organisationen.

Himmler nahm 1919 ein agrarwissenschaftliches Studium an der Technischen Hochschule München auf, das er 1922 mit einem Diplom abschloss. Die sich 1922/23 zuspitzende wirtschaftliche und politische Krisensituation bildete den Hintergrund seiner nun einsetzenden Politisierung und seines zunehmenden Engagements für die äußerste Rechte. Eine Anstellung als Assistent in einer Düngemittelfabrik in Schleißheim bei München gab er im September 1922, kurz nach seinem Eintritt in die NSDAP, auf. Im Herbst 1923 beteiligte er sich an den die gesamte politische Rechte in Bayern erfassenden Vorbereitungen zu einem Staatsstreich. Am 8. und 9.11.1923 nahm er als Fahnenträger des von Ernst Röhm geführten Wehrverbandes Reichskriegsflagge am sogenannten Hitler-Putsch teil.

Vom Parteifunktionär zum Reichsführer SS
Nach dem gescheiterten Putsch betätigte er sich weiter für die verbotene NSDAP, insbesondere in Niederbayern, und schloss sich Gregor Straßer, dem führenden Nationalsozialisten in dieser Region, an. Als Straßer nach der Wiedergründung der NSDAP 1925 Gauleiter in Niederbayern wurde, fungierte Himmler als dessen Geschäftsführer; als Straßer 1926 die Reichspropagandaleitung der NSDAP übernahm, wechselte Himmler als dessen Stellvertreter nach München. Daneben wurde er seit 1927 stellvertretender Führer der Schutzstaffel (SS), also der schwarz uniformierten Parteiorganisation, die vor allem die Sicherung der Parteiführer bei Veranstaltungen übernahm.

1929 wurde er Reichsführer SS und baute in den folgenden Jahren die anfangs nur wenige Hundert Mitglieder umfassende Organisation zu einem – Ende 1932 – über 50.000 Mann starken paramilitärischen Verband aus. Er legte großen Wert darauf, dass die SS sich von der Sturmabteilnung (SA) durch ein elitäres Selbstbewusstsein und absolute Loyalität gegenüber dem Parteiführer Hitler abhob. So sicherte er der SS die Rolle einer parteiinternen Polizei, die über einen eigenen nachrichtlich arbeitenden Sicherheitsdienst (SD) verfügte und vor allem zur Überwachung der SA eingesetzt wurde, gleichzeitig aber der SA-Führung unterstand.

In dieser Zeit gründete Himmler auch eine Familie: 1928 heiratete er Margarete Boden und hatte mit ihr eine Tochter, die 1929 geborene Gudrun. Während des Krieges ging er mit seiner Privatsekretärin eine Beziehung ein, aus der zwei Kinder hervorgingen. Nach Himmlers Auffassung handelte es sich dabei um eine im Sinne der nationalsozialistischen Bevölkerungspolitik legitime ‚Zweitehe‘.

Aufbau des ‚Staatsschutzkorps‘
Nach der Machtübernahme wurde Himmler zum Polizeipräsidenten von München und zum Chef der Politischen Polizei in Bayern ernannt. Durch die Herauslösung der Politischen Polizei aus der allgemeinen Verwaltung und die Errichtung des Konzentrationslagers Dachau baute er in kurzer Zeit einen effizienten Repressionsapparat auf und empfahl sich damit für weitergehende Aufgaben: Nach und nach übernahm er die politischen Polizeien in den übrigen deutschen Ländern, im April 1934 auch die preußische Geheime Staatspolizei (Gestapo).

Er hatte maßgeblichen Anteil an der Mordaktion vom 30.6.1934, der unter anderem seine früheren Mentoren Röhm und Straßer zum Opfer fielen. In Anerkennung dieser ‚Verdienste‘ wurde die SS aus der Unterstellung unter die SA-Führung herausgelöst, ihr wurde gestattet, bewaffnete Verbände aufzustellen und die schon begonnene Vereinheitlichung des Systems der Konzentrationslager voranzutreiben. Gleichzeitig wurde die Gestapo zur reichseinheitlichen Geheimpolizei ausgebaut. Im Juni 1936 übernahm Himmler als Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern den gesamten deutschen Polizeiapparat. Als Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei ging er daran, SS und Polizei miteinander zu verschmelzen und so ein umfassendes ‚Staatsschutzkorps‘ als willfähriges Instrument der politischen Führung zu schaffen.

Seit 1936/1937 schaltete sich Himmler aktiv in die Politik des Reiches gegenüber den ‚volksdeutschen‘ Gruppen im Ausland ein. Im Zuge der Annexionen 1938/39 übernahm er die Organisation umfassender Umsiedlungsmaßnahmen in Österreich, dem Protektorat Böhmen und Mähren sowie in Südtirol und sicherte sich damit eine zentrale Rolle in der ‚Volkstumspolitik‘.

Ideologie und Politik

Mit der Orientierung auf Expansion und Krieg zeigte sich deutlich Himmlers Fähigkeit, für die äußerst heterogene Organisation SS im Abstand von einigen Jahren immer wieder neue Konzeptionen zu entwickeln, um so die Aufgabenstellung der Schutzstaffel an die sich rasch verändernden politischen Rahmenbedingungen anzupassen und ihr eine zentrale Rolle innerhalb des Systems zu sichern. Diese unterschiedlichen Konzeptionen Himmlers waren jeweils zutiefst ideologisch begründet – aber innerhalb dieser ideologischen Parameter entsprachen sie durchaus den praktischen Erfordernissen der nationalsozialistischen Politik.

Im Zentrum von Himmlers Weltanschauung stand die Vorstellung, es existiere eine nordische bzw. germanische Rasse mit überlegenen Eigenschaften, die sich in einem seit Jahrtausenden währenden Kampf mit minderwertigen Rassen aus dem asiatischen Raum befände und diese aus Selbsterhaltungsgründen vernichten müsse. Diese ‚asiatische‘ Perspektive schloss die Feindbilder Juden, Bolschewismus, christliche Religion und Slawen ein und verlieh Himmler und seiner SS damit einen größtmöglichen Handlungsspielraum in der Bekämpfung der Gegner des Nationalsozialismus.

Um den Zusammenhalt der SS und seine Autorität zu sichern, bediente sich Himmler eines eigenartigen Führungsstils: Er sah sich als Erzieher, der über die ‚Tugenden‘ seiner SS-Männer in und außerhalb des Dienstes wachte und zutage tretende Schwächen gnadenlos ausnutzte, um sich seine Untergebenen gefügig zu machen. Auch der von ihm entwickelte SS-Kult mit seinen besonderen Ritualen, Mythen und Kultstätten diente nicht zuletzt dazu, den elitären Charakter der SS als Gralshüter des Nationalsozialismus nach innen und außen zu demonstrieren.

Himmlers ‚großgermanische‘ Politik während des Zweiten Weltkrieges
Am 7.10.1939 erteilte Hitler Himmler den Auftrag, durch umfassende Umsiedlungen den ‚Lebensraum‘ des deutschen Volkes zu erweitern. Himmler ging daraufhin unter der Amtsbezeichnung Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums zunächst daran, in den annektierten polnischen Gebieten Einheimische gewaltsam zu vertreiben bzw. nach einer Prüfung ihrer ‚rassischen‘ Eigenschaften ‚einzudeutschen‘ sowie Volksdeutsche dort anzusiedeln. Die neue Zuständigkeit dehnte er nach und nach auf weitere besetzte Länder aus.

Himmlers Erwartung, nach dem Beginn des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion im Sommer 1941 mit der politischen Gestaltung des eroberten Raumes beauftragt zu werden, erteilte Hitler zunächst eine Absage: Er beschränkte Himmlers Kompetenzen auf die ‚polizeiliche Sicherung‘, d.h. auf die Errichtung eines Terrorregimes in den besetzten Gebieten. Zu diesem Zweck stand Himmler eine Streitmacht von mehreren Zehntausend Mann – Einsatzgruppen, Ordnungspolizei, Waffen-SS-Brigaden – zur Verfügung, die vom Beginn des Krieges an vor allem kommunistische Funktionäre und ‚verdächtige‘ jüdische Männer ermordete. Nicht zuletzt um die von ihm angestrebte politische Führungsrolle im Osten einzunehmen, weitete Himmler diese Massenmorde während des Sommers und Herbstes 1941 gezielt und in enger Absprache mit Hitler zur flächendeckenden Ermordung der jüdischen Bevölkerung in der Sowjetunion aus.

In mehreren Schritten und wiederum in enger Konsultation mit Hitler entwickelte er zwischen Herbst 1941 und Frühsommer 1942 ein Programm zur systematischen Ermordung der europäischen Juden*Jüdinnen und setzte in einem Land nach dem anderen Deportationen in die Vernichtungslager in Gang. Im August 1942 wurde er von Hitler mit der ‚Bandenbekämpfung‘ in den besetzten Ostgebieten beauftragt, wodurch er die Möglichkeit erhielt, im Zuge der sogenannten Partisanenbekämpfung größere Truppenkontingente zum Aufspüren und Ermorden von Juden*Jüdinnen einzusetzen und nicht-jüdische ‚Bandenverdächtige‘ als Arbeitskräfte ins Reich zu verschleppen.

Er baute das KZ-System zu einem Reservoir für schließlich über 700.000 Zwangsarbeiter*innen aus und unternahm Anstrengungen, einen SS-eigenen Rüstungskonzern aufzubauen. Während des Krieges baute Himmler die bewaffneten Verbände der SS zu einer eigenen Armee, der Waffen-SS aus, die nicht nur Reichsdeutsche, sondern auch Volksdeutsche und ausländische Freiwillige (strikt getrennt in ‚germanische‘ und ‚fremdvölkische‘ Verbände) rekrutierte. Nimmt man die umfangreichen Siedlungsplanungen und gewaltsamen Massenvertreibungen aus künftigen ‚germanischen‘ Siedlungsgebieten hinzu, so wird deutlich, dass es Himmler darum ging, bereits während des Krieges den Aufbau eines nach rassistischen Gesichtspunkten geordneten, europaweiten Imperiums unter ‚germanischer‘ Führung in Angriff zu nehmen und dabei der SS die entscheidende Schlüsselfunktion und damit letztlich die zentrale Führungsrolle zu sichern.

Die Kriegswende 1942/43 verhinderte jedoch die Realisierung dieser weitgesteckten Pläne. Himmler konzentrierte sich nun darauf, die ‚innere Sicherheit‘ in dem von Deutschland beherrschten Raum mit Gewalt und Terror aufrechtzuerhalten. Durch die Übernahme der Ämter des Reichsinnenministers (August 1943) sowie des Befehlshabers des Ersatzheeres (nach dem 20.7.1944) vereinigte er schließlich alle hierzu notwendigen Gewaltmittel in seiner Person und war maßgeblich dafür verantwortlich, dass das NS-Regime seine Herrschaft bis zur völligen Niederschlagung durch die alliierten Armeen ausüben konnte.

In der Schlussphase des Krieges versuchte Himmler, über neutrale Staaten Kontakte zu den westlichen Alliierten zu knüpfen, wobei er u.a. KZ-Häftlinge als Tauschobjekte anbot. Das Bekanntwerden seines Angebots einer Kapitulation gegenüber den Westmächten Ende April 1945 veranlasste Hitler, ihn aus sämtlichen Ämtern zu stoßen. Nach der deutschen Kapitulation versuchte Himmler, mit Hilfe einer falschen Identität unterzutauchen, wurde jedoch von den Briten aufgegriffen und identifiziert und beging kurz darauf Selbstmord.

Quellen

Breitman, Richard: Heinrich Himmler. Der Architekt der „Endlösung“, Paderborn 1996.
Himmler, Katrin: Die Brüder Himmler. Eine deutsche Familiengeschichte, Frankfurt am Main 2005.
Longerich, Peter: Heinrich Himmler. Biographie, München 2008.
Witte, Peter u.a. (Hg): Der Dienstkalender Heinrich Himmlers 1941/42, Hamburg 1999.

Empfohlene Zitierweise

Peter Longerich: Himmler, Heinrich (publiziert am 18.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/en/lexikon/artikel/himmler-heinrich-343